Paulus von Tarsus Apostel

Paulus von Tarsus: Apostel oder Scharlatan?

Paulus von Tarsus, auch bekannt als Apostel Paulus, ist eine der zentralen und gleichzeitig kontroversesten Figuren in der Geschichte des frühen Christentums. Sein Einfluss auf die Entwicklung der christlichen Theologie und Kirche ist unbestritten. Er gilt als „Kirchenvater“.

Apostel Paulus: Leben und historischer Kontext 

Als Verfasser zahlreicher Briefe des Neuen Testaments trug Paulus wesentlich zur Formung der christlichen Doktrin und Praxis bei. Seine Lehren waren einflussreich in der Formierung der christlichen Identität. 

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Einblick in das Leben des Paulus, seine Mission, seine theologischen Ansichten und die bleibende Wirkung seiner Arbeit auf das Christentum. Wir werden auch die verschiedenen Perspektiven und Kontroversen rund um seine Figur beleuchten und damit ein differenziertes Bild dieses prägenden religiösen Führers zeichnen.

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War Paulus einer der zwölf Apostel?

Wieso eigentlich „Apostel Paulus“ – war Paulus einer der zwölf Jünger? 

Nein, Paulus von Tarsus war nicht einer der ursprünglichen zwölf Apostel, die von Jesus Christus während seines „irdischen Dienstes“ ausgewählt wurden. Die zwölf Apostel, oft auch als die Zwölf Jünger bezeichnet, waren enge Begleiter Jesu und sind in den Evangelien des Neuen Testaments namentlich: 

  • Petrus, 
  • Andreas, 
  • Jakobus der Ältere, 
  • Johannes,
  • Philippus, 
  • Bartholomäus, 
  • Thomas, 
  • Matthäus, 
  • Jakobus der Jüngere, 
  • Thaddäus, 
  • Simon der Zelot und 
  • Judas Iskariot, der später durch Matthias ersetzt wurde.

Paulus, der ursprünglich Saulus hieß, war zunächst ein Verfolger der frühen Christen und erlebte eine dramatische Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus, nach der er zu einem der einflussreichsten Verkünder des christlichen Glaubens wurde (siehe unten). 

Er wird oft als „Apostel der Heiden“ bezeichnet, weil er sich besonders der Missionierung der nichtjüdischen Bevölkerung widmete. Obwohl er nicht zu den ursprünglichen zwölf Aposteln gehörte, betrachtete sich Paulus selbst als von Christus berufenen Apostel. In seinen Briefen betont er wiederholt seine Berufung und seinen apostolischen Dienst, der ihm direkt durch eine (angebliche) Offenbarung Jesu Christi zuteilwurde.

Paulus von Tarsus Apostel
Paulus von Tarsus: künstlerische Dartsellung

Paulus’ Rolle und seine Mission waren entscheidend für die Ausbreitung des Christentums im Römischen Reich und seine theologischen Schriften bilden einen wichtigen Teil des Neuen Testaments.

Wer war Paulus von Tarsus?

Paulus von Tarsus, ursprünglich bekannt als Saulus, wurde um das Jahr 10 in Tarsus, einer Stadt in Kleinasien (heute Türkei), in eine jüdische Familie geboren. 

Als römischer Bürger erhielt er eine umfassende Ausbildung, die sowohl die griechische Philosophie als auch das Studium der hebräischen Schriften und der jüdischen Traditionen des Jahwe-Kultes umfasste. 

Er wuchs in einer jüdischen Familie auf und befasste sich intensiv mit der jüdischen Gesetzestradition und den Schriften. Saulus war deshalb zunächst ein eifriger Verfechter des Judentums und sogar bekannt für seine harte Verfolgung der frühen Christen, die er als Häretiker verachtete.

