Beweise für Jesus Quellen

Beweise für Jesus? Außerbiblische Quellen

Gibt es eigentlich zeitgenössische Quellen oder Artefakte, die beweisen, dass es Jesus wirklich gab? So erstaunlich das auch für manche(n) sein mag: Es gibt sie nicht.

Archäologische Beweise für Jesus?

Leider nicht! Nur der Vollständigkeit halber und weil viele dies überrascht, sei erwähnt, dass es keinerlei physische Beweise für die Historizität Jesu gibt. Die Archäologie steht bei Jesus von Nazaret mit vollständig leeren Händen da.

Christusreliquien

Weder gibt es Reliquien, die von jemand anderem als Kirchenanhängern als authentisch betrachtet werden. (Als Stichwort sei hier nur das offensichtlich im Mittelalter gefälschte Turiner Grabtuch erwähnt.)

Die meisten Christusreliquien (zum Beispiel die „heilige Lanze“, Splitter des Kreuzes, das angeblich von Helena, der Mutter des Kaisers Konstantin, im Jahr 325 entdeckt wurde oder gar die verschiedenen Vorhäute Jesu, das sogenannte „Präputium“ oder die Heiligen Nägel etc.) haben, vorsichtig ausgedrückt, eine recht unsichere Überlieferungsgeschichte.

Andere sind auf mysteriöse Weise plötzlich Jahrhunderte später oder nachweislich erst im Mittelalter während des katholischen Reliquien-Hypes wunderbar erschienen und oft im Anschluss ebenso mysteriös wieder verschwunden.

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Noch gibt es zeitgenössische Reliefs, Porträts, Büsten, Statuen, Münzen oder dergleichen „Gottesbilder“, wie es sie von prominenten Zeitgenossen Jesu gibt. Solche Prominenten wären zum Beispiel römische Feldherren oder die zu Jesu Lebzeiten herrschenden römischen Kaiser Augustus (herrschte von 27 v. u. Z. bis 14 n. u. Z) und Tiberius, der 14–37 n. u. Z herrschte. Da keinerlei Jesus-Bildnisse aus Jesu Lebzeiten oder kurz nach seinem Tod existieren, wissen wir auch nicht, wie er aussah.

Warum die Bibel Jesus nicht beweisen kann

Die historische Forschung stützt sich mangels physischer Jesus-Beweise notgedrungen auf textuelle Belege und das Studium des kulturellen und historischen Kontextes der Lebenszeit Jesu.

Als Beweis für Jesus im Sinne eines historischen Dokuments kann aus verständlichen Gründen das Neue Testament nicht herangezogen werden: Man kann es erstens nicht als neutral erachten, weil es ganz klar eine theologische Motivation hat und uns ja genau davon überzeugen will, dass Jesus von Nazareth gelebt hat. (Und nicht nur das – hier ist auch die Dreifaltigkeitslehre grundgelegt, die sogar besagt, dass Jesus göttlicher Natur ist. Aber das ist ein anderes Thema.)

Widersprüche statt Jesus-Beweise im Neuen Testament

Zweitens sind die vier Evangelien voll widersprüchlicher Darstellungen, von denen sich viele logisch ausschließen. Schon deswegen können die Evangelien nicht als Beweise für Jesus herangezogen werden können: Sie sind unzuverlässig. Die tendenziöse Art und Weise, wie diese Texte von den christlichen Kirchen in der Öffentlichkeit präsentiert werden, was ihre Autorität und Authentizität angeht, kann man nur als unredlich bezeichnen.

Jesus im Zerrspiegel: Die verborgenen Widersprüche in der Bibel und warum es sie gibt
Über Widersprüche in der Bibel
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Auf der bibelkritischen Seite lyingforjesus gibt es eine interaktive Abbildung zahlreicher Widersprüche in der Bibel.

Beweise für Jesus_Bibel
Jeder Bogen in dem Bild steht für zwei Bibelstellen, die einander direkt widersprechen.

Beispiele für Widersprüche des Neuen Testaments füllen ganze Bücher, sind aber für jeden selbst gut nachvollziehbar, indem man die Evangelien „nebeneinander“ liest und nicht hintereinander, wie es die meisten tun, die die Bibel tatsächlich lesen.

Widersprüche in der Bibel?
Gläubig oder klar denken?: Die Bibel im Widerspruch in sich und zum 21. Jahrhundert
Widersprüche in der Bibel. Warum genaues Lesen lohnt: Warum genaues Lesen lohnt. Ein Arbeitsbuch (Biblisch-theologische Schwerpunkte, Band 18)

Widersprüche in der Bibel gibt es zuhauf.
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Einige der offenkundigen Widersprüche gibt es bei den Narrativen von Himmelfahrt und Auferstehung. Diese betreffen Fragen wie: 

  • Wer sah Jesus als erstes nach der Auferstehung? 
  • Wie viele Jünger sahen Jesus nach der Auferstehung?
  • Wer war bei der Auferstehung am Grab?
  • Was geschah nach Jesus Auferstehung?
  • Warnte Jesus die Jünger vor seinem Tod und sagte seine Auferstehung voraus?
  • Was sollten die Apostel nach der Auferstehung tun?
  • Wann fand die Himmelfahrt statt?
  • Wie viele Anhänger waren zur Zeit der Himmelfahrt zugegen?

Lies die beiden oben verlinkten Artikel, um die Details über die Widersprüche zu erfahren. Es ist schon wirklich erstaunlich, dass sich Christen daran nicht mehr stören.

Eine witzige Anekdote ist auch die sogenannte Panthera-Legende, nach der Jesus der Sohn eines römischen Legionärs sein soll.

Gibt es außerbiblische Beweise für Jesus?

Kommen wir nun zu den zeitgenössischen Texten außerhalb des neuen Testaments, die Jesus erwähnen. Von denen muss es ja viele geben angesichts der Bedeutsamkeit der Ereignisse, richtig? Römische und jüdische Historiker und Schriftsteller haben versucht, einander mit den Darstellungen zu überbieten, nicht wahr? 

Es gibt zahlreiche Erwähnungen von Jesus außerhalb der Bibel, richtig?

Nein, falsch – wenn man die zeitgenössischen Historiker und Chronisten betrachtet. Es gibt innerhalb der ersten 160 Jahre nur eine Handvoll Erwähnungen von Jesus außerhalb der Evangelien. Wenn man’s genau nimmt: acht.

