Der Begriff „Kerygmatischer Jesus“ bezieht sich auf das Verständnis von Jesus Christus, wie es in der Verkündigung (Kerygma) der frühen Kirche dargestellt wird.
Diese Perspektive, die sich von der historisch-kritischen Betrachtung des „historischen Jesus“ unterscheidet, betont die theologische und spirituelle Bedeutung Jesu, wie sie in den Schriften des Neuen Testaments und der christlichen Tradition vermittelt wird.
Definition und Ursprung des Begriffs „Kerygmatischer Jesus“
Der Begriff „Kerygmatischer Jesus“ leitet sich vom griechischen Wort „kerygma“ ab, was „Verkündigung“ oder „Predigt“ bedeutet. In der christlichen Theologie bezieht sich der kerygmatische Jesus auf die Darstellung und Interpretation von Jesus Christus, wie sie in der Verkündigung der frühen Kirche und insbesondere in den Schriften des Neuen Testaments zum Ausdruck kommt.
Das Kerygma ist also das, was in den Predigten der Kirche und in der Bibel über die Bedeutung von Jesus und seinen Lehren gesagt wird. Es ist der Kern der christlichen Botschaft.
Der Ursprung dieses Konzepts liegt in der frühchristlichen Verkündigung, wie sie in den Apostelgeschichten und den Briefen des Neuen Testaments dokumentiert ist.
Diese Verkündigungen fokussierten auf die zentralen Elemente des christlichen Glaubens, wie die Menschwerdung, das Leiden, der Tod und die Auferstehung Jesu Christi.
Theologen wie Rudolf Bultmann, Helmut Ristow und Martin Kähler haben im 20. Jahrhundert dazu beigetragen, den Begriff des kerygmatischen Jesus in der akademischen Theologie zu etablieren, indem sie auf die Unterscheidung zwischen dem „historischen Jesus“ und dem „Christus des Glaubens“ hinwiesen.
Der kerygmatische Jesus bezieht sich auf letzteren, also auf das Bild von Jesus, das durch den Glauben und die Lehren der Kirche geprägt ist, im Gegensatz zu dem, was historisch-kritische Forschung über den historischen Jesus aussagen kann.
Kerygmatische Theologie und Josef Andreas Jungmann
Das 1936 erschienene Buch „Die Frohbotschaft und unsere Glaubensverkündigung“ von Josef Andreas Jungmann spielte eine wichtige Rolle in der katholischen Theologie, insbesondere in Bezug auf die Liturgie und die Art und Weise, wie das Evangelium und der christliche Glaube verkündet werden.
Josef Jungmann, ein Jesuitenpriester und einflussreicher Liturgiewissenschaftler, war bekannt für seine Bemühungen, das Verständnis und die Teilnahme der Laien am liturgischen Leben zu vertiefen.
Sein Werk trug wesentlich dazu bei, die Bedeutung des Kerygmas, also der zentralen christlichen Botschaft, in der Liturgie und in der Predigt hervorzuheben. Er betonte, dass die Verkündigung des Glaubens klar, verständlich und relevant für das alltägliche Leben der Gläubigen sein sollte.
Jungmanns Ideen beeinflussten später das Zweite Vatikanische Konzil und dessen Reformen im Bereich der Liturgie, was zu einer Erneuerung der Gottesdienstgestaltung und einer stärkeren Betonung der Sprache des Volkes in der Messe führte.
Kerygma in der frühen Kirche
Das Kerygma in der frühen Kirche war die zentrale Botschaft der Apostel über Jesus Christus und die Grundlage der christlichen Verkündigung. Diese Kernbotschaft fokussierte auf Jesu Tod und Auferstehung als Erfüllung der Heilsgeschichte und als Weg zur Erlösung.
Die Apostelgeschichte und die Briefe des Neuen Testaments, insbesondere die Paulusbriefe, bieten Einblicke in dieses ursprüngliche Kerygma. Es diente nicht nur der Verbreitung des christlichen Glaubens, sondern auch der Festigung der Gemeinden in ihrem Glauben. Das Kerygma umfasste zudem die Aufforderung zur Umkehr und Taufe als Antwort auf diese Verkündigung und die Ankündigung des kommenden Reiches Gottes.
Entwicklung des kerygmatischen Konzepts
Die Entwicklung des Konzepts des Kerygmas im Laufe der Kirchengeschichte zeigt, wie sich die ursprüngliche Verkündigung der Apostel in der theologischen Reflexion und Praxis der Kirche weiterentwickelt hat.
Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff weiter ausgeformt. Sie betonten die Unterscheidung zwischen dem historischen Jesus und dem kerygmatischen Christus – dem Jesus, wie er im Glauben und in der Verkündigung der Kirche erscheint.
Diese Sichtweise führte zu einer neuen Bewertung der biblischen Texte und ihrer Bedeutung, wobei der Schwerpunkt auf der theologischen und existenziellen Bedeutung des Kerygmas in der heutigen Zeit lag.
War Luther ein kerygmatischer Theologe?
