Intelligent Design (ID) ist eine theologische Idee, die in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren in den USA entstand. Der Ursprung der Intelligent-Design-Idee lässt sich auf bestimmte Entwicklungen in der Diskussion über die Evolutionstheorie und ihre Rolle in der Bildung zurückverfolgen.
Lässt sich von Komplexität auf Gott schließen?
Intelligent Design behauptet, dass bestimmte Merkmale des Universums und der lebenden Organismen am besten durch eine intelligente Ursache oder einen intelligenten Designer (letztendlich also einen Schöpfergott) erklärt werden können.
Eine Erklärung aufgrund überprüfbarer Hypothesen und natürlicher Prozesse wie die Evolution nach Darwin lehnt ID ab. ID-Befürworter argumentieren, dass bestimmte Strukturen und Funktionen in der Natur zu komplex sind, um allein durch zufällige Mutationen und natürliche Selektion entstanden zu sein.
Wer designt den Designer?
Intelligent Design sieht darin Indizien für eine geplante oder gesteuerte Entstehung durch eine übernatürliche Entität.
Dass eine solche übernatürliche Entität ebenso „komplex“ wäre und ebenso einer Erklärung bedürfte („Wer designte den Designer?“), mithin das gesamte Argument also in einem Zirkelschluss endet (siehe Münchhausen-Trilemma), wird in der Regel mit einer dogmatischen Setzung abgetan.
„Eine erklärungsbedürftige Entität als Erklärung für die Existenz anderer Wesen (uns) zu invozieren, ist wenig mehr als ein Zirkelbeweis.“
Richard Wein
„Invoking an unexplained being to explain the origin of other beings (ourselves) is little more than question-begging.“
Intelligent Design als teleologischer Gottesbeweis
Philosophisch betrachtet handelt sich bei ID um einen teleologischen Gottesbeweis. Die Argumentation ist eng verknüpft mit dem Kreationismus. Dieser entwickelte sich in den 1920er Jahren in den USA.
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Der Kreationismus legt die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich aus und wollte sie als Alternative zur Evolutionstheorie in Schulen einführen. In den folgenden Jahrzehnten gab es verschiedene juristische Auseinandersetzungen, die den Kreationismus als religiöse Überzeugung einstuften und seinen Unterricht in öffentlichen Schulen als Verstoß gegen die Trennung von Kirche und Staat verboten. Daher grenzen sich ID-Befürworter bewusst vom Kreationismus ab.
Intelligent Design oder Kreationismus: begriffliches Versteckspiel
Mit dem „Designer“ argumentiert der ID-Ansatz implizit für einen personalen Schöpfergott.
„Design“ impliziert ja eine Planung, eine Vorsehung, einen Entwurf – während das Adjektiv „intelligent“ sinnvollerweise nur personalen (theistischen) Akteuren zugeschrieben werden kann. Damit setzt sich Intelligent Design bewusst von deistischen Überzeugungen, vom Pantheismus und so weiter ab: Es muss zwingend ein monotheistischer Designer sein.
Auch wenn also die Intelligent-Design-Anhänger es bewusst vermeiden, den „Designer“ zu benennen, so dürfte es doch hinreichend klar sein, dass damit nur eine monotheistische Gottheit, im engeren Sinne der abrahamitische Gott, gemeint ist. Das ganze Versteckspiel dient nur dazu, in den USA Kreationismus nicht als Religionszugehörigkeit einzustufen und damit den Ausschluss aus den Lehrbüchern zu umgehen.
Intelligent Design vs. Evolution
Seit Charles Darwins Veröffentlichung von „Die Entstehung der Arten“ im Jahr 1859 hat die Evolutionstheorie erhebliche wissenschaftliche Akzeptanz und Fortschritte erlebt. Allerdings gab und gibt es auch Kritiker der Evolutionstheorie, die aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen Schwierigkeiten mit der Vorstellung haben, dass das Leben rein durch natürliche Prozesse entstanden sein könnte.
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Dazu gehörten vor allem auch Kreationisten, die die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich auslegten und sie als Alternative zur Evolutionstheorie in Schulen einführen wollten.
Die folgenden Jahrzehnte juristischer Auseinandersetzungen, die den Kreationismus und seinen Unterricht in öffentlichen Schulen als Verstoß gegen die Trennung von Kirche und Staat verboten, sorgten für die Ersatzbezeichnung „Intelligent Design“ in den 1980er Jahren.
