Turiner Grabtuch

Das Turiner Grabtuch – echt oder gefälscht?

Das Turiner Grabtuch ist ein langes, weißes Leinentuch, das angeblich das Gesicht von Jesus Christus trägt. Es ist eine der berühmtesten und umstrittensten Reliquien der Welt. Aufbewahrt wird es im Turiner Dom “Cattedrale di San Giovanni Battista” in der sogenannten Grabtuchkapelle

Geschichte des Turiner Grabtuchs

Das Turiner Grabtuch ist eines der bekanntesten und umstrittensten Relikte der christlichen Religion. Es ist ein langes Stück Leinen, das angeblich den Körper Jesu Christi nach seiner Kreuzigung bedeckte.

Seit dem Mittelalter wird das Tuch von Christen als heilige Reliquie verehrt und es gibt zahlreiche Geschichten über Wunder, die mit dem Tuch in Verbindung gebracht werden. Es wird traditionell behauptet, dass das Tuch das Gesicht Jesus von Nazareth nach seiner Kreuzigung durch die Römer zeigt.

Das Tuch ist sehr groß, es ist 4,36 Meter lang und 1,13 Meter breit. Das Tuch ist aus Leinen, was für ein Grabtuch ungewöhnlich ist (Grabtücher sind normalerweise aus Seide oder Wolle).

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Turiner Grabtuch (links in echt, rechts fotografisch bearbeitet), Foto von Dianelos Georgoudis (CC BY-SA 3.0)

Die Geschichte des Turiner Grabtuchs ist lang und kompliziert. Es gibt viele Theorien über seine Herkunft und Bedeutung. Einige Menschen denken, dass das Tuch echt ist und ein Beweis für die Auferstehung Jesu Christi und natürlich auch dafür, dass es Jesus wirklich gab. Entsprechend viele Legenden ranken sich um das Tuch. (Klicke auf die Cover für mehr Details.)

Die Wahrheit über das Jesus-Foto - Das Turiner Grabtuch entschlüsselt
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Es gibt eine Reihe von Untersuchungen des Turiner Grabtuchs.

Klar ist soweit: Das Grabtuch ist alt – aber ist es alt genug?

Es wurde 1499 in einem Grab in der Kirche von Lirey in Frankreich gefunden. Folglich ist es mindestens 500 Jahre alt. Das allerdings würde nicht reichen, um es in die Lebzeit beziehungsweise den Todeszeitpunkt von Jesus von Nazareth zu verorten. 

Ersterwähnung des Grabtuchs

Die Evangelien verlieren kein Wort über den so eminent wichtigen Gegenstand. Erstmalig fand das Grabtuch im 14. Jahrhundert Erwähnung. 1357 wurde das Grabtuch erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Folglich war es weit über ein ganzes Jahrtausend verschollen und vergessen. Quasi aus dem Nichts taucht das wichtige Relikt aus der Versenkung auf. In tadellosem Zustand – erstaunlich!

(Weitere?) Grabtuch-Fälschungen des 14. Jahrhunderts

Nicht unproblematisch ist dabei die Tatsache, dass das 14. Jahrhundert neben dem Turiner Grabtuch noch zwei weitere Grabtücher hervorbrachte. Vor dem Hintergrund des überaus lebhaften und (oder auch weil) lukrativen Reliquienhandels in den Jahrzehnten vor der Reformation ist dies nicht gerade ein Indiz für die Authentizität des Turiner Grabtuchs.

Grabtuch Jesus Turin
Turiner Grabtuch, Negativ (links), Positiv (rechts), Foto von Giuseppe Enrie, 1931 (CC BY-SA 4.0)

Reliquienverehrung und Reliquienhandel im Mittelalter

Die übersteigerte Reliquienverehrung des Mittelalters führte zu einigen skurrilen Ergebnissen. So gab es beispielsweise (kein Scherz!) gleich fünf Ausgaben der “Heiligen Vorhaut”. Gemeint ist damit die Vorhaut, die dem jüdischen Knaben Jesus bei seiner Beschneidung abgetrennt worden sein soll. 

Mehrere Päpste, Kaiser, Könige, Kirchen und Klöster rühmten sich, im Besitz des sogenannten “Präputiums” gewesen zu sein, natürlich des jeweils echten. Zu Ehren der Vorhaut wurden Hochämter abgehalten und ein Gelehrter verstieg sich gar zu der Meinung, die Ringe des Saturn seien die in den Himmel aufgefahrene Vorhaut. Ironischerweise ist von den Vorhäuten heute keine mehr präsent: Alle diese Reliquien verschwanden unter mehr oder weniger mysteriösen Umständen.

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Ikone statt Reliquie

Nun zurück zu unserer eigentlichen Reliquie, dem Grabtuch. Doch halt! Das Grabtuch wird von der katholischen Kirche gar nicht als Reliquie betrachtet, sondern als Ikone. Mit diesem Kniff soll ein möglicherweise direkter göttlicher Ursprung des Tuches offen gehalten werden (im Gegensatz zu der historiographisch-materiellen, gegenständlichen Echtheit einer Reliquie.

Nun ja. Man muss halt dran glauben. Zur Echtheit des Grabtuchs äußert sich die katholische Kirche abschließend übrigens gar nicht.

Untersuchungen des Turiner Grabtuchs (Sindonologie)

Kommen wir nun zu wissenschaftlichen Untersuchungen des Grabtuchs. Angelehnt an seine italienischen Namen “Sindone di Torino” sprechen einige bei der systematischen Untersuchung des Tuches auch von “Sindonologie”. Hier ein unvollständiger Abriss.

