Reliquie Jesus

Reliquien von Jesus: Welche sind echt, welche gefälscht?

Reliquien, die mit Jesus von Nazareth in Verbindung gebracht werden, faszinieren Menschen seit Jahrhunderten und spielen eine zentrale Rolle in der christlichen Religionspraxis. 

Diese Objekte, von denen behauptet wird, sie hätten eine direkte Verbindung zu den Ereignissen des Neuen Testaments, reichen von Stücken oder Splittern des Kreuzes, auf dem Jesus gekreuzigt worden sein soll, bis hin zu Gewändern, die er getragen haben soll. Selbst die bei Jesu Beschneidung abgetrennte Vorhaut des angeblichen Messias wurde als Reliquie unter dem Namen „Präputium“ verehrt.

„Nutzlose Hunds- und Rossknochen“

Jedenfalls von Katholiken – den die Anhänger protestantischer Konfessionen glauben nicht an die Reliquienverehrung. Luther sah in ihnen nichts weiter als „tote Dinge“ und setzte sie als „nutzlose Hunds- und Rossknochen“ herab. Die Begeisterung – auch manches Protestanten – für ein betastbares Stückchen heiliger Geschichte blieb aber ungebrochen.

Ist das vorbildliche Heiligenverehrung, religiöse Hingabe und Demut – oder Verblendung, Scharlatanerie und Geldschneiderei? 

Katholische Reliquien
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Fragestellung: Authentizität der Jesus-Reliquien

Die Verehrung dieser Reliquien hat nicht nur religiöse, sondern auch kulturell-soziale Implikationen. Grund genug, die historische Gültigkeit und die wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser Reliquien zu untersuchen. 

Im Folgenden setzen wir uns daher mit der Authentizität der Jesus-Reliquien auseinander und hinterfragen die Bedeutung, die ihnen im Laufe der Geschichte zugeschrieben wurde. Ziel ist es, ein differenziertes Bild der Reliquien Jesu zu zeichnen und ihre Rolle im Kontext moderner religiöser Praktiken zu reflektieren.

Arten von Reliquien Jesu

Reliquien, die mit Jesus von Nazareth verbunden werden, sind vielfältig und faszinieren durch ihre Geschichten und die ihnen zugeschriebene heilige Bedeutung. 

Diese „Christusreliquien“ (auch: „Herrenreliquien“) lassen sich in mehrere Kategorien einteilen, darunter 

  1. physische Überreste, die direkt mit Jesus Leben in Verbindung gebracht werden (Reliquien erster Klasse), und 
  2. sekundäre Reliquien, die mit seinem Wirken, seinem Leiden (Passion Christi) und seinen Jüngern assoziiert werden.

Jesus-Reliquien erster Klasse 

Einige der wichtigsten werden wir im Anschluss detailliert besprechen. Hier einige Beispiele für erstrangige Jesus-Reliquien.

Jesu Körper ist ja bei der angeblichen Auferstehung mit in den Himmel aufgefahren – es konnte also nichts von seinem Körper für die Wissenschaft übrig blieben. Zumindest nichts, was nicht vorher schon Jesus abgetrennt oder ausgetreten war. Entsprechend finden sich keine Knochen, keine Leiche, keine Organe Jesu, sondern lediglich das, was zum Zeitpunkt der Himmelfahrt schon da war.