Ironischerweise werfen ID-Anhänger der Wissenschaft vor, verschlossen zu sein, indem sie etwa übernatürliche Erklärungen a priori ausschloss, was der „offenere“ oder „aufgeschlossenere“ Ansatz des Intelligent Design gerade nicht mache. Mit anderen Worten: Die Frage nach der Letztbegründung sei im Übernatürlichen zu suchen.
Beispiele für Intelligent Design und nicht-reduzierbare Komplexität
Im engen Zusammenhang mit Intelligent Design steht der Begriff der nicht-reduzierbaren oder irreduziblen Komplexität. Der Begriff wurde vom US-Biochemiker und Evolutionskritiker Michael J. Behe im Jahr 1996 geprägt. Behe definiert:
„Ein (Bio-)System sei per definitionem genau dann irreduzibel komplex, wenn es aus verschiedenen, genau aufeinander abgestimmten Teilen besteht, die gemeinsam eine Funktion herstellen, sodass die Wegnahme einer beliebigen Komponente zum Ausfall der Funktion führt.“
Michael J. Behe
Damit ist also gemeint, dass bestimmte Strukturen (zum Beispiel Organe eines Lebewesens) aus vielen Teilen aufgebaut, also komplex, sind. Ihre Funktion aber, so die ID-Befürworter, könnten sie nur dann ausüben, wenn alle Bauteile zusammenwirken. Fehlt eines dieser Bauteile, kann das Organ seine Funktion nicht erfüllen.
Dies würde bedeuten, dass alle notwendigen Bauteile gleichzeitig evolviert sein müssten, was als extrem unwahrscheinlich eingestuft wird. Als solche Systeme gelten nach Behe zum Beispiel die Blutgerinnung oder auch das Immunsystem. Nachfolgend zwei weitere Beispiele im Detail.
Flagellum – 40 Bauteile für einen Bakteriumsmotor
Das Flagellum-Beispiel wird sehr häufig von Anhänger*innen des Intelligent Design ins Feld geführt, dementsprechend auch von Behe selbst.
Ein Flagellum oder eine Geißel ist ein Filament (eine Art Faden), das an einem kleinen „Motor“ in der Zellmembran von Bakterien verankert sind.
Bei Prokaryoten drehen sich diese Fäden (ähnlich einem Propeller), wodurch sich der Einzeller aktiv fortbewegen kann.
Es gibt unterschiedliche Flagellen mit unterschiedlichen Bauplänen – nehmen wir einmal an, es seien 40 Bauteile. Die Wahrscheinlichkeit, dass entsprechend viele Mutationen in einem Individuum gleichzeitig entstünden und die Einzelteile auch noch „zufällig“ so „verschaltet“ würden, dass alles zusammenpasst, wäre extrem niedrig. Astronomisch niedrig.
Einige der prominentesten Intelligent-Design-Vertreter im deutschsprachigen Raum, Reinhard Junker und Siegfried Scherer, formulieren, dass der Vorgang „mit derart niedriger Wahrscheinlichkeit abläuft, dass dieses Ereignis selbst in erdgeschichtlichen Zeiträumen nicht zu erwarten ist“. Dies beschreiben sie in ihrem Band „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ (S.162).
Das menschliche Auge
Ein weiteres Beispiel, dass die Darwinsche Evolutionslehre ins Wanken bringen soll, ist das Auge. Das Argumentationsprinzip ist analog zum Flagellum: Das Auge kann nur mit allen vollständigen Einzelteilen seine Funktion erfüllen. Was bringt schon ein halb entwickeltes Auge?
Dies ergibt keinen Sinn, ergo:
Evolution falsch + Intelligent Design richtig = Gott liebt dich.
Erwiderungen auf nicht-reduzierbare Komplexität
Nicht so schnell.
Es gibt zwei Wege, wie man die „irreduzible Komplexität“ ziemlich endgültig entkräften kann. Aufmerksamen Leser*innen wird in den letzten beiden Abschnitten das Wort „Funktion“ aufgefallen sein, welches ja auch in Behes Definition vorkommt: Behe spricht davon, dass ein System eine Funktion übernimmt. Hier liegt der Schlüssel.