Seine dramatische Bekehrung zum Christentum, die durch eine visionäre Begegnung mit dem auferstandenen Jesus auf dem Weg nach Damaskus ausgelöst wurde, markierte einen Wendepunkt in seinem Leben. Nach seiner Bekehrung nahm Saulus den Namen Paulus an und widmete sein Leben der Missionierung und Verbreitung der christlichen Botschaft, insbesondere unter den Nichtjuden. Er unternahm mehrere missionarische Reisen durch das Römische Reich, gründete christliche Gemeinden und verfasste zahlreiche Briefe, die theologische Lehren und Anweisungen enthielten. Die Paulusbriefe bilden einen wesentlichen Teil des Neuen Testaments und haben die christliche Theologie maßgeblich geprägt.

Als „Apostel Paulus“ wurde er damit zur zentralen Figur in der Ausbreitung des Christentums in der frühen Kirchengeschichte. Er gilt seitdem traditionell als einer der bedeutendsten Missionare des frühen Christentums und als einflussreicher theologischer Schriftsteller. Sein Leben und Wirken sind vor allem durch das Neue Testament und die Apostelgeschichte dokumentiert, in denen seine Missionstätigkeit, seine Briefe an verschiedene christliche Gemeinden und seine theologischen Lehren dargestellt werden.

Wann lebte Paulus von Tarsus?

Paulus von Tarsus lebte im 1. Jahrhundert. Sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt, aber es wird geschätzt, dass er um das Jahr 10 geboren wurde. Die aktive Phase seines missionarischen Wirkens begann nach seiner Bekehrung, die vermutlich um das Jahr 33 stattfand, und dauerte bis zu seiner Hinrichtung. 

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Sein Tod wird üblicherweise um das Jahr 64 bis 67 datiert, unter der Herrschaft des römischen Kaisers Nero. Paulus’ Leben und Wirken fallen somit in eine Schlüsselperiode der frühen christlichen Kirchengeschichte, kurz nach der Passion Christi und der angeblichen Auferstehung.

Wie ist Paulus von Tarsus gestorben?

Von Paulus von Tarsus wird traditionell angenommen, dass er als Märtyrer starb. Die genauen Umstände seines Todes sind jedoch nicht vollständig klar, da sie in den biblischen Texten nicht detailliert beschrieben werden. Die häufigste Überlieferung, die auf Kirchenväter und historische Quellen außerhalb der Bibel zurückgeht, besagt, dass Paulus in Rom unter der Herrschaft des Kaisers Nero hingerichtet wurde.

Eusebius von Caesarea, ein früher Kirchenhistoriker des 4. Jahrhunderts (also drei Jahrhunderte nach den Ereignissen), erwähnt in seiner „Kirchengeschichte“ den Märtyrertod des Paulus und verweist dabei auf frühere Quellen wie Clemens von Rom und Tertullian.

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Laut der Eusebius-Überlieferung wurde Paulus während der Neronischen Christenverfolgungen um das Jahr 64 bis 67 n. Chr. festgenommen. Da er römischer Bürger war, wird angenommen, dass er das Privileg einer Enthauptung hatte, was als eine weniger grausame Form der Hinrichtung galt als die Kreuzigung. Dies geschah vermutlich außerhalb der Stadtmauern Roms.

Gibt es Belege für das Martyrium des Paulus?

Es gibt keine zeitgenössischen Aufzeichnungen, die seinen Tod genau dokumentieren, und sämtliche bekannten Details stammen aus späteren Quellen. Daher behandeln einige Historiker diese Angaben mit Vorsicht und sehen sie eher als Teil der christlichen Überlieferung und des Märtyrerkultes. Trotz dieser Unsicherheiten bleibt Paulus’ Märtyrertod ein wesentlicher Bestandteil seines Erbes und seiner Bedeutung in der Geschichte des Christentums.

Wo ist der Apostel Paulus begraben?

Der genaue Ort, an dem Paulus von Tarsus begraben ist, ist Gegenstand von Tradition und kirchlicher Überlieferung, aber nicht mit absoluter Sicherheit feststellbar. Nach traditioneller Überlieferung befindet sich das Grab des Paulus in Rom.

Die Basilika Sankt Paul vor den Mauern (italienisch: Basilica di San Paolo fuori le Mura) in Rom beansprucht, die letzte Ruhestätte des Apostels Paulus zu sein. Diese Kirche wurde ursprünglich im 4. Jahrhundert über dem Grab errichtet, das als Paulus’ Begräbnisstätte verehrt wurde. Die Basilika wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut und restauriert, insbesondere nach einem großen Brand im 19. Jahrhundert.