Was von Jesus übrig blieb: Die Geschichte seiner Reliquien
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  • Das Blut Christi
    In verschiedenen Kirchen aufbewahrte Substanzen, die als das Blut Jesu verehrt werden.
  • Die Milchzähne Jesu
    In einigen Traditionen verehrte Milchzähne von Jesus.
  • Heiliges Präputium
    Da Jesus Jude war, wurde er beschnitten. Das Präputium ist die bei der Beschneidung abgetrennte Vorhaut. Ironischerweise gab es mehrere Vorhäute, im Verlauf der Geschichte an bis zu 14 verschiedenen Orten.
Jesus-Reliquie_Präputium
Reliquienwahn: Wo es angeblich überall Vorhäute des Messias gab (Bild: Katapult-Verlag)
  • Haare Jesu
    Haupt- und Barthaare des „Erlösers“ finden sich in einigen Reliqiuaren, so zum Beispiel im Goldschatz von Siena. 
  • Nabelschnur Jesu
    Teile der Nabelschnur („Sanctus Umbilicus“ = Heiliger Nabel) wurden an verschiedenen Orten aufbewahrt und verehrt, so etwas in der Laterankirche in Rom.

Christusreliquien zweiter Klasse und Leidenswerkzeuge

Herrenreliquien zweiter Klasse sind Spuren, die Jesus hinterlassen hat oder die Apostel hinterlassen haben. Dazu gehören insbesondere auch die sogenannten Leidenswerkzeuge, die bei Jesu Kreuzigung Verwendung fanden. 

  1. Die Heilige Lanze (Lanze des Longinus)
    Jene Lanze, die angeblich von einem römischen Soldaten benutzt wurde, um die Seite Jesu zu durchbohren.
  2. Teile des Wahren Kreuzes
    Verschiedene Kirchen behaupten, Teile des Kreuzes zu besitzen, auf dem Jesus gekreuzigt wurde.
  3. Die Dornenkrone
    Die Krone aus Dornen, die Jesus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll.
  4. Das Turiner Grabtuch
    Ein Leinentuch, das den Abdruck des Körpers einer gekreuzigten Person trägt, das traditionell als das Grabtuch Jesu verehrt wird.
  5. Das Schweißtuch der Veronika (Sudarium Domini)
    Das Tuch, mit dem Veronika angeblich das Gesicht Jesu auf seinem Weg zur Kreuzigung abgewischt hat und das sein Gesichtsbild erhalten haben soll.
  6. Schweißtuch von Oviedo
    Nach der Überlieferung wurde dieses Tuch vor der Bestattung Jesu Christi um den Kopf seiner Leiche gewickelt. Es wird in Oviedo (Spanien) aufbewahrt.
  7. Die Nägel der Kreuzigung
    Die Nägel, die verwendet wurden, um Jesus an das Kreuz zu nageln.
  8. Die Heiligen Sandalen
    Sandalen, die Jesus angeblich getragen hat.
Christusreliquien: Sandalen Christi
Die „Sandalen Christi“

Die Sandalen Christi sind in der Sankt-Salvator-Basilika in Prüm (Eifel) zu besichtigen. Ihre „Echtheit“ wurde bislang allerdings nur im Auftrag der ultrakonservativen „Union der Nationen Europäischer Christen“ vorgeschlagen, von deren Positionen sich sogar das Bistum Trier distanziert.

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  1. Fußspuren Jesu
    Auch Fußabdrücke des Nazareners wurden überliefert, so etwa in Jerusalem. 
  2. Windeln Jesu
    Kein Scherz, auch die Windeln des Erlösers werden verehrt. Sie werden im Aachener Dom aufbewahrt.
Reliquie Jesus
Die Windeln von Jesus werden alle paar Jahre der Aachener Öffentlichkeit präsentiert
  1. Stein des Judas
    An diesem Stein soll der Verrat des Judas geschehen sein.
  2. Finger des Thomas
    Der Finger des „ungläubigen“ Thomas, den dieser in die Handflächenwunden von Jesus gelegt haben soll.

Diese und andere kleinere Reliquien wie Splitter des Kreuzes ziehen nicht nur die Gläubigen an, sondern auch Historiker und Skeptiker, die die Echtheit und den Ursprung dieser Objekte hinterfragen.