Wir sehen uns diese nun der Reihe nach an und liefern dazu auch jeweils eine kleine Textkritik.

Die Textstellen sind zu finden bei: 

  1. Flavius Josephus
  2. Publius Cornelius Tacitus
  3. Plinius der Jüngere
  4. Gaius Suetonius Tranquillus („Sueton“)
  5. im Babylonischen Talmud
  6. Lucian von Samosata
  7. Mara Bar Serapion und
  8. Thallus.

Das „unerträgliche Schweigen“ der Historiker

„Unübersehbar bleibt das Schweigen der zeitgenössischen Geschichtsschreibung“ zu Jesus, schrieb der wortgewaltige Kirchenkritiker Karlheinz Deschner in seinem Werk „Der gefälschte Glaube“. Und weiter:

„Das ganze nichtchristliche erste Jahrhundert – das Jahrhundert Jesu – hat Jesus ignoriert. Kein Historiker nahm von ihm Notiz, weder in Griechenland noch in Rom oder Palästina!“

Karlheinz Deschner: „Der gefälschte Glaube“
Der gefälschte Glaube: Eine kritische Betrachtung kirchlicher Lehren und ihrer historischen Hintergründe
Eine kritische Betrachtung kirchlicher Lehren und ihrer historischen Hintergründe

Wie lässt sich das erklären? 

Wie kommt es, dass die zeitgenössischen Historiker Jesus ausblenden? Warum erwähnt ein Philon von Alexandria keinen Jesus, obwohl er mit dem Judentum im Palästina des 1. Jahrhunderts, seinen Sektierereien und Schriften bestens vertraut war? 

Wieso taucht Jesus in der Geschichte der jüdischen Könige, dem Werk seines Zeitgenossen und gut informierten Chronisten Justus von Tiberias nicht auf?

„Die Juden schwiegen ihn aus Hass tot, die Römer aus Stolz.“

Ist diese Einschätzung des katholischen Pfarrers Alphons Rathgebers wirklich eine gute Erklärung für das Ausbleiben einer geschichtlichen Würdigung? 

Außerbiblische Erwähnungen von Jesus im 1. und 2. Jahrhundert

Doch wenden wir uns nun den Stellen zu, an denen Jesus tatsächlich erwähnt wird. Die berühmteste ist zweifellos bei Flavius Josephus zu finden.

1. Flavius Josephus

Josephus (ca. 37–100 n. u. Z.) liefert uns gleich zwei Quellen für das Leben Jesu. In seinen „Antiquitates Judaicae“ (Jüdische Altertümer), verfasst um 93–94 n. u. Z., erwähnt Josephus Jesus in zwei Passagen. 

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Testimonium Flavianum

Die bekanntere, das sogenannte Testimonium Flavianum, beschreibt Jesus als einen „weisen Mann“, der als der Christus bekannt war. Die Authentizität dieser Passage wird teilweise wegen möglicher christlicher Überarbeitungen debattiert. Hier die Passage in Gänze.

„Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf. Er vollbrachte nämlich ganz unglaubliche Taten und war der Lehrer aller Menschen, die mit Lust die Wahrheit aufnahmen. So zog er viele Juden und auch viele Heiden an sich. Dieser war der Christus. Und obgleich ihn Pilatus auf Betreiben der Vornehmsten unseres Volkes zum Kreuzestod verurteilte, wurden doch seine früheren Anhänger ihm nicht untreu. Denn er erschien ihnen am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten dies und tausend andere wunderbare Dinge von ihm vorhergesagt hatten. Und bis auf den heutigen Tag besteht das Volk der Christen, die sich nach ihm nennen, fort.“

Antiquitates Judaicae des Flavius Josephus

Die Glaubwürdigkeit der besagten Passage bei Josephus wird kontrovers diskutiert, weil sie Merkmale in Stil und Inhalt aufweist, die für Josephus als ungewöhnlich gelten und eher für christliche Autoren der späteren Zeit typisch sind.

Folgende Elemente werden häufig als retrospektive Modifikationen oder christliche Ergänzungen („Interpolationen“) betrachtet:

  • Bezeichnung als „Christus“:
    Es ist unwahrscheinlich, dass Josephus, der jüdischen Glaubens war, Jesus als „Christus“ bezeichnet hätte, ein Begriff, der „der Gesalbte“ bedeutet und die Anerkennung seiner messianischen Funktion suggerieren würde. Flavius Josephus war kein Christ und wurde es bis zu seinem Lebensende nicht.
  • Positive Darstellung von Jesu Wirken:
    Die Charakterisierung Jesu als Wundertäter und als jemand, der „die Wahrheit“ vermittelte, scheint aus christlicher Perspektive formuliert zu sein.
  • Erwähnung der Auferstehung:
    Die Aussage, Jesus sei am dritten Tag wieder auferstanden, wie es „die göttlichen Propheten“ vorhergesagt hätten, entspricht deutlich der christlichen Lehre.

Diese Aspekte deuten darauf hin, dass die betreffende Passage nicht von Josephus in der ursprünglichen Form verfasst wurde. Die explizite Erwähnung von Heiden und die Göttlichkeit Jesu lassen sich am ehesten durch eine christliche Bearbeitung erklären. Josephus war wie erwähnt selbst kein Anhänger Jesu, sondern Jude. 

Es ist wahrscheinlicher, dass Kopisten, die seine Werke über Jahrhunderte hinweg überlieferten und selbst christlichen Glaubens waren, diesen Einschub vorgenommen haben. 

Diese Einschätzung wird auch vom Bibelwissenschaftler Bart Ehrman geteilt, der argumentiert, dass viele biblische Erzählungen und verbreitete Glaubensannahmen über die Göttlichkeit Jesu, die Dreifaltigkeit und den göttlichen Ursprung der Bibel auf bewusste sowie unbeabsichtigte Modifikationen durch christliche Kopisten zurückgehen.

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Es gibt noch drei weitere konkrete Probleme mit der Josephus-Stelle. 

Erstes Problem: Die frühen Kirchenväter scheinen sie nämlich gar nicht zu kennen, obwohl sie die Schriften des Josephus durchaus erwähnen. 