Rom, Sankt Paul vor den Mauern (San Paolo fuori le Mura)
Rom, Sankt Paul vor den Mauern (San Paolo fuori le Mura)

Unter dem Hauptaltar der Basilika befindet sich ein Sarkophag, der traditionell als das Grab des Apostels Paulus angesehen wird. Im Jahr 2009 gab der Vatikan bekannt, dass bei archäologischen Untersuchungen menschliche Knochen in diesem Sarkophag gefunden wurden, die auf das 1. oder 2. Jahrhundert datiert werden können, was mit der Zeit übereinstimmt, in der Paulus gelebt haben soll.

Obwohl diese Entdeckungen die Tradition unterstützen, dass Paulus dort begraben ist, gibt es keine eindeutigen historischen Beweise, die diese Annahme zweifelsfrei bestätigen. Wie bei vielen antiken religiösen Figuren beruht die genaue Kenntnis über die Begräbnisstätte größtenteils auf kirchlichen Traditionen und Überlieferungen.

Paulus von Tarsus – der Pharisäer

Als Pharisäer bezeichnet man ein Mitglied einer jüdischen religiösen Bewegung oder Schule, die im antiken Judäa zwischen dem 2. Jahrhundert v. u. Z. und dem 1. Jahrhundert n. u. Z. existierte. 

Die Pharisäer waren bekannt für ihre genaue Auslegung und Befolgung des Gesetzes (der Tora) und für ihre Betonung der Wichtigkeit mündlicher Traditionen und Interpretationen, die neben dem geschriebenen Gesetz standen.

Die Tora: Die Fünf Bücher Mose und die Prophetenlesungen (hebräisch-deutsch) in der revidierten Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson
Der Quelltext: die Tora
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Die Pharisäer unterschieden sich in einigen ihrer Glaubenslehren und Praktiken von anderen Gruppierungen dieser Zeit, wie den Sadduzäern, die hauptsächlich aus der Priesterklasse stammten und eher konservative Ansichten in Bezug auf das Gesetz und die religiöse Praxis hatten. Die Pharisäer glaubten an die Auferstehung der Toten und an Engel, während die Sadduzäer diese Ansichten nicht teilten.

Paulus von Tarsus identifizierte sich selbst als Pharisäer. Vor seiner Bekehrung zum Christentum war er ein eifriger Verfechter der pharisäischen Traditionen und Gesetze. Dies wird in der Bibel in verschiedenen Stellen beschrieben, unter anderem in seinen Briefen und in der Apostelgeschichte.

Paulus Pharisäer
Saulus war ein glühender Verfechter der ersten Christenverfolgung

In Philipper 3:5 bezeichnet Paulus sich selbst als „Pharisäer, Sohn von Pharisäern“. Sein Hintergrund als Pharisäer beeinflusste seine frühe Einstellung zum Christentum, das er ursprünglich als eine abtrünnige Sekte des Judentums betrachtete und dessen Anhänger er verfolgte. Nach seiner Bekehrung nutzte Paulus seine tiefe Kenntnis des jüdischen Gesetzes und der Schriften, um das Evangelium Jesu Christi zu predigen und auszulegen.

Vom Saulus zum Paulus: die Bekehrung im „Damaskuserlebnis“

Die Bekehrung von Saulus zum Paulus, oft als das „Damaskuserlebnis“ bezeichnet, ist eine der bekanntesten und bedeutendsten Episoden in der christlichen Geschichte und Symbol für eine tiefgreifende geistige Wandlung. Dieses Ereignis wird in der Apostelgeschichte des Neuen Testaments beschrieben und hat entscheidende Bedeutung für die Ausbreitung des Christentums.