Reliquien dritter Klasse

Der Vollständigkeit halber erwähnt seien auch die Reliquien dritter Klasse – Gegenstände, die mit einer Reliquie erster Klasse in Kontakt gekommen waren. Praktischerweise konnten diese massenhaft erstellt werden: Kleine Papier- oder Stofffetzen wurden an die „erstklassige“ Reliquie gehalten, auf Heiligenbildchen geklebt und den dankbaren Gläubigen verkauft.

Die Glaubwürdigkeit der Reliquien und der Kirche

Viele Reliquien gelangten durch die Kreuzzüge nach Europa. Erwähnenswert ist hier etwa die viertägige Plünderung Konstantinopels (1204) während des Vierten Kreuzzugs. Hier plünderten die Venezianer gezielt Kirchen und Klöster und stahlen etwa eine Wahres-Kreuz-Reliquie und eine Heilig-Blut-Reliquie gestohlen, wahrscheinlich deutlich mehr. 

Könige und andere Herrscher zahlten teils immense Summen für die Reliquien, da ihr Besitz ihren göttlich sanktionierten Herrschaftsanspruch untermauern sollte. 

Theologisch und auch historisch-wissenschaftlich nehmen Reliquien eine Sonderstellung ein: Denn sie wären der direkte historische Beweis dafür, dass die Beschreibungen der Bibel, insbesondere des Neuen Testaments, zutreffend wären. 

Wenn man also für die „irdischen“ Geschehnisse wie den Auftritt des Jesus in Jerusalem und seine Kreuzigung durch die Römer Beweise hätte, würde dies natürlich auch die Glaubwürdigkeit des übernatürlichen Teils (Auferstehung, Gottessohn etc.) stärken.

Besonders ist dies deswegen, weil das sogenannte Rosinenpicken eine bei Gläubigen häufig anzutreffende Strategie ist, um Widersprüche in der Bibel zu harmonisieren: Widersprüche mit sich selbst, aber zum Beispiel auch Widerspruch mit heute geltenden Moralvorstellungen (zum Beispiel das Erfordernis, den Nachbarn zu steinigen, wenn er am Schabbat arbeitet).

Widersprüche gibt es auch zu gesichertem historischen Wissen – etwa, welcher römische Politiker zu welcher Zeit Statthalter in Jerusalem war, oder welche Volkszählungen es unter Kaiser Augustus gegeben hat. 

Gerne wird bei Diskrepanzen dann argumentiert, diese oder jene Textstelle der Bibel sei nur „symbolisch“ oder „allegorisch“ zu verstehen, es komme ja aber im Grunde auf etwas anderes an.

Bei den Jesus-Reliquien ist dies anders: Diese wären ja greifbare archäologische Nachweise Jesu Leben und Wirken. Insofern ist es für die Kirche problematisch, wenn es entweder keine dieser Nachweise gibt oder sie sich als Fälschungen herausstellen. 

Für die Forschung schwierig: Die Geschichten rund um diese Reliquien sind oft von legendären Erzählungen durchdrungen, die historische Fakten überlagern und die wissenschaftliche Analyse erschweren. Die historische Betrachtung erfordert damit eine sorgfältige Prüfung der Beweise und eine Auseinandersetzung mit der Möglichkeit mittelalterlicher Fälschungen oder späterer Hinzufügungen zu den Reliquiensammlungen.

Das Turiner Grabtuch

Das Turiner Grabtuch ist eine der bekanntesten und umstrittensten Reliquien im Christentum. Es handelt sich um ein Leinentuch, das den Bildabdruck eines Mannes zeigt, der die Male einer Kreuzigung trägt. Traditionell wird angenommen, dass es sich um das Tuch handelt, in das Jesus nach seiner Kreuzigung gewickelt wurde. Das Tuch wird in der Kathedrale von Turin in Italien aufbewahrt.