Sicherlich hätten sie diesen handfesten Hinweis auf die Historizität Jesu in ihren theologischen Auseinandersetzungen mit dem Judentum kaum ignoriert. Im Gegenteil – er wäre ihre schärfste Waffe gewesen, ein historisches Gütesiegel allererster Klasse! 

Niemand allerdings führt diesen Jesus-Beweis ins Feld: 

  • weder Justin der Märtyrer († 165), 
  • noch Quintus Septimius Florens Tertullianus (Tertullian, † nach 220), 
  • noch der von diesem stark beeinflusste Cyprian von Karthago († 258). 
  • Origenes († 253) erwähnt Josephus zwar, aber nicht das Testimonium. Er stellt sogar ausdrücklich fest, dass Josephus kein Christ gewesen sei, was unter Kenntnis der Testimonium-Flavianum-Passage eine nur schwer nachvollziehbare Meinung ist. 
Jesus-Beweise_Cyprian von Karthago
Auch der belesene Kirchenvater Cyprian von Karthago erwähnt die Stelle nicht

Wann also taucht das Testimonium Flavianum erstmalig auf? Im 4. Jahrhundert, und zwar in der heute noch gängigen Fassung (wie oben). Es findet sich in der „Kirchengeschichte“ des Eusebius von Caesarea, eines weiteren Kirchenvaters. 

Kirchengeschichte der ersten drei Jahrhunderte: Fundamentale Schriften des Frühchristentums
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Wir erinnern uns: Josephus verfasste seinen Text um das Jahr 92. Eusebius hingegen beendete sein Werk erst um das Jahr 324. Irgendwann in den 232 Jahren zwischen Origines und Eusebius muss ein christlicher Schreiber das Zitat also hinzugefügt haben. 

Zweites Problem: Der Absatz unterbricht vollkommen den Textfluss. Josephus schildert an der Stelle Aufstände zur Amtszeit des Pontius Pilatus. Dieser Kontext wird vom Testimonium Flavianum komplett ignoriert, was ein weiterer Hinweis auf eine „Interpolation“ (= Einschub der Kopisten) ist. 

Dies war wohl noch die passendste Stelle, die die christlichen Schreiber finden konnten, um mit dieser Hinzufügung das Leben Jesu zu „belegen“. Falls dies so stattfand, handelt es sich bei einem der wichtigsten Textdenkmäler zur Historizität Jesu um eine blanke Fälschung.

Drittes Problem: Es sind laut Deschner (s. o.) Handschriften des Josephus nachgewiesen, die das Testimonium nicht enthalten, und zwar noch im 17. Jahrhundert. Deschner nennt in diesem Zusammenhang den niederländischen Theologen Gerhard Johann Vossius, in dessen Besitz sich ein solches Manuskript befunden haben soll. Damit wäre die Interpolation und damit die nachträgliche Einfügung der Textstelle erwiesen.

Die Jakobusnotiz: Jakobus, der „Herrenbruder“

Eine zweite Erwähnung betrifft Jakobus, den „Bruder Jesu, der Christus genannt wurde“. Dieser sei im Jahre 62 auf Geheiß des Hohepriesters Hannas des Jüngeren gesteinigt worden.

Allerdings gibt es plausible Hinweise darauf, dass die hier von Josephus geschilderten Ereignisse eigentlich einen Machtkampf zweier jüdischer Priesterfamilien abbilden und mit Jesus von Nazaret nicht das mindeste zu tun haben.

Denn: Jesus (Jehoschua) war kein seltener jüdischer Name, insofern besteht durchaus Verwechslungsgefahr. Menschen in Judäa trugen in der Antike schließlich keine Nachnamen, wie wir es gewohnt sind, sondern mussten durch Namenszusätze („von Nazareth“, „der Fischer“ u. ä.) unterschieden werden.

Die Story in Kürze: Hannas nutzt das Machtvakuum in der zeitlichen Lücke zwischen der Besetzung zweier Provinzverwalter und bringt in dieser Zeit den Jakobus aus einer konkurrierenden Adelsfamilie (und weitere) um. Der neu angekommene Provinzverwalter zeigt sich nach seiner Ankunft entrüstet, setzt Hannas ab und setzt nun einen weiteren Jesus (Sohn des Damneus) als Nachfolger des Hannas ein.

Jesus-Beweise
Menschen mit Namen Jesus gab es in der jüdischen Antike viele

Welcher Jesus wird hier eigentlich erwähnt?

Die Schilderung dieses jüdischen Familien-Machtkampfs ist gut nachvollziehbar. Allein der Zusatz „der Christus genannt wurde“ macht den Zusammenhang unklar. Geht man allerdings davon aus, dass auch dieser Einschub nachträglich gemacht wurde (was beim Kopieren nicht selten vorkam), lösen sich alle Widersprüche wieder auf. So bleibt der Text der Jakobsnotiz als Beweis für Jesus bis heute umstritten.

Irrtum statt Beweis bei Origenes

Der Historiker Richard Carrier legt in diesem Zusammenhang nahe, dass dieser Einschub bei der Hinrichtung des Jakobus auf einen Irrtum bei Origenes zurückzuführen sein dürfte. Origenes meinte irrtümlich, sich zu erinnern, er habe von der Hinrichtung bei Josephus gelesen. Tatsächlich findet sich die Stelle aber bei Eusebius. Nachdem Origenes verlautbart hatte, dass Josephus vom Herrenbruder Jakobus und dessen Märtyrertod berichtete, prüfte man den Josephus-Text dahingehend. Schließlich setzte man den Textteil „der Christus genannt wird“ an erwähnter Stelle hinzu, damit alles seine „Ordnung“ hat.

Earl Doherty, ein Verfechter der Jesus-Mythos-Theorie, argumentierte 1999 ebenfalls, dass Josephus in dieser Passage nicht Jesus von Nazaret meinte, sondern Jesus bar Damneus. Doherty sah den Zusatz „…der Christus genannt wird“ wie Carrier als spätere christliche Einfügung an. 

Das Jesus-Puzzle: Basiert das Christentum auf einer Legende?
Mit diesem Buch knüpft Earl Doherty an die Evangelienkritik der vergangenen 100 Jahre an

2. Tacitus

In seinen „Annalen“ berichtet der römische Historiker Publius Cornelius Tacitus (ca. 56–117 n. u. Z.) über die Christenverfolgungen unter Kaiser Nero und erwähnt, dass Christus, der Gründer dieses Namens, während der Herrschaft des Pontius Pilatus hingerichtet wurde. 

