Osterwunder, Ostergeschichte, Ostersonntag: Seit über zweitausend Jahren geht die christliche Kirche an Ostern, ihrem wichtigsten Hochfest, mit der Geschichte von der Auferstehung des Jesus von Nazareth hausieren. Das ist alles andere als selbstverständlich und irgendwie auch ein eigenes Wunder.
Mit Ostern steht und fällt der christliche Glaubenskern
„Glaubst du noch an den Osterhasen?“ Diese unter Kindern nicht selten gehörte Frage dient dem Abklopfen des Gegenübers auf ein naiv-gutmütiges Übernehmen tradierter Erzählformen und -figuren.
Die meisten Kinder schaffen es von alleine, sich des Aberglaubens an Osterhasen, Weihnachtsmann und Zahnfee zu entledigen. Mit christlichen Überzeugungen ist dies schwieriger: Denn mit Ernsthaftigkeit vorgetragene (und vorgelebte) religiöse Lebensgrundsätze verankern sich tief in Herz und Hirn der Kinder, seien sie auch noch so widersprüchlich, moralisch fragwürdig oder ontologisch absurd.
Das Märchen vom ewigen Leben
Da am Ostersonntag Dinge geschehen sein sollen, die immense ontologische Tragweite hätten, steht und fällt der christliche Glaube mit der Historizität der Ereignisse. Denn im Zentrum des Geschehens steht der stellvertretende Sühnetod des Jesus von Nazaret als angeblicher Sohn Gottes – ein Menschenopfer, das der israelitische (Rache-)Gott Jahwe sich gleichsam selbst bringt.
Was geschah nochmal an Ostern?
Für die weniger Bibelfesten und die Nichtchristen hier nochmal zur Erinnerung: Ostersonntag ist der Tag, an dem die Auferstehung Jesu Christi gefeiert wird.
In der christlichen Tradition glauben viele Menschen, dass Jesus am dritten Tag nach seinem Tod („Passion Christi“) von den Toten auferstanden ist. Ostersonntag ist der Höhepunkt der Karwoche und wird in der Regel mit Gottesdiensten, dem Verzehr von Schinken, Ostereiern und dem Verstecken von Osternestern gefeiert. Aus irgendeinem Grund spielen Eier und Hasen hierbei eine wichtige Rolle.
Ostersonntag: historischer Hintergrund
Sehen wir uns zunächst einmal den historischen Hintergrund des Ostersonntags an. Eigentlich muss man immer dazusagen: den angeblichen historischen Hintergrund. Denn auch wenn dies viele Christen überrascht und es tatsächlich einige Hinweise darauf gibt, dass es Jesus wirklich gab: Historisch einwandfrei bewiesen ist dies ebenso wenig, wie ontologisch einwandfrei bewiesen ist, dass Gott existiert.
Spaßeshalber gehen wir an dieser Stelle davon aus, dass Jesus von Nazareth eine historische Person und ein jüdischer Wanderprediger und Rabbiner war. Nachfolgend orientieren wir uns an den Darstellungen der Bibel und tun so, als wären diese nicht mit zahllosen Widersprüchen durchsetzt, sodass man sie als Zeugnisse wenigstens einigermaßen ernst nehmen könnte.

Dieser Wanderprediger also kam nach einigen Wundern und Prophezeiungen im eher ländlich geprägten Galiläa nach Jerusalem, des religiösen Mittelpunkts des Judentums.
Wozu tat er das?
Warum ging Jesus vor Ostern nach Jerusalem?
Jesus ist selbst Jude und glaubt daher an den „Bund“ des jüdischen Volkes mit Jahwe, dem monotheistisch zu verstehenden Gottes Israel. All dies ist in den Schriften des Alten Testaments festgehalten. Der Tempel in Jerusalem war die zentrale Stelle der Jahwe-Verehrung. An dem Tempelkult und den damit einhergehenden Traditionen hatte Jesus einiges auszusetzen.