Turiner_Grabtuch
Turiner Grabtuch (links in echt, rechts fotografisch bearbeitet),
Foto von Dianelos Georgoudis (CC BY-SA 3.0)

Die wissenschaftliche Untersuchung des Turiner Grabtuchs begann ernsthaft im 20. Jahrhundert. Eine Radiokarbon-Datierung wurde 1988 durchgeführt und ergab, dass das Tuch aus dem späten Mittelalter, etwa zwischen 1260 und 1390 n. u. Z., stammt. Diese Datierung steht im offenen Widerspruch zur Auffassung, dass das Tuch aus der Zeit Jesu stammt. Die Einzelheiten zum Grabtuch findest du in diesem Artikel:

Befürworter des Tuchs gibt es jedoch nach wie vor. Sie argumentieren, dass mögliche mittelalterliche Reparaturen oder eine Kontamination das Ergebnis der Radiokarbondatierung verfälscht haben könnten. 

Es gab sogar die Behauptung, die „Heiligkeit“ des Jesus hätte bei der Auferstehung so viele Neutronen emittiert, dass sich der Karbon-14-Anteil im Grabtuch signifikant erhöht habe. So viel zur Wissenschaftlichkeit des Glaubens. Fazit: Die Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinschaft ist mehr als skeptisch bezüglich der Authentizität des Tuchs. Diese Reliquie Jesu ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Fälschung.

Dies dachte schon der Bischof von Troyes, Pierre d’Arcis, im Jahre 1389 (!).

“… fälschlich und betrügerisch, in verzehrender Habgier und nicht aus dem Motiv der Hingabe, sondern nur aus Gewinnabsicht für die dortige Kirche ein listig gemaltes bestimmtes Tuch angeschafft, auf dem mit kleverer Fingerfertigkeit das zweifache Bild eines Mannes dargestellt ist, das heißt Vorder- und Rückansicht, von dem sie fälschlich behaupten und vortäuschen, dass dies das wirkliche Grabtuch sei, in welches unser Heiland, Jesus Christus, in der Grabesgruft eingewickelt war.”

Pierre d’Arcis, 1389

Die Heilige Lanze

Die Heilige Lanze, auch bekannt als die Lanze des Longinus oder Mauritiuslanze, ist die Lanze, die von dem römischen Soldaten Longinus angeblich verwendet wurde, um die Seite von Jesus zu durchbohren, als er am Kreuz hing. 

Es gibt mehrere Reliquien, die als die Heilige Lanze beansprucht werden, und sie werden an verschiedenen Orten aufbewahrt, darunter in Wien, Rom und Etschmiadsin (Armenien).

Reliquie Jesu: Die Heilige Lanze in Wien
Die „heilige Lanze“ in Wien

Dass es gleich mehrere Heilige Lanzen gibt, ist bei der Feststellung der Echtheit natürlich ein Problem. Die Geschichte der Lanze ist zudem von Legenden durchdrungen, und ihre frühe Geschichte ist schlecht dokumentiert. 

Wenden wir uns der Heiligen Lanze in Wien zu: Sie wurde erstmals im frühen Mittelalter in historischen Quellen erwähnt, was ihre Identifikation als die tatsächliche Lanze, die Jesus durchbohrte, zweifelhaft macht.

Die Heilige Lanze gehörte zu den Reichskleinodien der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches. Sie sollte ihren Träger quasi unbesiegbar machen und Zeichen des Gottesauftrags sein, mit dem dieser jeweils ausgestattet war. So soll Otto I. die Heilige Lanze bei der Schlacht auf dem Lechfeld (955) bei sich gehabt haben, in der die Ungarn vernichtend geschlagen wurden. 

Die Heilige Lanze im Einsatz
Die Heilige Lanze im Einsatz: Otto I. im Kampf gegen die Ungarn (955)

Allerdings erbeutete Heinrich IV. die Lanzenspitze in der Schlacht bei Flarchheim (27. Januar 1080) vom schwäbischen Herzog Rudolf von Rheinfelden. Diesen hatte sie jedenfalls nicht unbesiegbar gemacht. 