„Um das Gerücht aus der Welt zu schaffen, schob er die Schuld auf andere und verhängte die ausgesuchtesten Strafen über die wegen ihrer Verbrechen Verhassten, die das Volk ‚Chrestianer‘ nannte. Der Urheber dieses Namens ist Christus, der unter der Regierung des Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war. Für den Augenblick war der verderbliche Aberglaube unterdrückt worden, trat aber später wieder hervor und verbreitete sich nicht nur in Judäa, wo das Übel aufgekommen war, sondern auch in Rom, wo alle Greuel und Abscheulichkeiten der ganzen Welt zusammenströmen und gefeiert werden.“

Tacitus: Annalen (15,44)

Nero versucht laut der Passage also, den Christen die Schuld für den Brand Roms (18. Juli 64) in die Schuhe zu schieben. Es wird von einigen Historikern allerdings bezweifelt, dass Nero sich diesem Vorwurf überhaupt ausgesetzt sah und dass es die sogenannte neronische Christenverfolgung überhaupt gab. Die frühen Kirchenväter berichten ebenfalls nicht von der laut Tacitus in Rom einsetzenden Christenverfolgung nach dem Brand.

Gab es Jesus? Tacitus-Annalen
Die Annalen des Tacitus
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Die Stelle wurde mutmaßlich rund ein Jahrhundert nach der Kreuzigung verfasst, die Quellen deuten auf das Jahr 117. Zu der Zeit war das Christentum bereits mehr oder weniger organisiert; auch die drei synoptischen Evangelien könnten bereits existiert haben. So könnte, so ein Einwand von Arthur Drews, Tacitus schlicht diese Quellen oder die mündliche Überlieferung gekannt haben und sich an der Stelle auf sie beziehen. 

Drews zitiert den französischen Philosophen Charles François Dupuis, der in Bezug auf Tacitus zusammenfasste:  

„Tacitus sagt, was die Legende sagt. (…) Als Tacitus in seinem Bericht über Nero und die Sekte der Christen so sprach, gab er lediglich die vermeintliche Etymologie des Namens an, ohne sich im Geringsten darum zu kümmern, ob Christus wirklich existiert hatte oder ob es sich lediglich um den Namen des Helden einer heiligen Legende handelte. Eine solche Untersuchung war seinem Werk völlig fremd.“ 

Charles François Dupuis: Ursprung der Gottesverehrung. Die Glaubenslehren und Religionsbräuche aller Zeiten und Völker und die damit verbundene Herrschaft des Priestertums und Aberglaubens in ihrer Entstehung und Entwicklung, S. 223

Drews schließt aus der römischen Aktenlage zu Jesus (nicht vorhanden) und der Tatsache, dass Tacitus „nie die Archive studiert hat“, dass „die Erwähnung bei Tacitus kein Beweis für die Historizität Jesu [ist], denn sie kommt viel zu spät“. 

Drews: Der Mythos Jesus Christus
Drews‘ Buch leugnet die Historizität Jesu

Und weiter:

„Es ist fast sicher, dass der römische Historiker [Tacitus] sie einfach aus der christlichen Legende abgeleitet hat. Tacitus konnte im Jahr 117 nur das über Christus wissen, was ihn aus christlichen oder mittleren Kreisen erreichte. In solchen Angelegenheiten gab er lediglich Gerüchte in dem Licht wieder, das sein Thema ihm zu verlangen schien.“

Arthur Drews: The Witnesses to the Historicity of Jesus

Drews adressiert das Argument für die Echtheit des Tacitus, dass dessen Stil unnachahmlich sei, was eine spätere christliche Hinzufügung unwahrscheinlich mache. Er verwirft es als wenig stichhaltig: Schließlich seien die Kopisten des Mittelalters monate-, ja jahrelang mit den Schriften bestimmter Autoren beschäftigt gewesen. Es wäre für sie ein leichtes gewesen, den Schreibstil des Tacitus nachzuahmen. Im Gegenteil habe der eigenwillige Stil des Tacitus eine Nachahmung sogar erleichtert. 

Ein weiteres Argument für die Echtheit von Tacitus ist die negative Darstellung der Christen in der Passage. Ein Kopist hätte die Christen wohl positiver dargestellt, so der Einwurf. Hier argumentiert Drews, dass im Gegenteil gerade diese negativen Äußerungen sich als historisch besonders glaubwürdig zeigen – und das wussten auch gegebene Fälscher. 

Ich spare mir an dieser Stelle die komplizierten Ausführungen der Drews’schen Quellenkritik und zur historischen Einschätzung des großen Rombrandes unter Nero; ihr könnt sie selbst nachlesen (siehe Link beim obigen Zitat). Eines sei aber noch erwähnt. Keines der Werke Tacitus wurde im Laufe der Jahrhunderte ohne Interpolationen überliefert. Die tacitaneische „Reinschrift“ ist uns somit unbekannt. 

Zweifel am Tacitus-Text

Schließlich sammelt Drews noch Argumente gegen die Echtheit der Tacitus-Passage. Sie ergebe in ihrem Wortlaut keinen Sinn bzw. decke sich nicht mit dem, was über die frühen Christen in Rom bekannt war. So seit es zur Zeit des Rombrandes unvorstellbar, „dass die Anhänger Jesu zu dieser Zeit in der Stadt eine Gemeinschaft bildeten, die so bedeutend war, dass sie die öffentliche Aufmerksamkeit und den Unmut der Menschen auf sich zog“. 

Drews schließt daraus, dass der Text ein Einschub aus einem späteren Jahrhundert war, in dem dies sehr wohl der Fall war. Nämlich, „als die Zunahme und der propagandistische Eifer der Christen die anderen Religionen gegen sie aufbrachte und ihr Widerstand gegen die Gesetze des [römischen] Staates die Behörden veranlasste, gegen sie vorzugehen“.

Andere Forscher (z. B. der französische Gelehrte Hochart) bestreiten, dass Zeitgenossen den Brand überhaupt Nero zugeschrieben haben. Falls dies nicht der Fall war, ergibt die Tacitus-Passage allerdings gar keinen Sinn mehr. Für eine Christenverfolgung unter Nero, wie von Tacitus behauptet, gäbe es dann nämlich keinen nachvollziehbaren Grund.