Denn Evolutionsgegner argumentieren letztendlich mit dem sogenannten („Konstruktionsproblem“). Es gäbe – wie beim Flagellum – eine Reihe von Organen oder Organellen, deren Basisfunktionen quasi voneinander entkoppelt seien. In der Folge müsste es zu einer regelrechten Anhäufung passender Mutationen kommen, um von einem Funktionszustand zum nächsten zu gelangen, was sehr unwahrscheinlich sei.
Aber (und dies ist die erste Erwiderung): Vieles deutet darauf hin, dass Systeme auch mehrere Funktionen ausfüllen können. Die funktionelle Überlappung mehrerer Systeme öffnet der Selektion einen gangbaren Weg. Im Fall des Bakteriums bestand demnach nicht die Notwendigkeit, alle Proteine gleichzeitig umzugestalten, damit sich ein Selektionsvorteil ergibt.
Eine detaillierte Beschreibung (auf Englisch) dieses Vorgangs beim Bakterium kannst du hier nachlesen: Evolution in (Brownian) space: a model for the origin of the bacterial flagellum (von N. J. Matzke).
Zweitens kann man aufzeigen, dass es (evolutionäre) Zwischenstufen gibt, die zumindest eine Teilfunktion ausüben, wodurch sich ein Selektionsvorteil ergibt. Anders: Das ID-Argument greift nicht, wenn man aufzeigt, dass ein „halb“ entwickeltes Auge immer noch besser ist als gar kein Auge.
Richard Dawkins erläutert dies in folgendem Video sehr anschaulich (auf Englisch, du kannst aber Untertitel auf Deutsch einblenden).
„Sogar ein Viertel eines Auges oder ein Hundertstel eines Auges ist besser als nichts. Du kannst eine ganz sanft ansteigende Reihe von Verbesserungen haben – von sehr rudimentären Funktionen, also nur der Unterscheidung zwischen hell und dunkel, bis zu der Perfektion des menschlichen Auges oder des sprichwörtlichen Adlerauges. Alles, was es braucht, um dies mit Evolution zu erklären, ist dieser leichte Anstieg (…) von schrittweisen Verbesserungen.“
Richard Dawkins

a) Nervenschicht unterscheidet hell-dunkel
b) Einbuchtung erlaubt Richtungsbestimmung des Lichteinfalls
c) Lochkamera-Prinzip
d) Einfache Linse
e) Komplexe Linse
Das Beispiel mit dem Auge ist übrigens so beliebt, weil Darwin selbst in „Die Entstehung der Arten“ darauf Bezug nahm. Es ist deswegen auch so ein gutes Beispiel für die Korrektheit der Evolutionslehre, weil sich unter Annahme der Evolution sofort erklären lässt, warum der Sehnerv mitten durch die Netzhaut führt – ein Design, dass kein vernünftiger Ingenieur zum Beispiel mit einem Lichtsensor und Datenkabel so arrangieren würde.
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Was am Intelligent Design ist eigentlich „intelligent“???
Das bringt uns zu einem weiteren Punkt. Sprechen wir mal aus, was ID-Fans denken: Gott war es.
Der Kosmos, der Planet, das Leben, die Dinosaurier, du und ich – wir alle wurden von Jahwe ins Leben gerufen. Oder von Allah. Jedenfalls vom abrahamitischen Gott, wie auch immer der jetzt genau heißt.
Man kann logisch nicht widerlegen, dass das nicht der Fall war. Allerdings spricht doch auch eine ganze Menge dafür, dass der intelligente Designer bei der Schöpfung einen extrem schlechten Tag hatte, ein sehr seltsames Verständnis davon zeigt, wie die Dinge am besten eingerichtet werden sollten, oder seinen moralischen Kompass neu einzunorden hat.
War der Designer inkompetent oder böswillig?
Denn: Die ganze Einrichtung des Kosmos, des Planeten und auch von uns selbst, das ganze Arrangement sieht wie eine Serie von Fehlschlägen aus.
Kosmologie – intelligent designt?
Das beobachtbare Universum besteht aus mehreren hundert Milliarden Galaxien. Jede dieser Galaxien wiederum enthält – grob – mehrere Dutzend Milliarden bis mehrere hundert Milliarden Sterne. Mindestens ebenso viele Planeten gibt es. Ist das nicht etwas sehr verschwenderisch, nur um auf einem dieser Planeten eine besondere Beziehung mit einem kleinen Völkchen des Nahen Ostens einzugehen?