Von der Heiligen Lanze ist nur die Lanzenspitze übrig, welche gebrochen ist. Die Lanzenspitze ist gut 50 Zentimeter lang. Ein in die Spitze eingearbeiteter Dorn wird traditionell als Kreuznagel verehrt, obwohl dieser nach Aussehen und Länge keinesfalls ein solcher sein kann. 

Die Lanze wurde zeitweise in Prag, Nürnberg und Regensburg aufbewahrt, bevor sie 1800 vom österreichischen Kaiser Franz II. nach Wien überführt wurde, um Napoleon den Zugriff darauf zu entziehen. Hitler wiederum ließ sie nach dem Anschluss Österreichs zurück nach Nürnberg bringen, von wo sie nach dem Zweiten Weltkrieg wieder nach Wien zurückkehrte. Dort ist sie bis heute in der Kaiserlichen Schatzkammer verblieben.

Wie bei vielen anderen Reliquien auch, fehlen direkte historische Beweise, die die Echtheit der Lanze bestätigen könnten, und ihre Geschichte vor dem Mittelalter ist größtenteils spekulativ. Allerdings zeigten Untersuchungen des Metalls durch die Montanuniversität Leoben bereits im Jahr 1914, dass die Heilige Lanze nicht vor dem 8. Jahrhundert erzeugt worden sein kann. Zu dieser Datierung passen auch das Aussehen und der Stil einer Flügellanze aus karolingischer Zeit. Ab dem Jahr 926 ist der Verbleib der Lanze nachweisbar, eine erste Beschreibung ihres Aussehens stammt aus dem Jahr 961 – passt also auch. 

Ist es plausibel, dass diese Lanze von einem Römer aus dem 1. Jahrhundert getragen wurde? Nein.

Die Archäologin Mechthild Schulze-Dörrlamm schreibt hierzu: 

„Zu einer bislang noch unbestimmten Zeit und an einem unbekannten Ort ist diese schlichte Flügellanze der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts bis frühen 9. Jahrhunderts durch symbolische Nägel der Kreuzigung Jesu, die man in ihr Blatt einfügte, in eine Passionsreliquie verwandelt worden.“

Mechthild Schulze-Dörrlamm: Die heilige Lanze in Wien (PDF)

Die Dornenkrone

Die Dornenkrone, die Jesus während seiner Kreuzigung getragen haben soll, ist eine weitere berühmte christliche Reliquie. Sie wird in drei der vier Evangelien erwähnt; Lukas schweigt davon.

Die bekannteste dieser Kronen wird in der Kathedrale Notre-Dame in Paris aufbewahrt. Historisch gesehen gibt es jedoch keine verlässlichen Aufzeichnungen über die Dornenkrone vor dem Mittelalter, was (die üblichen) Fragen zu ihrer Authentizität aufwirft.

Wie im Fall der Heiligen Lanze gibt es auch mehrere Reliquien, die als Teile der ursprünglichen Dornenkrone Jesu beansprucht werden. Diese Stücke sind über Kirchen in ganz Europa verteilt.

Die mangelnde frühe Dokumentation und die weite Verbreitung von angeblichen Teilen der Krone machen es schwierig, ihre Geschichte zu verifizieren. Wissenschaftliche Tests oder Analysen speziell zur Dornenkrone sind selten, und viele Angaben beruhen auf kirchlicher Tradition und Glauben, nicht auf empirischer Evidenz.

Historische Quellen der Jesus-Reliquien und ihre Glaubwürdigkeit

Insgesamt ist die Authentizität der Reliquien hochgradig umstritten. Die wissenschaftliche Analyse hat in vielen Fällen gezeigt, dass die Reliquien aus späteren Perioden stammen, als traditionell angenommen wird. Ihre überlieferte Provenienz (Herkunft) wird dadurch grundlegend ausgehöhlt. Damit bleibt ihre historische Authentizität als tatsächliche Gegenstände aus der Zeit Jesu mehr als zweifelhaft.