Weiter, so Drews, sei der Ausdruck „Christen“ zur Zeit Tacitus ganz und gar unüblich gewesen. „Kein einziger griechischer oder römischer Schriftsteller des ersten Jahrhunderts erwähnt den Namen: weder Juvenal noch Persius, Lucian oder Martial, der ältere Plinius oder Seneca.“ Diese Bezeichnung ist daher kritisch zu beachten; sie erscheint viel nachvollziehbarer unter der Annahme einer späteren Interpolation.

Auch die Hinrichtungsart als „lebende Fackeln“, die Tacitus im Zusammenhang mit der Christenverfolgung beschreibt, ist aus der Zeit Neros nicht überliefert. Dass das Geschehen noch dazu in den Gärten Neros stattgefunden haben soll, einer Zufluchtsstätte aus Holzverschlägen und Zelten, erscheint vollkommen abwegig, wenn man einen weiteren Großbrand in der römischen Hauptstadt nicht herausfordern wollte. Hingegen ist diese Textstelle gut geeignet, die Legende der ersten Märtyrer zu untermauern und den Vatikan, wo sich damals die Gärten Neros befanden, als heiligen Boden und Pilgerstätte zu legitimieren.

Tacitus eine Fälschung?

Drews legt dar, wie die Geschichtsschreibung die neronische Christenverfolgung zunächst komplett ignoriert. Ursprünglich starben den Darstellungen zufolge nur Petrus und Paulus in Rom.

Paulus von Tarsus_Beweise Jesus
Paulus beim legendären „Damaskuserlebnis“

Erst im 3. Jahrhundert wird eine breitere Verfolgung der Christen erwähnt – in einem (nachweislich gefälschten) Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus von Tarsus. Im 4. Jahrhundert wird sie in der Chronik des Sulpicius Severus (gest. 403) abgebildet – in fast wörtlicher Übereinstimmung mit Tacitus.

Und jetzt wird ein Schuh draus: Aus all dem schließt Drews, dass ein klösterlicher Kopist die Passage aus dem Sulpicius in den Tacitus quasi rückübertragen hat – „zur größeren Ehre Gottes und um die Wahrheit der christlichen Tradition durch ein heidnisches Zeugnis zu stärken“.

Das würde auch erklären, wieso das gesamte Mittelalter diese für die Christenheit hochbrisante Tacitus-Passage gekonnt ignorierte. Sie lag nämlich nur in einer einzigen Abschrift vor (dem Codex Mediceus II). Erst 1470 wurde der Text in Venedig von den Gebrüdern Speyer, sämtliche weiteren Handschriften wiederum sind Abschriften dieses venezianischen Drucks.

Alles in allem gibt es schwerwiegende Zweifel an der Authentizität Tacitus-Passage über die Christen in Neros Rom. Die Hinweise auf eine spätere christliche Einfügung verdichten sich recht deutlich.

3. Plinius der Jüngere

In einem Brief an Kaiser Trajan beschreibt Plinius der Jüngere (ca. 61–113 n. u. Z.), der römische Gouverneur von Bithynien, christliche Gottesdienste und erwähnt, dass Christen Jesus „wie einen Gott“ verehren. 

Plinius war im Jahr 111 Provinzverwalter geworden. Er verfasste zehn Bände mit Briefen und gab diese heraus. Die ersten neun Bände enthalten unterschiedliche private Korrespondenzen, der zehnte Band seine Briefe aus Bithynien (heute: Türkei) an den Kaiser Trajan. Der zehnte Plinius-Band umfasst einen Briefwechsel aus insgesamt 109 Briefen, von denen 61 Briefe von Plinius an Trajan sind und 48 Briefe von Trajan an Plinius.

Beweise für Jesus_Plinius-Trajan-Briefe
Trajan (53–117) war ab 98 bis zu seinem Tod römischer Kaiser

Laut dieses Briefwechsels erfragt Plinius beim Kaiser Rat in einer ganzen Reihe praktischer, politischer und philosophischer Fragen. Die Formalisierung dieser Briefe, die alle einen standardisierten Aufbau aufweisen und in einer charakteristischen Tonalität gehalten sind, war Anlass für einige Historiker, ihre Echtheit zu bezweifeln. 

Würde Plinius wirklich den Kaiser um Rat fragen, was die Ausgestaltung der Kanalisation oder die Bewachung der Gefängnisse angeht? Plinius versucht ohne Zweifel, sich mit diesem Briefwechsel einen Platz in der Geschichte zu sichern. Dass ihm dies wichtig war, lässt sich aus anderen Korrespondenzen ableiten. Es gibt deswegen auch Stimmen, die Zweifel an den Trajan-Briefen des Plinius haben.

Die Mehrheit der Historiker und Experten für antike Literatur hält die Korrespondenz aber für authentisch: Stil und Inhalt der Briefe passen zu dem, was man sonst von Plinius kennt, und stehen im Einklang mit dem, was über die administrative Praxis und die rechtlichen Rahmenbedingungen des Römischen Reiches in dieser Zeit bekannt ist.

Die Briefe fügen sich nahtlos in das historische Bild der Zeit ein, ohne Anachronismen oder Inhalte, die auf ein späteres Verständnis der Ereignisse hindeuten würden. Zudem gibt es andere antike Quellen, einschließlich christlicher Autoren wie Tertullian, die sich auf diese Korrespondenz beziehen, was darauf hindeutet, dass sie bereits in der Antike bekannt und anerkannt war.

Die Plinius-Briefe gelten also gemeinhin als verlässliche Dokumente, „deren Authentizität nicht ernsthaft bestritten wird“ (van Voorst: Jesus Outside the New Testament: An Introduction to the Ancient Evidence, S. 27). Es sollte aber erwähnt werden, dass keine Originale überliefert sind. Wir haben nur Kopien. Der zehnte Band wurde im Gegensatz zu den vorangehenden neun Bänden erst 1502 vorgelegt. Die diesem zugrunde liegende Handschrift ist heute nicht mehr lokalisierbar. 