Grabtuch-Fotografie, 1898

1898 wurde das Grabtuch erstmals fotografiert. Das Ergebnis war ein regelrechter Grabtuch-Hype, denn das Negativ-Bild erzielte auf die Betrachter eine viel größere Wirkung als das Positiv.

Blutuntersuchungen, 1973

Die Untersuchungen des Turiner Grabtuchs sind komplex und es gibt viele Aspekte, die berücksichtigt werden müssen. Eine der wichtigsten Fragen ist natürlich, ob das Tuch Blutreste enthält.

Eine im Jahr 1973 gebildete Kommission aus Serologen, Forensikern und anderen Experten verneinte dies entschieden. Zwei Mitglieder der Kommission schlossen im Abschlussbericht auf die Herstellung des Grabtuchs im Mittelalter, widerriefen diese Darstellung allerdings später.

STURP, 1978

Die Untersuchungen des STURP (Shroud of Turin Research Project) des Jahres 1978 endeten in einem Skandal. Es gab einen heftigen Streit um die Ergebnisse von Walter McCrone.

Judgment Day for the Shroud of Turin
Leider nur auf Englisch verfügbar:
die Abrechnung von Walter McCrone
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Dieser hatte mit Polarisationsmikroskopie und Sekundärelektronenmikroskopie erwiesen, dass das auf dem Grabtuch befindliche Körperbild aus Pigmentmischungen besteht, wie sie für das Mittelalter typisch waren (Ocker- und Zinnoberpigmente). Der Rest des STURP-Teams behauptete das Gegenteil: Die Abbildung bestünde aus Blut.

Radiokarbondatierung, 1988

Letzte Zweifel wurden durch eine Radiokohlenstoffdatierung ausgeräumt. Ein 1 x 7 cm großes Rechteck wurde 1988 dem Tuch entnommen und in drei voneinander unabhängigen Instituten datiert (University of Arizona, Oxford University und Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich). Den Instituten wurde zudem eine Kontrollprobe aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. zum Testen zugeführt.

Veröffentlicht wurde das Resultat im Fachmagazin Nature. Ergebnis: Das Turiner Grabtuch stammt mit 95%-iger Sicherheit aus einer Zeit zwischen 1260 und 1390. Wir erinnern uns, dass das Turiner Grabtuch im Jahr 1357 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

“Sindone di Torino” – echt oder falsch?

Es gibt eine Menge Indizien, aber letztendlich zwei entscheidende Punkte, die die Herstellung des Tuchs im Mittelalter belegen. Und damit auch, dass es eine Fälschung ist:

1) Das Alter des Grabtuchs. Die Radiokarbonmethode weist ohne ernstzunehmenden Zweifel nach, dass das Tuch im 13. oder 14. Jahrhundert entstanden ist. 

2) Die Art der Färbung: Das Tuch ist mit mittelalterlichen Pigmenten gefärbt und es gibt keine Hinweise darauf, dass es mit Blut befleckt wurde.

Fazit: Geschickt gefälschtes Grabtuch

Es gibt eine ganze Reihe von versuchten Widerlegungen der Untersuchungsergebnisse, vor allem der Radiokarbonuntersuchung des Jahres 1988.

Wirklich plausibel scheint keine davon, zumal sich nun auch noch allerlei wundertätiger/übernatürlicher Quatsch sowie ein wenig gesund anmutender Verschwörungswahn bei den Echtheitsbefürwortern des Turiner Grabtuchs zeigt. 

Wahlweise sei demnach …

  • ausgerechnet die vorher sorgfältig geprüfte Stelle des Tuches, die für die Datierung entnommen wurde, im Mittelalter “unsichtbar neugewoben” (invisible reweaving) worden,
  • das Tuch von Pilzen befallen worden, welche die Isotopenverteilung der Probe beeinflusst haben,
  • das Tuch von Leonardo da Vinci hergestellt worden (obwohl dieser erst 1452 geboren wurde),
  • durch eine Feuereinwirkung (1532) ebenfalls die Isotopenverteilung geändert worden,
  • die Proben absichtlich vertauscht worden seien oder
  • mein absoluter Favorit: Bei der Auferstehung des Jesus seien so viele Neutronen emittiert worden, dass sich der Karbon-14-Anteil im Grabtuch signifikant erhöht habe. 

Und machen wir uns nichts vor: Es wäre nicht das erste Mal, dass die Kirche schamlos lügt. Im Fall des Grabtuchs äußert sie sich zwar nicht abschließend – lässt aber zu, dass tausende Jesus-Anhänger sich der Illusion der Echtheit hingeben.

Abschließend sei daher Pierre d’Arcis, der Bischof von Troyes, zitiert. Dieser richtete sich im Jahr 1389 an den Gegenpapst Clemens VII. und berichtete, was er in einer Kirche in Lirey entdeckt habe. Betrüger hätten dort …

“… fälschlich und betrügerisch, in verzehrender Habgier und nicht aus dem Motiv der Hingabe, sondern nur aus Gewinnabsicht für die dortige Kirche ein listig gemaltes bestimmtes Tuch angeschafft, auf dem mit kleverer Fingerfertigkeit das zweifache Bild eines Mannes dargestellt ist, das heißt Vorder- und Rückansicht, von dem sie fälschlich behaupten und vortäuschen, dass dies das wirkliche Grabtuch sei, in welches unser Heiland, Jesus Christus, in der Grabesgruft eingewickelt war.”

Pierre d’Arcis, Bischof von Troyes (1389)

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