Dabei ist die Bewertung der Glaubwürdigkeit historischer Quellen zentral für das Verständnis der Authentizität von Reliquien. 

In Bezug auf Reliquien Jesu stützt sich die historische Analyse hauptsächlich auf schriftliche Überlieferungen und kirchliche Aufzeichnungen, die oft viele Jahrhunderte nach den Ereignissen, die sie beschreiben, entstanden sind. 

Diese Quellen sind in der Regel religiöse Texte, die neben ihrer historischen Berichterstattung auch theologische Botschaften vermitteln wollen. Dadurch sind sie in ihrer Objektivität potenziell eingeschränkt. Die Glaubwürdigkeit dieser Quellen wird weiterhin durch das Fehlen zeitgenössischer außerbiblischer Berichte über viele der Ereignisse und Objekte, die in den Evangelien beschrieben werden, herausgefordert. Die kritische Prüfung der Herkunft, des Kontextes und des Zwecks jeder Quelle ist daher entscheidend, um ihre Zuverlässigkeit zu beurteilen.

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Frühe christliche Schriften und Reliquien

Frühe christliche Schriften sind wertvolle Ressourcen für das Studium der Geschichte des Christentums und seiner Reliquien. 

Diese Texte, darunter die Kanonischen Evangelien, die Apostolischen Väter und apokryphe Schriften wie das Thomas-Evangelium, liefern Einblicke in die Glaubensvorstellungen und Praktiken der frühen Christengemeinden. 

Jedoch müssen diese Dokumente kritisch betrachtet werden, da sie primär religiöse und nicht historische Zwecke verfolgen. Zum Beispiel enthalten die Evangelien detaillierte Erzählungen über das Leben und Wirken Jesu, aber sie sind theologisch motiviert und wurden mehrere Jahrzehnte nach den beschriebenen Ereignissen verfasst. 

Zusätzlich bieten die Apostolischen Väter wie Clemens von Rom und Ignatius von Antiochien wichtige Einblicke in die post-apostolische Zeit, obwohl auch hier die Texte durch den Glauben und die kirchlichen Interessen der Autoren gefärbt sind.

Archäologische Funde

Archäologische Funde spielen eine entscheidende Rolle bei der Überprüfung der in religiösen Texten gemachten historischen Ansprüche. 

Im Kontext der Reliquien Jesu gibt es jedoch bemerkenswert wenige archäologische Beweise, die direkt mit Jesus oder den in der Bibel beschriebenen Ereignissen verbunden werden können. 

Einige bedeutsame Funde, wie die Ausgrabungen in Nazareth oder Kapernaum, haben Licht auf das Leben zur Zeit Jesu geworfen, bieten aber keine direkten Beweise für die Existenz spezifischer Reliquien. 

Nur der Vollständigkeit halber und weil viele dies überrascht, sei erwähnt, dass es auch keinerlei physische Beweise für die Historizität Jesu gibt. Die Archäologie steht bei Jesus von Nazaret mit vollständig leeren Händen da.

Auch die Orte, die mit Jesu Tod und Auferstehung in Verbindung stehen, wie das Heilige Grab, sind seit Jahrhunderten überbaut und umgestaltet worden, was archäologische Bestätigungen erschwert. Diese Mangel an direkten Beweisen fordert Historiker und Archäologen heraus, sich auf indirekte Indizien und den historischen Kontext zu verlassen, um die Plausibilität biblischer Berichte zu beurteilen.

Die Verehrung von Reliquien im Christentum

Die Verehrung von Reliquien hat eine lange Tradition im Christentum, die bis in die frühen Jahrhunderte der Kirchengeschichte zurückreicht. Reliquien, verstanden als Überreste von Heiligen oder Gegenstände, die mit dem Leben Jesu in Verbindung stehen, wurden als heilige Brücken zwischen dem Göttlichen und dem Irdischen angesehen. 

