Im englischen Sprachraum machte der Philosoph William Lane Craig 1979 mit einem Buch auf sich aufmerksam: “The Kalām Cosmological Argument”. Craig bietet in dem Werk eine zeitgenössische Verteidigung des kosmologischen Kalam-Arguments und argumentiert für die Existenz Gottes.
Das kosmologische Kalam-Argument ist eine philosophisch-theologische Argumentation, die oft von Anhängern des Theismus verwendet wird, um die Existenz eines Gottes zu begründen („Gottesbeweis“). Es basiert auf dem Prinzip der Kausalität und der Annahme, dass das Universum einen Anfang hatte.
Wie lautet das Kalam-Argument nach Craig?
Das Argument besteht aus einem Syllogismus mit folgender Form:
- Alles, was zu existieren beginnt, muss eine Ursache haben.
- Das Universum begann zu existieren.
- Darum gibt es eine Ursache für das Universum.
Der Syllogismus scheint soweit zutreffend zu sein, Craig fügt noch eine weitere Prämisse und einen weiteren Schluss an, die auf einen personalen Schöpfer (also einen monotheistischen Gott) hindeuten sollen:
- Wenn das Universum eine Ursache hat, dann gibt es einen unverursachten, persönlichen Schöpfer des Universums, der ohne das Universum anfanglos, unveränderlich, immateriell, zeitlos, raumlos und ungeheuer mächtig ist.
- Daher gibt es einen persönlichen, ursachenlosen Schöpfer des Universums, der ohne das Universum anfanglos, unveränderlich, immateriell, zeitlos, raumlos und enorm mächtig ist.
Das ist ganz klassischer Theismus: ein übermächtiger Schöpfergott als die Ursache von allem.
“… transcending the entire universe there exists a cause which brought the universe into being ex nihilo … our whole universe was caused to exist by something beyond it and greater than it. For it is no secret that one of the most important conceptions of what theists mean by ‘God’ is Creator of heaven and earth.”
William Lane Craig, in: The Kalam argument
“… über das gesamte Universum hinaus gibt es eine Ursache, die das Universum ex nihilo ins Leben gerufen hat … unser ganzes Universum wurde von etwas, das darüber hinausgeht und größer ist als es, ins Leben gerufen. Denn es ist kein Geheimnis, dass eine der wichtigsten Vorstellungen dessen, was Theisten mit ‘Gott’ meinen, der Schöpfer von Himmel und Erde ist.”
Die logischen Bestandteile des Kalam-Arguments der Kosmologie
Problem ist natürlich wie immer: Gott erscheint nicht in der Welt (“Verborgenheit Gottes“), wie soll man also wissen, dass es ihn gibt?
Das Argument ist ein Syllogismus und lässt sich entsprechend in drei Schritte unterteilen: den Obersatz, den Untersatz (die Prämissen) und die Konklusion (den Schluss).
1. Alles, was zu existieren beginnt, muss eine Ursache haben
Die erste Prämisse (Obersatz des Kalam-Arguments) nimmt an, dass alles, was in der Welt existiert, eine Ursache hat. Das bedeutet, dass nichts aus dem Nichts entstehen kann und dass jedes Ereignis oder jeder Zustand eine vorhergehende Ursache hat. Dies entspricht dem „Satz vom zureichenden Grund“.
2. Das Universum hat einen Anfang
Die zweite Prämisse (Untersatz des Kalam-Arguments): Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen wie dem Urknallmodell wird angenommen, dass das Universum vor einer bestimmten Zeit einen Anfang hatte. Es gibt Hinweise darauf, dass das Universum nicht ewig existiert hat, sondern einen Anfangspunkt hatte.
3. Daher muss das Universum eine Ursache haben
In der Konklusion des Kalam-Arguments schließen seine Befürworter, dass das Universum eine Ursache haben muss, die außerhalb seiner selbst liegt und mächtig genug ist, um es zu erschaffen. Diese Ursache wird oft als „erster Beweger“ oder „erster Ursacher“ bezeichnet und als Gott interpretiert.
Alle mit philosophischer Grundausbildung denken jetzt an den „unbewegten Beweger“ des Aristoteles. Und letztendlich kommt das Argument auch genau aus dieser aristotelischen Tradition.
Mehr Bücher zum Thema Gottesbeweis
Ursprung und Geschichte des kosmologischen Kalam-Arguments
Das kosmologische Kalam-Argument hat seine Wurzeln in der antiken griechischen Philosophie, insbesondere bei Aristoteles und Platon. Aristoteles entwickelte die Idee eines „ersten Bewegers“ oder „unbewegten Bewegers“, der als Ursache für die Bewegung und Veränderung in der Welt angesehen wurde.
Diese Vorstellung eines ersten Verursachers wurde später von muslimischen Philosophen, insbesondere im islamischen Goldenen Zeitalter, weiterentwickelt.
Im 11. Jahrhundert n. Chr. wurde das Kalam-Argument von muslimischen Theologen wie Al-Ghazali prominent vertreten. Sie argumentierten, dass die Existenz eines ersten Ursachers notwendig sei, um die Schöpfung und den Ursprung des Universums zu erklären. Das Kalam-Argument wurde im islamischen intellektuellen Diskurs stark diskutiert und entwickelte sich zu einer wichtigen theologischen Position.