Saulus war, wie erwähnt, ursprünglich ein eifriger Christenverfolger. Als Pharisäer war er fest entschlossen, die junge christliche Bewegung zu unterdrücken, die er als Bedrohung für die jüdische Tradition ansah. Saulus war an der Verhaftung und Bestrafung von Christen beteiligt und reiste sogar von Stadt zu Stadt, um sie zu finden und zu verfolgen.

Das Damaskuserlebnis

Auf dem Weg nach Damaskus, wo er weitere Christen festnehmen wollte, hatte Saulus eine visionäre und lebensverändernde Begegnung. Nach den Berichten in der Apostelgeschichte wurde er von einem hellen Licht umstrahlt, und er hörte die Stimme Jesu, die ihn fragte: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“

Das Damaskuserlebnis des Saulus
Das Damaskuserlebnis des Saulus

Saulus’ Damaskuserlebnis im Wortlaut (Luther-Übersetzung)

Hier nun, wie die Textstelle in der Apostelgeschichte (Kapitel 9) lautet: 

1 Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester 2 und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, dass er Anhänger dieses Weges[1], Männer und Frauen, wenn er sie fände, gefesselt nach Jerusalem führe. 3 Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; 4 und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? 5 Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. 6 Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. 7 Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemanden. 8 Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; 9 und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht. 

Apostelgeschichte 9

Dieses Erlebnis führte zu einer sofortigen und tiefen spirituellen Umkehr. Saulus war den Schilderungen der Apostelgeschichte nach zeitweise blind und wurde von einem Christen namens Hananias geheilt, der von Gott gesandt wurde, um ihm zu helfen.

10 Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. 11 Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet 12und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und ihm die Hände auflegte, dass er wieder sehend werde. 13 Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; 14 und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangen zu nehmen, die deinen Namen anrufen. 15 Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. 16 Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen. 17 Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werdest. 18 Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen 19 und nahm Speise zu sich und stärkte sich.

Apostelgeschichte 9

Damit schließt das Kapitel „Die Bekehrung des Saulus“ in der Apostelgeschichte. Saulus, der fortan den Namen Paulus annahm, wurde also vom Verfolger zum leidenschaftlichen Verkünder des christlichen Glaubens. Er verbrachte den Rest seines Lebens damit, das Evangelium Jesu Christi zu predigen, und wurde einer der wichtigsten Missionare des frühen Christentums. Seine Briefe, die einen wesentlichen Teil des Neuen Testaments ausmachen, beeinflussten die Entwicklung der christlichen Theologie nachhaltig.

Das „Damaskuserlebnis“ wird oft als Metapher für eine plötzliche und grundlegende Wandlung oder Erleuchtung verwendet. In Paulus’ Fall symbolisiert es den Übergang von einem Leben der Opposition gegenüber dem Christentum zu einem der engagiertesten und einflussreichsten Verfechter des christlichen Glaubens.

Sprichwort: von Saulus zu Paulus

„Er wurde vom Saulus zum Paulus“ – das Sprichwort verwendet man heute, wenn Menschen unvermittelt ihre Meinung verändern oder ihr Leben von heute auf morgen umkrempeln.

Missionarische Paulus-Reisen und Wirken 

Nach seiner Bekehrung unternahm Paulus mehrere missionarische Reisen durch das Römische Reich, die ihn durch Gebiete des heutigen Türkei, Griechenland und Israel führten. 

Römisches Reich zu Zeiten Paulus
Römisches Reich (gelb) zu Zeiten Paulus

Diese Reisen waren von entscheidender Bedeutung für die Ausbreitung des Christentums außerhalb des jüdischen Kontextes. Paulus gründete mehrere Gemeinden und pflegte einen regen Briefwechsel mit ihnen, um sie in ihrem Glauben zu stärken und theologische Fragen zu klären. Viele dieser Paulusbriefe wurden später Teil des Neuen Testaments.

Sein Wirken umfasste nicht nur die Verkündigung des Evangeliums, sondern auch die Auseinandersetzung mit wichtigen Fragen der christlichen Lehre, wie der Beziehung zwischen Gesetz und Gnade, der Bedeutung des Glaubens und der Rolle der nichtjüdischen Gläubigen in der Gemeinde. Paulus’ Ansätze in diesen Fragen prägten maßgeblich die Entwicklung der christlichen Theologie und Praxis.