Plinius der Jüngere_Briefe
Die Briefe Plinius des Jüngeren
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Plinius und die Christen in Bithynien

Kommen wir nun zu der Plinius-Stelle mit den Christen. Plinius möchte von Trajan wissen, wie er mit den Christen umzugehen habe. Die Christen galten als problematisch, da sie sich nicht am Kaiserkult beteiligten. Dadurch wurden sie zum Ziel aller möglichen Repressalien. So habe er Christen unter Androhung von Gewalt zum Abschwören ihres Glaubens gebracht. Die berühmte Stelle taucht in Brief Nummer 96 auf.

„Denen, die bestritten, Christen zu sein oder gewesen zu sein, sprach ich die Formel vor und ließ sie die Götter anrufen und zu Deinem Standbild […] mit Weihrauch- und Weinspenden beten und außerdem Christus lästern. Daraufhin konnten sie meines Erachtens freigelassen werden. Denn zu all dem sollen sich wahre Christen nicht zwingen lassen. […] Sie versicherten, ihre ganze Schuld oder ihr Irrtum habe darin bestanden, dass sie sich regelmäßig an einem bestimmten Tag vor Dämmerung versammelten, um Christus als Gott ein Lied darzubringen und sich durch Eid zu verpflichten – nicht etwa zu einem Verbrechen, sondern zur Unterlassung von Diebstahl, Raub, Ehebruch, Treulosigkeit, Unterschlagung von anvertrautem Gut.“

Plinius, Epistula X/96

Liefert Plinius den Beweis für Jesus?

„Christus“ wird in Brief 96 also persönlich erwähnt: Zunächst im Zusammenhang des „Lästerns“, das Plinius den Christen auferlegt, um zu testen, ob sie ihren Glauben ernst meinen. Und noch einmal an der Stelle, an der Christen Jesus „als Gott ein Lied dar[zu]bringen“. 

Mit dem „historischen“ Jesus befasst sich Plinius allerdings gar nicht. Als Urheber eines „Aberglaubens“ (lat.: superstitio), wie es an anderer Stelle heißt, ist Jesus offenbar nicht wichtig genug, um mit Trajan über ihn zu sprechen.

Fassen wir also nochmal kurz daran, was Plinius an Trajan schreibt. Schreibt er, er habe Jesus gesehen oder er habe an dessen Grab gestanden oder dergleichen? Nein. Er schreibt über die Anhängerschaft des Jesus von Nazareth und wie er sich in Bezug auf diese verhalten soll. 

Christliche Schriften erwähnt Plinius übrigens mit keinem Wort. Erwähnt werden sollte auch, dass Plinius und Tacitus befreundet waren und sich Briefe schrieben.

4. Sueton

In seinen Biographien über die ersten römischen Kaiser erwähnt Gaius Suetonius Tranquillus (kurz: Sueton, (ca. 69–122) ein Edikt des Kaisers Claudius, das Juden aus Rom verbannte. Das Edikt wird auf das Jahr 49 datiert.

Der Satz in den Kaiserbiographien (De vita Caesarum, erschienen im Jahr 120) lautet: 

„Die Juden, welche von einem gewissen Chrestos aufgehetzt, fortwährend Unruhe stifteten, vertrieb er aus Rom.“

Während unklar ist, ob sich diese Erwähnung direkt auf Jesus von Nazaret bezieht, interpretieren einige Forscher sie als Hinweis auf die frühe Präsenz und Wirkung des Christentums in Rom.

Jüdische Unruhen unter Kaiser Claudius

Hier gibt es eine doppelte Verwechslungsgefahr. Erstens wurde im Römischen Reich vor dem Jüdischen Krieg (66–70) kaum zwischen Juden und Christen unterschieden, da die frühen Christen („Judenchristen“) formal durchaus Juden waren und sich auch als solche verstanden. 

Christus oder Chrestus?

Die zweite mögliche Quelle für Verwechslungen ist der Name „Chrestos“. Ist damit Jesus von Nazareth als Christus gemeint? Ist das der Beweis für Jesu Historizität? Kann ja eigentlich nicht sein, denn im Jahr 49 war Jesus ja bereits über zehn Jahre tot, konnte also kaum in Rom herumlaufen und Juden aufhetzen. Zumal (auch den Evangelien nach) Jesus von Nazareth Rom nie betreten hat.

Außerdem schreibt Sueton ja ausdrücklich „Chrestos“ – ein in der Antike gängiger griechischer Name („der Nützliche“), der in Rom häufig für Sklaven Verwendung fand (Quelle). Möglicherweise beziehen sich die von Sueton erwähnten Unruhen auf Auseinandersetzungen zwischen Judenchristen und Heidenchristen in Rom, welche auch im Paulusbrief an die Römer erwähnt werden. Andere jüdische Aufstände sind aus der Regierungszeit Claudius nicht überliefert.

5. Der Babylonische Talmud

Obwohl der Talmud erst im 3. und 4. Jahrhundert zusammengestellt wurde, basieren einige seiner Überlieferungen auf mündlichen Traditionen, die bis in das 1. und 2. Jahrhundert zurückreichen. Der Talmud enthält einige kritische Bemerkungen über „Yeshu“, die von einigen Forschern als Referenzen auf Jesus interpretiert werden, obwohl die Identifikation und Datierung dieser Texte umstritten ist.

Der eine Gott und die Götter: Religions- und Theologiegeschichte Israels - ein Durchblick
Religionsgeschichte Israels
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Der historische Kontext: Im Jahr 70 wurde nach dem jüdischen Aufstand der Tempel in Jerusalem von den Römern zerstört. Der jüdische Sanhedrin (Hohe Rat) wurde aufgelöst. Später wurde der Sanhedrin in der Stadt Jawne mit Billigung der Römer wieder eingesetzt. 

Jesus-Beweise-Talmud
Mittelalterliche Darstellung des Sanhedrin mit seinen 71 Mitgliedern

Im Jahr 95 traf der Sanhedrin Entscheidungen, die zum Ausschluss von „Häresien“ aus dem zeitgenössischen Judentum führten, wobei möglicherweise auch das frühe Christentum darunter fiel. Vor allem gemeint waren aber wohl andere jüdische Gruppen wie Sadduzäer oder Essener. Bis zum Jahr 135 war die Festlegung des Kanons des Tanach, der hebräischen Bibel, abgeschlossen. 