Sich auf die christliche Botschaft konzentrieren – klingt das nicht nach Luther, nach Protestantismus?
Martin Luther, der Reformator des 16. Jahrhunderts, kann in einem gewissen Sinne als ein kerygmatischer Theologe angesehen werden, auch wenn dieser Begriff zu seiner Zeit noch nicht gebräuchlich war. Der kerygmatische Ansatz in der Theologie bezieht sich auf die Verkündigung, und in dieser Hinsicht war Luthers Theologie stark auf die zentrale Rolle von Jesus Christus und dessen „Erlösungswerk“ ausgerichtet.
Luthers Schwerpunkt lag auf der Rechtfertigung durch den Glauben, nicht durch Werke, und auf der Autorität der Heiligen Schrift. Seine Lehren und Schriften zielten darauf ab, das Evangelium und die Botschaft von Christus zu klären und zu verkünden. In diesem Sinne kann man durchaus sagen, dass Luthers Theologie kerygmatische Elemente aufweist, auch wenn sie historisch und konzeptionell von der kerygmatischen Theologie unterschieden ist, die sich – wie erwähnt – erst im 20. Jahrhundert entwickelte.
Der Kerygmatische Jesus in der neutestamentlichen Exegese
In der neutestamentlichen Exegese wird der kerygmatische Jesus als Mittelpunkt des Neuen Testaments betrachtet.
Jesus im Neuen Testament
Die Evangelien und Briefe präsentieren Jesus als Messias, Sohn Gottes, und Erlöser, wobei besonderer Wert auf seine Lehren, Wunder, sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung gelegt wird.
Diese Elemente bilden das Herzstück des christlichen Kerygmas. In der neutestamentlichen Forschung wird untersucht, wie diese Darstellungen Jesu nicht nur historische Ereignisse reflektieren, sondern auch tiefe theologische und spirituelle Bedeutungen vermitteln, die für den Glauben der frühen christlichen Gemeinschaften zentral waren.
Interpretationen des kerygmatischen Christus
Die Interpretationen des kerygmatischen Christus in der modernen theologischen Exegese variieren. Einige Gelehrte betonen die eschatologische Botschaft Jesu und seine Verkündigung des Reiches Gottes, andere konzentrieren sich auf seine Rolle als Erlöser und Mittler des „Neuen Bundes“.
In der kerygmatischen Theologie steht die Verkündigung Jesu als Christus und die daraus resultierende Aufforderung zur Umkehr und zum Glauben im Vordergrund. Diese Perspektive hebt die Bedeutung der Botschaft Jesu für die Gegenwart und das persönliche Glaubensleben hervor und unterscheidet sich damit von einem rein historisch-kritischen Verständnis.
Bedeutung des Kerygmas in der christlichen Theologie
Die Bedeutung des Kerygmas in der christlichen Theologie ist zentral: Kerygma bezeichnet die Kernbotschaft des christlichen Glaubens und dient als Basis für die Lehre und Verkündigung in der Kirche.
Das Kerygma verbindet zudem die moderne Kirche mit ihren Ursprüngen in der Frühkirche. Die Apostel verkündeten das Kerygma als Botschaft der Erlösung durch Jesus Christus. Diese Verkündigung ist in den Schriften des Neuen Testaments dokumentiert und damit wesentlicher Teil der christlichen Tradition.
Das Kerygma fördert zudem ökumenischen Dialog. Verschiedene christliche Konfessionen können sich auf das Kerygma als gemeinsamen Glaubensinhalt berufen, trotz unterschiedlicher theologischer Interpretationen und Praktiken.
Vergleich: der historische Jesus und der kerygmatische Christus
Die historisch-kritische Forschung konzentriert sich auf den „historischen Jesus“, also auf die Rekonstruktion des Lebens und der Lehren Jesu basierend auf historischen Methoden und Analysen.
Diese Forschung versucht, ein Bild von Jesus zu erstellen, das auf historischen Quellen, archäologischen Funden und kritischer Textanalyse beruht. Dabei werden Faktoren wie der sozio-kulturelle Kontext des antiken Palästinas und die politischen Umstände seiner Zeit berücksichtigt. Ziel ist es, ein möglichst authentisches Verständnis der historischen Person Jesu zu gewinnen, unabhängig von theologischen Interpretationen.
Beim kerygmatischen Jesus geht es weniger um die historische Genauigkeit als vielmehr um die theologische und spirituelle Bedeutung von Jesu Leben, Tod und Auferstehung. Der kerygmatische Christus ist somit eine Glaubenswahrheit, die über die historischen Fakten – sofern man diese überhaupt als vorhanden betrachten kann – hinausgeht. Indem sie sich auf die Erlösungsbotschaft und die spirituelle Bedeutung für die Gläubigen konzentriert, entzieht sie sich jeder „materialistischen“ Überprüfbarkeit.
Gab es Jesus wirklich? Diese Bücher behandeln das Thema des historischen Jesus
[Klicke auf die Cover für mehr Infos | Anzeige]
Kommentar verfassen