Berliner Schloss: das Kreuz mit der Kuppel-Inschrift

Stadtschloss_Kuppel-Kreuz

Man trägt Kreuz: Das Berliner Schloss liegt in allerbester Lage im Zentrum der Bundeshauptstadt in Berlin-Mitte und wird von einem fünf Meter hohen goldenen Kreuz gekrönt.

Dem Stadtschloss musste einst das Parlamentsgebäude (Volkskammer) der DDR, der berühmte Palast der Republik, weichen. Die Bauentscheidung war damals schon kontrovers und geriet noch mehr in die Kritik, als bekannt wurde, dass der Entwurf einen krönenden Reichsapfel und ein goldenes Kreuz vorsah – wie das historische Vorbild des Schlosses.

Eine Inschrift auf der Kuppel mit christlicher Dominanzbotschaft sorgte für weiteres Ungemach. Ein paar Cherubim stehen auch herum.

Nun ist die Kritik an der Kuppel neu entflammt. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hatte angekündigt, das christliche Zitat auf der Kuppel von einem Künstlerkollektiv zeitweise überblenden zu wollen. „Es ist erstaunlich und geschichtsblind zu meinen, diese von Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV selbst aus zwei Bibelzitaten zusammengestellte Inschrift für seinen Schlossbau sei einfach nur ein unpolitisches Zeichen von Religiösität“, so die Politikerin.

„Das Kunstprojekt sieht eine temporäre Überblendung der rekonstruierten Inschrift mit alternativen, kommentierenden und reflektierenden Texten vor. Dafür wird derzeit die technische Realisierbarkeit geprüft“, so Roth, die in Berlin nicht nur Kulturstaatsministerin ist, sondern als Ordentliches Mitglied auch dem Stiftungsrat der „Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss“ angehört.

Das sorgte für jede Menge Aufregung. Wir ordnen ein.

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Was soll das Kreuz auf dem Schloss in Berlin?

Das Berliner „Stadt“-Schloss beherbergt mehrere Museen, darunter Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst. Die „Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss“ ist Betreiberin und Bauherrin des „Humboldt Forums“, das aus unbekannten Gründen ohne Bindestrich geschrieben werden will. 

Die Stiftung wurde 2009 auf Beschluss des Bundestages von der Bundesregierung gegründet. Mittel erhält sie durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat – mit einem Wort: Steuermittel.

Kreuz als Symbol christlicher Dominanz

Kritiker werfen völlig zurecht ein, das Kreuz als krönendes Element der Schlosskuppel können wohl kaum anders gedeutet werden, als als christliches Dominanzsymbol. 

Hiermit wird nicht nur der Anspruch „göttlicher“ Legitimation des Hohenzollern-Absolutismus reproduziert, sondern auch einer Absage an den säkularen Staat, die unabhängige Wissenschaft und religiöse Toleranz ein überdeutliches Zeichen gesetzt.

CDU-Staatsministerin als treibende Kraft hinter dem Kuppelkreuz

Doch wer sollte so etwas wollen? Die CDU. 

Namentlich deren Mitglied, die Berliner Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Grütters kämpfte aufopferungsvoll für die Beibehaltung des Kuppelkreuzes. 

Monika Grütters
(Foto: Cristof Rieken, CC BY-SA 3.0 de)

Und weil sie es gut findet, müssen andere es jetzt auch gut finden. „Für mich hat das Kreuz eine zentrale Bedeutung“, so Grütters in der „Herder Korrespondenz“ im Jahre 2019.

Entscheidung für das Berliner Kuppelkreuz fiel 2017

Die Entscheidung für das Kreuz fiel bereits 2017 – nach einer kernigen Kontroverse, in der sich christliche Vertreter wie üblich über die fiesen Anfeindungen gottloser Kritiker zu beschweren wussten und sich als Opfer gerierten – ihre Paraderolle. 

So jammerte der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch, dass in der Auseinandersetzung mit dem Kuppelkreuz „Aussagen … immer mehr zu anti-christlichen Stellungnahmen“ geworden seien. 

Beifall bekam das Kreuz wenig überraschend von der CDU, die in Person der stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzende Cornelia Seibeld sogar ein „Symbol für die universelle Botschaft des Christentums“ sah. Universell wie in: für alle gültig, ob sie wollen oder nicht.  

Die SPD redete sich mit Architektur raus, die Grünen immerhin sahen es als „Symbol des Imperialismus“ (Daniel Wesener).

Konterkariert das Kreuz die Arbeit des Museums?

Grütters sieht in der Installation des Kreuzes nicht weniger als eine „Einladung, die unterschiedlichen Bezüge, Traditionen und Werthorizonte kennenzulernen“. Das Kreuz stehe „dafür, dass wir die außereuropäischen Kulturen zum deutschen und europäischen Kulturraum in Beziehung setzen.“ 

Da fragt man sich, ob zu Grütters’ persönlichen Traditionen in ihrem Kulturraum auch die Einnahme halluzinogener Substanzen gehört. Denn anders kann man sich die absurde Auffassung, ein tonnenschweres und meterhohes Kreuz, in 70 Metern Höhe auf einem zentral gelegenen Kolossalbau einer Landeshauptstadt könne irgendwie im Entferntesten anders verstanden werden, als als christliche Reviermarkierung, nicht erklären.

Museale Arbeit unter dem Riesenkreuz

Aber widerspricht das nicht dem offenen Geist des Humboldt-Forums? 