Die missionarischen Reisen des Paulus endeten mit seiner Festnahme und Überführung nach Rom, wo er laut Überlieferung als Märtyrer starb. Sein Erbe, festgehalten in seinen Briefen und in der Apostelgeschichte, bleibt ein fundamentaler Bestandteil des christlichen Glaubens und hat die christliche Theologie und Kirchengeschichte nachhaltig geprägt.

Chronologie der Paulus-Reisen

Die chronologische Reihenfolge der Missionsreisen des Apostels Paulus ist ein zentraler Aspekt des Neuen Testaments, insbesondere der Apostelgeschichte. Paulus unternahm mehrere Reisen, um das Evangelium Jesu Christi zu verbreiten. Die genauen Daten dieser Reisen sind nicht vollständig gesichert, aber basierend auf der Apostelgeschichte und anderen historischen Quellen lassen sie sich ungefähr wie folgt einordnen:

Erste Missionsreise (ca. 46–48) 

  • Ausgangspunkt war Antiochia in Syrien.
  • Reise führte durch Zypern und dann durch Teile Kleinasiens (heutige Türkei), einschließlich Städte wie Perga, Antiochia in Pisidien, Ikonium, Lystra und Derbe.
  • Rückkehr nach Antiochia in Syrien.

Zweite Missionsreise (ca. 49–52)

  • Startete wieder in Antiochia in Syrien.
  • Paulus reiste nach Kleinasien und dann nach Mazedonien (heutiges Griechenland), besuchte Städte wie Philippi, Thessaloniki und Beroea.
  • Reiste weiter nach Athen und Korinth in Griechenland
  • Rückreise über Ephesus nach Cäsarea und zurück nach Antiochia.
Karte der zweiten paulinischen Missionsreise
Karte der zweiten paulinischen Missionsreise

Dritte Missionsreise (ca. 53–57)

  • Begann erneut in Antiochia und führte zunächst nach Galatien und Phrygien in Kleinasien.
  • Längere Zeit verbrachte Paulus in Ephesus.
  • Reiste dann durch Mazedonien und Griechenland, mit einem längeren Aufenthalt in Korinth.
  • Rückreise über Mazedonien, Troas, Milet, Tyros und Cäsarea nach Jerusalem.
  • In Jerusalem kommt es zu einem gewalttätigen Aufstand der Jerusalemer Juden gegen Paulus, durch den er in römische Gefangenschaft gerät.

Bis zu diesem Wort hörten sie ihm zu, dann fingen sie an zu schreien: Weg vom Erdboden mit so einem Menschen! Er darf nicht am Leben bleiben. Sie lärmten, zerrissen ihre Kleider und warfen Staub in die Luft. Da befahl der Oberst, ihn in die Kaserne zu führen (…)

Apostelgeschichte 22, 22-24

Reise nach Rom (ca. 59-60) 

  • Nach seiner Festnahme in Jerusalem und der darauf folgenden Gefangenschaft in Cäsarea wurde Paulus nach Rom überführt, um vor Kaiser Nero zu stehen.
  • Diese Reise war geprägt von Schwierigkeiten, einschließlich eines Schiffbruchs auf Malta.
  • In Rom lebte Paulus zwei Jahre lang unter Hausarrest.

Die Daten dieser Reisen basieren auf Schätzungen, die aus historischen, biblischen und archäologischen Quellen abgeleitet wurden. Die Paulusbriefe nennen die Orte ihrer Abfassung nicht. Auch geben sie nur sehr wenige Hinweise auf die Zeit ihrer Abfassung.

Schriften des Paulus: Paulinische Briefe und Episteln

Die Schriften des Paulus von Tarsus bilden einen wesentlichen Bestandteil des Neuen Testaments in der christlichen Bibel. Paulus wird traditionell zugeschrieben, 13 der 27 Bücher des Neuen Testaments verfasst zu haben. Diese Schriften, allgemein als Paulinische Briefe oder Episteln bekannt, sind an verschiedene frühe christliche Gemeinden oder einzelne Personen gerichtet und behandeln eine Vielzahl von theologischen Themen, ethischen Anweisungen und persönlichen Angelegenheiten. 