Noch dazu ist alles so eingerichtet, dass all dies sowieso der Vernichtung anheimfallen wird. In jeder Sekunde verwandelt sich irgendwo ein Stern in eine Supernova oder bläht sich zum Roten Riesen auf, dabei sein eigenes Planetensystem „per Design“ röstend.
Das Universum hingegen kühlt sich immer weiter ab – Grund dafür ist seine Expansion. Berechnungen deuten darauf hin, dass es im „Big Freeze“ ein Wärmegleichgewicht, entwickeln wird, dass sich asymptotisch dem absoluten Nullpunkt nähern wird. Es gibt dann nur noch Schwarze Löcher; später nicht einmal mehr diese. Interessantes Design, oder?
Geologie – intelligent designt?
Bleiben wir bei den Planeten, der Einfachheit halber bei unserem. Ist es intelligentes Design, dass er im Inneren einen Kern aus flüssigem Metall besitzt? Dieser sorgt für das Magnetfeld der Erde, ohne welches uns energiereiche Strahlung von der Sonne sowieso umbringen würde (danke, lieber Gott!).

Die Tatsache, dass wir auf der sich abkühlenden und ständig beweglichen Erdkruste leben, bringt aber auch einiges an Ungemach mit sich. Erdbeben, Seebeben, Vulkanausbrüche – regelmäßig fordert dies tausende Todesopfer oder ist der Untergang ganzer Spezies und Kulturen.
Denken wir nur an den Tsunami des Jahres 2004 mit seinen 230.000 Toten, darunter unzählige Kinder. Ist das auch Teil des Designs und des göttlichen Plans?
Biologie – intelligent designt?
In der Biologie wird die Inkompetenz des Designers unübersehbar. Nicht nur, weil 99,8 Prozent aller bekannten Tierarten bereits ausgestorben sind. Nicht nur, weil die Ernährung einer Vielzahl von Spezies erfordert, andere zu töten und damit unermessliches Leid auf der Welt verbreitet.
Nein, auch die Überlebenden haben ihr Päckchen zu tragen. Beispiel Mensch: Er scheint vor allem aus Unzulänglichkeiten zu bestehen:
- Hoden ungeschützt außerhalb des Körpers,
- Nabelschnur gefährlich für Fötus,
- Föten entwickeln überflüssiges Fell,
- für Mutter und Kind lebensgefährlicher Geburtsvorgang,
- blinder Fleck durch Sehnerv in der Netzhaut,
- Halsrippen,
- Steißbein,
- die sogenannten „Hornzipfel“ am Penis und sämtliche weiteren Atavismen wie der
- Darwin-Ohrhöcker.
Die zuletzt aufgezählten Atavismen kommen nur bei Individuen vor – erstrecken sich Organe ohne (erkennbare) Funktion auf eine ganze Spezies, spricht man von Rudimenten. Auch diese gibt es nicht zu knapp:
- Weisheitszähne,
- Nickhaut,
- Muskeln der Ohrmuscheln,
- lebensgefährlicher Blinddarm,
- Segmentierung der Bauchmuskeln oder generell die
- Körperbehaarung.
Fazit: Gibt es den intelligenten Designer?
Fassen wir zusammen: Das Konzept stammt von Evangelikalen, die sich der wortgetreuen Interpretation der Bibel verschrieben haben und wurde entwickelt, um den Kreationismus auf Umwegen in US-amerikanische Schulen zu bringen.
Die Argumentation dafür scheint insgesamt einem Fehlschluss („argumentum ad ignorantiam“) zu entspringen. Das Argument der nicht-reduzierbaren Komplexität greift aufgrund seiner definitorischen Enge ins Leere. Beweise für einen Designer – der ebenfalls einer Begründung bedürfe – gibt es keine. Anhaltspunkte dafür, dass er herumpfuscht und seine „Schöpfung“ nur unter gleichzeitiger Hervorbringung unermesslichen Leids hervorzubringen vermag, gibt es allerdings viele. Der Designer ist also, wie Sam Harris einst formulierte „entweder inkompetent oder böse“. Dies wiederum widerspricht dem in der Regel mit den Prädikaten „unfehlbar“, „allmächtig“ und „allgütig“ Gottesbild des abrahamitischen Gottes. Insofern ist das Konzept des „Intelligent Design“ eher ein Argument gegen die Existenz Gottes, als dafür.
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