Tanach
Der Tanach
Tanach – Lehrbuch der jüdischen Bibel
Lehrbuch zum Tanach

Ab diesem Zeitpunkt begannen die verschiedenen rabbinischen Schulen verstärkt damit, ihre mündlichen Bibelauslegungen (Mischna) zu sammeln. Diese wurden ab dem 3. Jahrhundert in den babylonischen und palästinischen Versionen des Talmud schriftlich festgehalten.

Insgesamt gibt es im Talmud vier Textstellen, die von (einem) Jesus sprechen:

  • Talmud Shabbat 104b, 
  • Sanhedrin 43a; 67a, 107b, 
  • Sotah 47a und 
  • Tosefta Chullin 2:23.

Wenden wir uns Sanhedrin 43a etwas genauer zu. 

„Am Vorabend des Pesahfestes hängte man Jeschu. Vierzig Tage zuvor hatte der Herold ausgerufen: Er wird zur Steinigung hinausgeführt, weil er Zauberei getrieben und Jisrael verführt und abtrünnig gemacht hat; wer etwas zu seiner Verteidigung zu sagen hat, der komme und sage es. Da aber nichts zu seiner Verteidigung vorgebracht wurde, so hängte man ihn am Vorabend des Pesahfestes. Die Rabbanan lehrten: Fünf Jünger hatte Jeschu: Mathaj, Naqaj, Neçer, Buni und Thoda.“

Nun ist es ganz und gar fraglich, ob mit „Jeschu“ tatsächlich Jesus von Nazareth gemeint ist. Rabbiner Jehoschua Ahrens zufolge ist er es nicht – der Talmud bezieht sich seiner Auffassung nach auf eine andere Person gleichen Namens aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Dafür spricht unter anderem, dass die Kreuzigung von den Römern erst um 60 v. u. Z. in Palästina eingeführt wurde. Zudem sind die Passagen eingebettet in einen historischen Kontext rund um den Hohepriester Johanan Hyrkanos, der 104 v. u. Z. starb. Der ganze Text erwähnt die römischen Besatzer mit keinem Wort. 

Das alles passt nicht recht zusammen. Der Talmud spricht also mit großer Wahrscheinlichkeit an dieser Stelle von einem anderen Jesus als dem Jesus am Kreuz. Einige Historiker sehen in der Passage quasi eine jüdische Replik auf Vorwürfe seitens früher Christen.

6. Lucian von Samosata

Lucian von Samosata war ein griechischer Satiriker und Rhetoriker, der im 2. Jahrhundert lebte, ungefähr zwischen 125 und 180 n. u. Z. 

Obwohl Lucian nicht zu den frühesten außerbiblischen Schriftstellern gehört, die Jesus erwähnen, wird er dennoch immer wieder als Quelle für die Betrachtung der Wahrnehmung von Christen und Jesus außerhalb der christlichen Gemeinschaften genannt.

In seinem Werk „Der Tod des Peregrinos“ beschreibt Lucian die Christen und ihre Verehrung Christi auf spöttische Weise. Er stellt die Christen als leichtgläubige Menschen dar, die ihrem Anführer (eine Anspielung auf Jesus) nachfolgen, den Lucian als einen Menschen beschreibt, der in Palästina für die Einführung neuer Götter gekreuzigt wurde. Lucian betont die Bereitschaft der Christen, für ihren Glauben zu leiden, und macht sich über ihre Überzeugung lustig, Unsterblichkeit und ewiges Leben zu erlangen.

Obwohl Lucians Werk offensichtlich satirisch und kritisch gegenüber den Christen und ihren Überzeugungen ist, bestätigt es zumindest die Existenz einer Gruppe, die Jesus als göttliche Figur verehrte, und belegt die Verbreitung des Christentums im Römischen Reich im 2. Jahrhundert. Über Jesus als historische Figur verliert Lucian hingegen kein Wort.

7. Mara Bar Serapion

Mara Bar Serapion wird oft als außerbiblischer Beweis für Jesus angeführt. Der syrische Philosoph verfasste einen Brief an seinen Sohn, den Angaben zufolge aus einem römischen Gefängnis. Er wollte diesem noch einige Ratschläge für den Fall seiner Hinrichtung mitgeben. Von diesem Brief abgesehen, ist Mara Bar Serapion als Autor vollständig unbekannt. Der Brief liegt als Abschrift aus dem 7. Jahrhundert dem Britischen Museum vor, das Original ist verloren. Veröffentlicht wurde der Brief 1855. 

Hier der Wortlaut der wichtigsten Textstelle:

„Welchen Vorteil hatten die Athener, dass sie Sokrates zum Tode verurteilt haben? Hunger und Seuchen kamen über sie als Strafe für ihre Verbrechen. Welchen Vorteil hatten die Männer von Samos davon, dass sie Pythagoras verbrannten? In einem Augenblick wurde ihr Land von Sand zugedeckt. Was hatten die Juden davon, dass sie ihren weisen König umbrachten? Ganz kurze Zeit später wurde ihr Königreich aufgegeben. Gott rächte diese drei Weisen: die Athener verhungerten; die Bewohner von Samos wurden vom Meer überflutet und die Juden aus ihrem Land vertrieben, nachdem es zerstört worden war, leben vollständig verstreut. Doch Sokrates starb nicht umsonst. Er lebt fort in den Lehren des Plato; auch Pythagoras starb nicht umsonst, er lebt fort in der Statue der Hera. Und auch der weise König der Juden starb nicht umsonst; er lebt weiter in der Lehre, die er verkündet hat.“

Der Brief erwähnt also einen „weisen König“ der Juden, dessen ungerechter Tod letztendlich zum Untergang des jüdischen Königreichs führte. Obwohl Jesus nicht namentlich genannt wird, interpretieren viele Forscher diese Passage als Bezugnahme auf ihn, insbesondere aufgrund des Kontextes und der Parallelen zu anderen historischen Berichten über Jesus.

Das genaue Datum des Serapion-Briefs ist umstritten; er wurde aber mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann nach dem Jahr 73 verfasst. Einige Datierungen reichen bis in die Mitte des 2. Jahrhundert, so auch die von van Voorst. Als Grund hierfür wird die Passage angeführt, dass die Juden „vollständig verstreut“ lebten, was nach der Vertreibung durch den römischen Kaiser Hadrian infolge des gescheiterten Bar-Kochba-Aufstands (132–136) der Fall war.