Hier ist eine Liste der Paulinischen Briefe:

Römerbrief

Ein theologisch tiefgründiger Brief, der sich mit Themen wie der Sündhaftigkeit des Menschen, der Erlösung durch Jesus Christus und der Bedeutung des Glaubens befasst.

1. Korintherbrief

Dieser Brief behandelt verschiedene Probleme und Fragen, die in der Gemeinde von Korinth aufgetreten sind, einschließlich Spaltungen, Unmoral und geistliche Gaben.

2. Korintherbrief 

Ein persönlicherer Brief, in dem Paulus seine apostolische Autorität verteidigt und seine Sorgen und Hoffnungen für die Gemeinde in Korinth ausdrückt.

Galaterbrief

Hier verteidigt Paulus das Evangelium der Gnade gegenüber den jüdischen Gesetzesforderungen und betont die Rechtfertigung allein durch den Glauben.

Epheserbrief

Ein Brief, der sich mit der Einheit der Kirche in Christus und dem geistlichen Kampf der Gläubigen befasst.

Philipperbrief

Dieser Brief, oft als Paulus’ „Freudenbrief“ bezeichnet, betont die Freude im Glauben und die Nachfolge Christi.

Kolosserbrief

Hier geht es um die Vorrangstellung Christi und die Ablehnung falscher Lehren.

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1. Thessalonicherbrief

Einer der frühesten Briefe des Paulus, der die Themen Glaube, Liebe und Hoffnung behandelt.

2. Thessalonicherbrief

Dieser Brief befasst sich mit der Lehre über den Tag des Herrn und ermahnt zur Standhaftigkeit.

1. Timotheusbrief

Ein pastoraler Brief mit Anweisungen für das Gemeindeleben und die kirchliche Ordnung.

2. Timotheusbrief

Ein persönlicher Brief an Timotheus, in dem Paulus ihn ermutigt, im Glauben standhaft zu bleiben.

Titusbrief

Ähnlich den Timotheusbriefen gibt Paulus hier Anweisungen für das kirchliche Leben.

Philemonbrief

Ein kurzer Brief, in dem Paulus sich für den entflohenen Sklaven Onesimus einsetzt.

Diese Briefe haben die christliche Lehre wesentlich geprägt und sind bis heute zentral für das theologische Verständnis in vielen christlichen Traditionen.

Authentizität der Paulinischen Briefe

Die Authentizität der Paulinischen Briefe wird in der theologischen Forschung und der historischen Kritik unterschiedlich bewertet. Während einige Briefe weitgehend als authentische Werke des Paulus von Tarsus anerkannt werden, werden andere als sogenannte Deuteropaulinische Briefe eingestuft, deren Verfasserschaft umstritten ist. 

Allgemein akzeptierte Briefe („hauptpaulinische Briefe“)

  •    Römer
  •    1. Korinther
  •    2. Korinther
  •    Galater
  •    Philipper
  •    1. Thessalonicher
  •    Philemon

Diese Briefe gelten unter den meisten Bibelwissenschaftlern als authentisch und werden aufgrund ihres Stils, ihrer Theologie und ihres historischen Kontexts direkt Paulus zugeschrieben.

Umstrittene Paulusbriefe

  •    Epheser
  •    Kolosser
  •    2. Thessalonicher

Diese Paulusbriefe werden von einigen Forschern als echt angesehen, während andere aufgrund von Unterschieden im Stil, Vokabular und theologischen Themen Zweifel an der direkten Verfasserschaft von Paulus äußern.

Pastoralbriefe

Die Briefe (1. Timotheus, 2. Timotheus, Titus) werden in der kritischen Forschung häufig als pseudepigraphisch, also als Werke späterer Autoren, angesehen. Sie unterscheiden sich in Stil, Sprache und Theologie deutlich von den hauptpaulinischen Briefen und spiegeln möglicherweise eine spätere kirchliche Entwicklung wider.