Diese Praxis fußt auf dem Glauben, dass diese physischen Objekte übernatürliche Kräfte besitzen, durch die Gläubige Heilung oder spirituelle Vorteile erfahren können. Im Laufe der Jahrhunderte wurden Kirchen und Schreine oft an Orten errichtet, die Reliquien beherbergten, und diese Orte wurden zu bedeutenden Pilgerzielen.

Ursprung und Entwicklung der christlichen Reliquienverehrung

Die Ursprünge der Reliquienverehrung im Christentum lassen sich bis ins 2. Jahrhundert zurückverfolgen, als die ersten Märtyrer verehrt und ihre Gräber als heilige Stätten behandelt wurden. So wurden bereits die Schweißtücher des Paulus von Tarsus für die Krankenheilung verwendet, die Gebeine des „apostolischen Vaters“ Polykarp von Smyrna gar als „wertvoller als Gold“ bewertet.

Mit der Legalisierung des Christentums im Römischen Reich durch das Edikt von Mailand im Jahr 313 und der anschließenden Annahme des Christentums als Staatsreligion durch Kaiser Theodosius im Jahr 380 nahm die Praxis der Reliquienverehrung erheblich zu. 

Kirchen wurden häufig über den Gräbern von Märtyrern erbaut, und Reliquien wurden als Mittel zur Legitimierung und Heiligung dieser Stätten genutzt. Im Mittelalter erreichte die Reliquienverehrung ihren Höhepunkt; Reliquien wurden gehandelt und gesammelt, und ihre Präsenz wurde oft genutzt, um die göttliche Gunst für ganze Städte oder Regionen zu sichern.

Theologische und soziale Bedeutung der „Herrenreliquien“

Theologisch betrachtet symbolisieren Reliquien die Verbindung des Gläubigen zu den Heiligen und zum angeblichen Erlöser selbst. 

Für die kultisch Verfangenen dienen sie als konkrete Manifestationen des Glaubens und als Mittel, durch die Bitten und Gebete scheinbar direkter an die himmlischen Mächte übermittelt werden können. 

Sozial gesehen spielten Reliquien eine wichtige Rolle bei der Formung der mittelalterlichen christlichen Kultur. Sie waren zentrale Elemente bei der Festlegung und Bestätigung religiöser Autorität und hatten oft erheblichen Einfluss auf lokale Ökonomien durch Pilgerfahrten und den damit verbundenen Handel. 

Mit anderen Worten: Bereits im Hochmittelalter dienten die Reliquien dazu, eine Art Pilgertourismus zu begründen. Bei Stadtvätern, Bischöfen und anderen Vertretern waren sie deshalb hoch im Kurs, was zu einem regelrechten Reliquienboom führte. Nicht verwunderlich deshalb, dass es zu zahlreichen Fälschungen und Kopien kam. So gibt es mehr Teile des „wahren Kreuzes“ als für ein einzelnes Kreuz notwendig, mehr Nägel als für eine Kreuzigung notwendig, bis zu 14 verschiedene Vorhäute des Erlösers und dergleichen mehr.

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Welche Reliquien sind echt?

Kein Wunder also, dass die katholische Kirche sich betont gelassen gibt, wenn es um die Authentizität der Herrenreliquien geht – wohl wissend, dass sich bei genauerem Hinsehen sämtliche Historizität in Karbon-14 auflöst.

So ist die gängige Auffassung, dass es auf die „Echtheit“ gar nicht ankomme – wichtig sei nur der Glaube daran und dergleichen. 

Moderne wissenschaftliche Untersuchungen von Christusreliquien

In der Moderne haben wissenschaftliche Untersuchungen dazu beigetragen, ein kritischeres und fundierteres Verständnis der Reliquien zu entwickeln. Technologische Fortschritte ermöglichen es Forschern heute, Reliquien mit Methoden zu analysieren, die weit über die Möglichkeiten früherer Jahrhunderte hinausgehen. Diese wissenschaftlichen Ansätze können oft helfen, die Herkunft, das Alter und die Authentizität von Reliquien zu bestimmen, was besonders wichtig ist, da viele von ihnen historisch schlecht dokumentiert sind. Radiokarbon-Datierung, Spektralanalyse und DNA-Tests sind nur einige der Techniken, die angewendet werden, um mehr über diese oft rätselhaften und mythisch überhöhten Objekte zu erfahren.