Da Mara Bar Serapion kein Christ war, wird sein Zeugnis als unparteiisch betrachtet, was ihm einen gewissen Wert als unabhängige Bestätigung der Wirkung Jesu auf seine Zeitgenossen und die nachfolgenden Generationen verleihen soll.

Die größte Herausforderung bei der Interpretation des Briefes ist die vage Referenz. Ohne eine explizite Nennung Jesu ist es schwierig, definitiv zu bestätigen, dass mit dem „weisen König“ tatsächlich Jesus gemeint ist. Die Passage könnte auch auf andere historische Figuren bezogen sein, die in ähnlicher Weise von den Römern hingerichtet wurden. Abhängig von der Datierung des Briefes könnte Mara Bar Serapion zudem bereits Informationen aus christlichen Quellen erhalten haben, was die Unabhängigkeit seines Zeugnisses mindern würde.

Die Frage ist also, warum Jesus nicht namentlich erwähnt wird. Die Forschung hat hierauf mehrere mögliche Antworten vorgeschlagen, etwa, dass der Autor die Römer nicht provozieren wollte, die ihn ja schließlich gefangen hielten.

Es gibt aber auch die Meinung, dass der ganze Brief eine Fiktion sei, eine Art Hausaufgabe – eine sogenannte Chrie. Diese antiken Rhetorikübungen folgten einem festen Schema, dem in einigen Details auch der Brief folgt. Das Argument hierfür ist, dass Serapion am Ende des Briefs sich selbst in der dritten Person schildert, was für einen authentischen Brief als kaum verständlich angesehen wird. Als belastbares Zeugnis für das Leben Jesu kann der Brief jedenfalls unter den vorliegenden Umständen nicht betrachtet werden.

8. Thallus

Thallus erwähnen wir nur der Vollständigkeit halber. Der Chronist soll um das Jahr 55 eine Weltgeschichte veröffentlicht haben, die die Zeit vom Trojanischen Krieg bis etwa das Jahr 50 umspannte. Das Werk ist nur fragmentarisch erhalten; einige Zitate finden sich bei anderen Autoren.

Einer dieser Autoren war der christliche Geschichtsschreiber Sextus Julius Africanus, dessen Werk ebenfalls verloren, aber um das Jahr 800 von Georgius Sucellus zitiert wurde. Ja, ist kompliziert, ich weiß. Julius diskutiert, ob es eine Finsternis bei der Kreuzigung Jesu gab. In diesem Zusammenhang erwähnt er, dass Thallus von einer Sonnenfinsternis bei der Kreuzigung geschrieben habe.

Julius weist dies zurück und argumentiert, dass die Kreuzigungs-Finsternis keine Sonnenfinsternis gewesen sein könne, da die Kreuzigung ja während des Pessach-Festes stattfand (beziehungsweise am Tag davor, das Neue Testament ist sich hier nicht einig). Das Pessach-Fest wiederum findet nur bei Vollmond statt, was eine Sonnenfinsternis physikalisch ausschließt. 

Man geht davon aus, dass Thallus’ Versuch, die Finsternis auf natürliche Weise zu erklären, eine Kritik am Christentum darstellte, auf die der christliche Julius eine Erwiderung schrieb. 

Bei Thallus bleibt fast alles im Dunkeln: Er wird von dritter Hand fragmentarisch zitiert; der Zusammenhang ist unklar. Man kann zwar irgendwie davon ausgehen, dass das Argument über die Finsternis einen Bezug zu Jesus habe, was Thallus zur ältesten außerbiblischen Erwähnung machen würde. Gesichert allerdings ist hier, wie geschildert, so gut wie gar nichts.

Wie wird Jesus hier eigentlich bewiesen? Kritik der außerbiblischen Erwähnungen Jesus

Bist du noch dabei? Wir haben nun in aller gebotenen Kürze (LOL) die außerbiblischen Quellen angeführt, die in den ersten zwei „nachchristlichen“ Jahrhunderten eine Rolle spielten. 

Wie du dir denken kannst, füllen Abhandlungen zur Einordnung dieser Quellen ganze Bände. Ich habe deswegen den Text mit einigen Links versehen, damit du bei Interesse selber weiterforschen kannst.

Abschließend sollten wir uns noch eine Sache bewusst machen: Es ist ein Unterschied, ob diese Texte wirklich von Jesus berichten oder nur davon, dass es eine Gruppe von Menschen gab, die daran glaubte, dass es diesen gegeben hat. Schließlich ist das nicht dasselbe.

Ich hoffe, du kannst nun meine Zweifel an den Quellen nachvollziehen. Keine der außerbiblischen Quellen bietet direkte, physische Beweise für die Existenz Jesu, wie archäologische Funde oder zeitgenössische Dokumente, die von Jesus selbst stammen (und die es ebenfalls nicht gibt). Die außerbiblischen Texte berichten damit weniger direkt von Jesus selbst als vielmehr von der Existenz einer Gruppe von Menschen, die ihm folgten und ihn als messianische oder göttliche Figur verehrten. 

Auch interessant: die Q-Quelle des Neuen Testaments, oder „Wer schrieb von wem ab“?

Diese Texte belegen also vorrangig, dass es im 1. und 2. Jahrhundert eine wachsende Bewegung gab, die Jesus als zentrale Figur ihres Glaubens ansah. Sie geben uns Einblick in die Außenwahrnehmung des frühen Christentums, aber sie bieten nur indirekte Informationen über Jesus als historische Person, von Beweisen für Jesus ganz abgesehen. 

Einige Erwähnungen von Jesus sind umstritten hinsichtlich ihrer Authentizität oder hinsichtlich späterer christlicher Überarbeitungen. Die meisten stammen aus einer Zeit mehrere Jahrzehnte nach seinem vermuteten Tod. Diese zeitliche Distanz führt zu Fragen über die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Überlieferungen, da sie auf mündlichen Traditionen oder frühen schriftlichen Quellen basieren, die selbst nicht erhalten sind. Die außerbiblischen Quellen liefern keine direkten Beweise für die Lebensdetails, Taten oder Lehren Jesu selbst. Die Analyse dieser Quellen erfordert eine sorgfältige historisch-kritische Bewertung, um ihren Beitrag zum Verständnis der historischen Figur Jesus von Nazareth zu erfassen.

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