Die Diskussion um die Verfasserschaft der Paulinischen Briefe ist Teil einer breiteren historisch-kritischen Auseinandersetzung mit den biblischen Texten. Diese Debatte betrifft nicht nur die Frage, wer die Texte geschrieben hat, sondern auch, wie sich die frühe christliche Theologie und Praxis im Laufe der Zeit entwickelt haben. 

Eine bekannte Kritik an den Paulusbriefen wurde durch den evangelischen Theologen Hermann Detering einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Sein Buch „Der gefäschte Paulus“ deckt auf, dass es sich bei sämtlichen paulinischen Briefen um geschickte Fälschungen aus dem 2. Jahrhundert handelt. 

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In welcher Sprache schrieb Paulus?

Paulus von Tarsus schrieb seine Briefe vermutlich in Koine-Griechisch, der damals gebräuchlichen Verkehrssprache im östlichen Mittelmeerraum und im Römischen Reich. Koine-Griechisch war eine hellenistische Sprachform, die aus dem klassischen Griechisch hervorging und zur Zeit des Paulus weit verbreitet war. 

Diese Sprachwahl war strategisch sinnvoll, da Griechisch eine lingua franca war, die von vielen unterschiedlichen Völkern im Römischen Reich gesprochen wurde. Durch das Verfassen seiner Briefe in Griechisch konnte Paulus sicherstellen, dass seine Botschaften von einem breiten und kulturell diversen Publikum gelesen und verstanden wurden.

Obwohl Paulus jüdischer Herkunft war und wahrscheinlich auch Aramäisch sowie Hebräisch beherrschte, reflektiert die Wahl des Griechischen seine Missionstätigkeit unter den Nichtjuden (Gentiles) und seine Rolle in der Verbreitung des Christentums über die jüdische Gemeinschaft hinaus. Die griechische Sprache seiner Briefe trug wesentlich dazu bei, dass die christliche Botschaft in der damaligen Welt verbreitet und von einer Vielzahl von Menschen aufgenommen werden konnte.

Paulinische Theologie

Paulus’ Ansätze zu Themen wie Gnade, Erlösung, das Verhältnis von Gesetz und Glaube und die Rolle der Christen in der Welt haben die Entwicklung der christlichen Kirche und Theologie nachhaltig beeinflusst. Paulus öffnete den christlichen Glauben auch für Nichtjuden und wird von vielen Historikern deshalb als der eigentliche Gründer des Christentums als eigenständige Religion angesehen. Er wird in unterschiedlichen Konfessionen als Heiliger verehrt.

Das theologische Wirken des Apostels Paulus hatte einen tiefgreifenden und nachhaltigen Einfluss auf das Christentum. Seine Schriften, insbesondere die Paulinischen Briefe im Neuen Testament, bilden das Fundament vieler zentraler christlicher Doktrinen und haben die Entwicklung der christlichen Theologie maßgeblich geprägt. 

Zu den wichtigsten Aspekten seines theologischen Wirkens gehören:

Rechtfertigung durch Glauben

Paulus betonte, dass die Erlösung und Rechtfertigung vor Gott durch den Glauben an Jesus Christus und nicht durch Werke des Gesetzes erreicht wird. Dieses Konzept, besonders prominent im Römerbrief dargestellt, stellt die Gnade Gottes und den Glauben als Schlüssel zur Erlösung in den Vordergrund.

Universalität des Evangeliums

Paulus war ein entscheidender Vertreter der Öffnung des Christentums für Nichtjuden (Gentiles). Er argumentierte, dass das Evangelium für alle Menschen, Juden und Heiden gleichermaßen, zugänglich sei und dass „in Christus“ keine Unterscheidung zwischen verschiedenen ethnischen oder sozialen Gruppen bestehe.

Die Rolle Christi

Paulus hob die Bedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu hervor. Er sah in Christi Kreuzigung und Auferstehung das entscheidende Ereignis für die Erlösung der Menschheit und legte damit den Grundstein für die christologische Lehre.