Das Argument erlangte auch in der westlichen Philosophie und Theologie Aufmerksamkeit. Im 13. Jahrhundert griff der christliche Theologe Thomas von Aquin auf das Kalam-Argument zurück und integrierte es in seine philosophisch-theologische Synthese des Thomismus. Es blieb jedoch relativ unpopulär in der westlichen Philosophie, bis es in jüngerer Zeit von Philosophen wie William Lane Craig wieder aufgegriffen wurde.
In Craigs Buch „The Kalām Cosmological Argument“ (Link zum Buch) aus dem Jahr 1979 präsentiert er eine zeitgenössische Verteidigung des Kalam-Arguments und legt dar, warum er der Ansicht ist, dass das Universum einen Anfang hatte und eine Ursache außerhalb von sich selbst benötigt.
Craig betont auch die metaphysische Unmöglichkeit eines unendlichen Regresses vergangener Ereignisse und argumentiert für die Existenz eines persönlichen Schöpfers, der den Anfang des Universums gewollt hat.
Craig setzt damit vor allem auf die (angebliche) metaphysische Unmöglichkeit eines unendlichen Regresses vergangener Ereignisse. Zunächst führt Craig zwei philosophische und zwei wissenschaftliche Argumente an, um zu zeigen, dass das Universum einen Anfang hatte.
Anschließend argumentiert er, dass alles, was zu existieren beginnt, eine Ursache hat, die dazu geführt hat, dass es zu existieren begann. Schließlich behauptet Craig, dass diese Ursache ein persönlicher Schöpfer ist, der unveränderlich und unabhängig den Anfang des Universums gewollt hat.
Ist mit dem Kalam-Argument Gott bewiesen?
Nein. So einfach ist es nun auch wieder nicht.
Wie widerlegt man nochmal ein Argument? Erstens belegt man, dass es einen logischen Fehler (Fehlschluss) enthält. Oder zweitens zeigt man, dass die Prämissen falsch sind.
Kritik an Kalam
Das kosmologische Kalam-Argument ist Gegenstand intensiver Kritik und wird von vielen Philosophen und Wissenschaftlern angezweifelt. Hier sind einige der Hauptkritikpunkte:
Annahme der Kausalität
Das Argument beruht auf der Annahme, dass alles, was einen Anfang hat, eine Ursache haben muss. Diese Annahme wird jedoch von einigen Philosophen und Physikern in Frage gestellt. Insbesondere in der Quantenphysik gibt es Phänomene, bei denen Kausalität nicht eindeutig festgestellt werden kann.
Zudem „spielt“ das Kalam-Argument mit dem Begriff der „Ursache“. Nämlich, indem die Kategorie der Ursache von „Objekten“ mit einer „Schöpfungsursache“ gleichgestellt wird, als wäre dies völlig klar ein und dasselbe. Das hingegen scheint unlogisch, wenn beispielsweise mit der Existenz des Universums auch die Zeit erst entstanden wäre.
Der Urknall und die Zeit
Das Argument stützt sich auf das Urknallmodell und die Vorstellung, dass das Universum einen Anfang hatte. Einige Kritiker argumentieren, dass das Konzept der Zeit vor dem Urknall nicht eindeutig definiert ist und daher Aussagen über einen „Zeitpunkt“ der Schöpfung des Universums problematisch sind.
Craig gerät zudem in einen Widerspruch mit seiner zusätzlichen Behauptung eines Schöpfergottes, indem er einerseits behauptet, dass „eine unendliche Vergangenheit absurd sei“ (im Video oben), wenig später jedoch auf einen Schöpfer mit einer ebensolchen abstellt.
Zudem ist es möglich, dass das Universum ewig besteht oder zyklisch ist („Big Bounce“-Theorie).
Möglichkeit eines unendlichen Regresses
Obwohl das Argument behauptet, dass ein unendlicher Regress vergangener Ereignisse metaphysisch unmöglich ist, gibt es Philosophen, die argumentieren, dass ein solcher Regress dennoch denkbar oder sogar logisch notwendig sein könnte.
Mehrere Ursachen
Prämisse eins spricht davon, das Universum habe „eine“ Ursache. Es könnten aber auch mehrere sein. Im Englischen bezeichnet man diesen Fehlschluss als “Fallacy of the single cause“.
Andere mögliche Ursachen
Selbst wenn man annimmt, dass das Universum eine Ursache hatte, gibt es alternative Erklärungen neben einem persönlichen Schöpfer. Einige Kritiker argumentieren, dass das Argument nicht zwingend auf einen theistischen Gott hinweist, sondern auch andere Möglichkeiten wie eine natürliche Gesetzmäßigkeit oder ein zeitloses Prinzip in Betracht gezogen werden könnten.
Begrenzte Schlussfolgerungen
Selbst wenn man das Kalam-Argument akzeptiert, kann es nur die Existenz einer Ursache für den Anfang des Universums aufzeigen. Es liefert keine direkten Beweise für die Existenz eines bestimmten Gottes oder die Wahrheit einer bestimmten Religion.
Zirkelschluss
Das Kalam-Argument ist zirkulär, weil es eine Schöpfung durch Gott voraussetzt, um ebenjene zu beweisen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das kosmologische Kalam-Argument umstritten ist und auf verschiedenen philosophischen Annahmen basiert, die von Kritikern angefochten werden. Die Gültigkeit und Schlussfolgerungen des Arguments werden weiterhin in wissenschaftlichen und philosophischen Diskussionen untersucht und debattiert.
Social