Methoden der Reliquienanalyse

Die wissenschaftliche Analyse von Reliquien umfasst eine Reihe von Methoden, die darauf abzielen, materielle Beweise zu liefern, die die oft legendären Geschichten um diese Objekte untermauern oder widerlegen können. 

Radiokarbon-Datierung

Radiokarbon-Datierung wird verwendet, um das Alter organischer Materialien zu bestimmen und ist besonders nützlich, um festzustellen, ob eine Reliquie aus der Zeit stammt, der sie zugeschrieben wird.

Grabtuch Jesus Turin
Mit der Radiokarbonmethode wurde das Turiner Grabtuch auf das 13. oder 14. Jahrhundert datiert. Nach Christus.

Spektroskopische Verfahren

Spektroskopie erlaubt die Analyse der chemischen Zusammensetzung von Materialien, ohne diese zu beschädigen. 

Mikroskopie

Mikroskopische Untersuchungen bieten Einblicke in die Machart und Abnutzung von Reliquien und können Aufschluss darüber geben, wie ein Objekt verwendet wurde. 

Genanalysen

DNA-Analysen können sogar biologische Rückstände auf Reliquien identifizieren und so Hinweise auf deren geografische Herkunft oder historische Handhabung geben.

Ergebnisse und Interpretationen

Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Untersuchungen sind oft aufschlussreich, können aber auch zu kontroversen Interpretationen führen. Beispielsweise hat die Radiokarbon-Datierung des Turiner Grabtuchs gezeigt, dass es aus dem Mittelalter stammt, was im Widerspruch zu der Behauptung steht, dass es das Grabtuch Christi ist. 

Solche Ergebnisse werden von manchen als definitive Widerlegung angesehen, während andere argumentieren, dass die Proben möglicherweise kontaminiert waren oder die Wissenschaft die Möglichkeit übernatürlicher Phänomene nicht ausschließen kann. 

Die Interpretation der Ergebnisse hängt oft von der Perspektive ab – ob wissenschaftlich, theologisch oder historisch. Dennoch tragen sie wesentlich dazu bei, unser Verständnis von Reliquien zu vertiefen und fundierte Diskussionen über ihre Bedeutung und Echtheit zu führen.

Skeptische Perspektiven auf Reliquien

Fundierte Diskussionen bedeutet, die Grenze zwischen Legende und Geschichtswissenschaft, die die Kirche so geschickt unscharf belässt zu erhärten.

Unwidersprochen nämlich lässt die Kirche ihre Schäfchen zumindest in dem Glauben, die Jesusreliquien und natürlich auch tausende Reliquien anderer „Heiliger“ seien durchaus echt. Guckt man dann genau hin, heißt es hingegen meist, auf die Historizität komme es nicht an und dergleichen. 

Das ist unredlich, denn entweder die Reliquien sind echt, oder sie sind gefälscht. Dazwischen gibt es nichts. Der grundsätzliche Mangel an zeitgenössischen Belegen wirft für viele der als Reliquien verehrten Gegenstände weitreichende Skepsis hinsichtlich ihrer Authentizität auf. 

Zudem führt die Ausschmückung mit Geschichten um viele Reliquien im Laufe der Jahrhunderte, sie überlagernde Wundererzählungen, Legenden und so weiter zur weiteren Untergrabung ihrer Glaubwürdigkeit. 

Nötig wäre: eine striktere wissenschaftliche Überprüfung und die klare Trennung religiöser Überzeugungen von historischer Faktizität, um ein realistischeres Bild der Geschichte zu gewinnen.

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