Ekklesiologie

In seinen Briefen entwickelte Paulus auch eine Theologie der Kirche (Ekklesiologie). Er sah die Kirche als den Leib Christi, in dem verschiedene Mitglieder unterschiedliche Funktionen haben, aber alle zur Einheit in Christus berufen sind.

Eschatologie

Paulus beschäftigte sich intensiv mit eschatologischen Fragen, also Lehren über die Endzeit und die Wiederkunft Christi. Er ermutigte die Christen, in Erwartung der Parusie (Wiederkunft Christi) zu leben und betonte die Hoffnung und den Trost, die aus dem Glauben an die Auferstehung entstehen.

Ethische Anweisungen

Paulus gab in seinen Briefen auch konkrete ethische Anweisungen und Ratschläge für das Leben in der christlichen Gemeinschaft. Diese Anweisungen umfassen Themen wie Liebe, Vergebung, sexuelle Moral und soziales Verhalten.

Bücher über Paulus von Tarsus

Es gibt zahlreiche Bücher über Paulus von Tarsus, die sich mit verschiedenen Aspekten seines Lebens, seiner Theologie und seines Einflusses auf das Christentum auseinandersetzen. Viele dieser Werke stammen von Theologen, Bibelwissenschaftlern und Historikern, die die traditionellen Ansichten über Paulus hinterfragen oder aus einer kritischen Perspektive betrachten. Einige dieser Bücher findest du nachfolgend. Hinweis: Bei den Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links.

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  • „Paulus: Der Völkerapostel in jüdischer Sicht“ von Pinchas Lapide:
    Lapide bietet eine jüdische Perspektive auf Paulus und diskutiert dessen Verhältnis zum Judentum.
  • „Biblische Theologie des Neuen Testaments, Band 1: Grundlegung. Von Jesus zu Paulus“ von Peter Stuhlmacher:
    Peter Stuhlmacher gibt einen umfassenden Überblick über Modelle und Hypothesen, die bei der Entwicklung einer biblischen Theologie des Neuen Testaments eine wichtige Rolle spielen. Er führt die biblische Botschaft zurück zu Jesus, zu den ersten Christen und zu Paulus.

Englischsprachige Bücher über Paulus

Kritik an Paulus

Die Kritik an Paulus von Tarsus in theologischen und akademischen Kreisen bezieht sich oft auf verschiedene Aspekte seines Lebens, seiner Schriften und seiner Lehren. 

Einige Kritiker argumentieren, dass Paulus’ Interpretationen der Lehren Jesu eine Abweichung oder sogar eine Verzerrung der ursprünglichen Botschaft Christi darstellen. Sie behaupten, dass Paulus das Christentum von seinen jüdischen Wurzeln entfernt und es zu einer eigenständigen Religion transformiert habe. Seine Ansichten zu Themen wie der Rechtfertigung durch den Glauben und der Rolle des Gesetzes werden als grundlegend für die Entwicklung der christlichen Doktrin betrachtet, aber nicht von allen als wahrhaftige Repräsentation der Botschaft Jesu angesehen.

Einige der Paulinischen Briefe enthalten Aussagen, die als restriktiv oder sogar diskriminierend gegenüber Frauen interpretiert werden können. Passagen, die Frauen anweisen, in den Gemeinden zu schweigen oder sich unterzuordnen, werden oft als Belege für eine patriarchalische Haltung angeführt. Einige Kritiker betrachten Paulus’ Lehren insgesamt als konservativ oder reaktionär, auch in Bezug auf soziale Hierarchien und politische Machtstrukturen.

Paulus’ Beziehung zum Judentum und seine Lehren über das Gesetz und die Gnade haben ebenfalls zu Diskussionen geführt, insbesondere bezüglich der Frage, ob seine Lehren eine Kontinuität oder einen Bruch mit dem Judentum darstellen.

Die Frage der Echtheit einiger Briefe, die Paulus zugeschrieben werden, ist ebenfalls ein Kritikpunkt. Forscher, die die paulinische Autorenschaft dieser Texte in Frage stellen, argumentieren, dass diese Werke von späteren Autoren mit unterschiedlichen theologischen Perspektiven verfasst wurden.

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