Steht das Kreuz nicht auch für dynastisches europäisches Denken?
Für wilhelminische Hegemonie? 
Für Missionierung und Zwangsbekehrung?
Für die Ausbeutung anderer Völker im Namen Gottes – zynisch von den darunterliegenden Gebäudeteilen und den Exponaten der Ethnologischen Sammlung wortwörtlich „untermauert“?

Irgendwie ja schon.

Schließlich sah sich das Humboldt-Forum selbst genötigt, erklärend einige Handreichungen zur Einordnung auf ihrer Website zu veröffentlichen: „Was soll das? Das Kreuz auf dem Humboldt Forum“, fragt dort die Kunsthistorikerin Laura Goldenbaum. Ihr Resümee: 

„Alexander von Humboldt, einer der Namensgeber, über den selbst sein Bruder Wilhelm nicht zu sagen vermochte, ob er ‚Religion habe oder nicht‘, hätte vielleicht einem universal kreuzlosen Kuppelbau den Vorzug gegeben, in dem sich Erde und Kosmos und auch die verschiedenen Kulturen gleichermaßen spiegeln, wer weiß!?“

Gruß vom Otto-Versand Hamburg

Das Geld für die Kuppel und sein Kreuz stammte übrigens nicht nur aus öffentlichen Mitteln – auch Spenden waren für die Schlossfinanzierung vorgesehen. Die Witwe des Versandhändlers Werner Otto trug mit einer Spende von einer Million Euro maßgeblich zur Finanzierung des Kreuzes bei, wofür sie für ihren 2011 verstorbenen Gatten (und sich selbst) eine Inschrift gravieren durfte: auf dem Reichsapfel.

Die Bibel-Inschrift an der Berliner Kuppel

Mit dem Kreuz nicht genug: Auch an der Inschrift der Schlosskuppel entzündete sich ein Streit. Wie auf dem historischen Original, das 1950 von der DDR gesprengt wurde, steht auf der Schloss-Rekonstruktion nun folgende Inschrift:

„Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“

Wortlaut der Inschrift auf dem Berliner Schloss

Der folgende Podcast fasst das Problem recht gut (und unterhaltsam) zusammen.

Der Bibel-Spruch auf der Kuppel ist eine Zusammensetzung zweier Stellen aus Apostelgeschichte und Philipper-Brief des Paulus von Tarsus. 

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„Komponiert“ wurde das Zitat vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV., der damit seiner mitunter revoltierenden Bevölkerung mitzuteilen gedachte, dass er einen göttlichen Herrschaftsanspruch habe, welcher durchaus nicht vorsieht, das Volk als Souverän anzuerkennen. Nun ja, man kennt sowas.

Kritischer Umgang mit Bibelstelle: die geplante Überblendung

Nun prangen diese in jeglicher Hinsicht monströsen Bibelzitate auf dem Stadtschloss. Aufgrund ihrer ungünstigen Wirkung befasste man sich auch bei der Stiftung des Humboldt Forum mit diesen Aussagen und entwickelte ein Projekt.

Ziel: die Bibelstellen zur kritischen Auseinandersetzung nachts mittels projizierten LED-Schriftzügen zeitweise zu überblenden. Tagsüber bliebe das Originalzitat weiterhin uneingeschränkt sichtbar. Die Bundesregierung begrüßt diese Maßnahme ausdrücklich.

„Die Bundesregierung ist sich der Problematik, die von einer städtebaulich und baukulturell begründeten, gleichwohl politisch und religiös interpretierbaren Wiederherstellung der monarchischen und christlichen Symbolik am Humboldt Forum ausgeht, bewusst.“

Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion vom 28.10.2022 zu den „Vorstellungen der Bundesregierung zur weiteren Ausgestaltung des Humboldt Forums“.

Motivation für das Projekt mit der überblendeten Inschrift sei die „Auseinandersetzung mit der Geschichte des rekonstruierten Stadtschlosses“, bestätigte Stiftungssprecher Michael Mathis. 

Hierzu kommentiert Monika Grütters in einem Interview bei der Zeit hingegen, die Inschrift bezeuge primär, „dass wir im sogenannten christlichen Abendland leben und dass christliche Kernbotschaften wie Toleranz, Nächstenliebe und die Freiheit des Einzelnen unser Gemeinwesen bis heute prägen“.

Das Beugen des Knies, so Grütters weiter, sei „ein Bild für eine Unterwerfung, die nicht sein soll, jedenfalls nicht vor weltlichen Autoritäten. Unsere Demut sollte Gott gelten, das macht uns frei.“

Und weiter: „Religiöse Symbole sind eine Einladung, über ihre Bedeutung zu diskutieren. Wir sollten aber all diese Symbole nicht canceln.“

Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie …

Na, dann ist es ja gut! 

Problematisch ist allerdings, dass das nicht ganz zusammengeht: Einerseits so tun, als würden religiöse Symbole ganz „wertfrei“ zur Diskussion einladen (stellen wir uns nur vor, der Entwurf hätte einen Halbmond vorgesehen …) – und andererseits dann kritische Stimmen hierzu als „Cancel Culture“ und Berufsquerulanten zu diffamieren.

So stößt man nur diejenigen vor den Kopf, die mittlerweile in der Mehrheit sind: die Konfessionslosen, die Ungläubigen, Humanisten und Atheisten.

Diese wiederum können durch die „Diskussion“, ihren Ausgang und die Art und Weise, wie sie geführt wurde, nur zu einem Schluss mit dem Schloss kommen: Das Kreuz und die biblische Schrift gehören nicht aufs Museum, sondern ins Museum.

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