Jesus in Jerusalem
Jesus kann man sich als so etwas wie einen Reformator vorstellen: Er wollte den jüdischen Glauben erneuern und verbessern – wohl auch unter der Annahme, dass die Endzeit und ein Weltuntergang unmittelbar bevorstehen. Um seinen Vorstellungen eine größere Bühne zu geben, um in direkter Nähe des Tempels zu sprechen und zu wirken, ging Jesus nach Jerusalem.
Jesus’ Konflikt mit den Hohepriestern
Das war nicht risikofrei: Sich mit der herrschenden religiösen Kaste, den Sadduzäern und Hohepriestern, in Jerusalem anzulegen und diese in einem Machtkampf herauszufordern, war gefährlich. Denn: Der jüdische Tempel- und Opferkult stellte deren ökonomische Existenz dar (Tempelsteuern). Mit der Infragestellung der Tradition bedrohte man also auch automatisch deren Lebensgrundlage.
Jesus’ Konflikt mit den Römern
Zudem waren auch die damals in Jerusalem mit dem Klientelkönig Pontius Pilatus herrschenden Römer daran interessiert, Ruhe bei den innerjüdischen Angelegenheiten zu haben. Israel war seit Generationen ein spannungsreiches Feld religiöser und politischer Konflikte – immer wieder mit dem Ergebnis, dass auch gegen die römische Fremdherrschaft der Aufstand geprobt wurde.
Religiöse Aufwiegler und selbsternannten Propheten konnten der Aufrechterhaltung des Status quo dabei kaum behilflich sein.
Ostern und das Pessachfest
Es ist kein Zufall, dass Jesus mit seinen Jüngern im Gefolge zu einem der großen Tempelfeste, dem Pessachfest, in Jerusalem erschien. Bei dieser als Einzug in Jerusalem bekannt gewordenen Episode durfte Jesus aufgrund der in Jerusalem strömenden Pilgermenge mit reichlich Publikum für seine Botschaften rechnen.
Und nicht nur das – an dem Wallfahrtsfest gibt es reichlich Landbevölkerung in der Stadt, welchen er in einigen Reden zuvor einiges an Versprechungen – oder nennen wir es Verheißungen? – gemacht hatte. Folgerichtig macht sich Jesus sogleich ans Predigen und Aufwiegeln: Er stört die Geschäfte im Tempel und randaliert dort (Markus 11,15). Die Priesterkaste beschließt daraufhin, Jesus aus dem Weg zu räumen.
Hier schließt sich dann das letzte Abendmahl an, danach der berühmte Verrat des Judas Iskariot, Jesus Gefangennahme, die Verleugnung durch Petrus, Jesus vor dem Hohen Rat, vor Pontius Pilatus und so weiter.

Die Auferstehung am Ostersonntag: Wunder oder Wahn?
Befreit man sich von den Scheuklappen des christlichen Dogmatismus und wirft einen nüchternen Blick auf den Ostersonntag mit seinem Auferstehungs-Wunder, findet man überraschend wenig Substanz an der Geschichte.
Dass sozusagen kaum Fleisch an den Knochen dieses Mythos ist, ist aber nur ein Problem. Denn so gut wie nichts von den Geschehnissen am und vor dem Ostersonntag lässt sich historisch belegen.
Nun wird darauf gern entgegnet, das Neue Testament sei nicht als „historisches“ Dokument zu lesen, es sei kein Tatsachenbericht. Es wörtlich zu nehmen, verfälsche seinen Charakter und seine Intention, die „Messianität“ und den Missionsauftrag Jesu in die Welt zu tragen.
Gab es Jesus wirklich? Diese Bücher behandeln das Thema des historischen Jesus.
Nun, jemand sollte dies dem Neuen Testament einmal mitteilen. Denn es tut alles, um als Tatsachenbericht verstanden zu werden: Es beruft sich auf Autoritäten, es benennt Zeugen, es spricht von erfüllten Prophezeiungen. Es will überzeugen, doch genau dies kann es nicht – dazu sind die neuralgischen Punkte des Jesus-Oster-Mythos einfach zu unglaubwürdig ausgearbeitet, zu grob geschliffen und zu inkompetent komponiert.
Widersprüche in der Ostergeschichte
Denn die frühchristlichen Berichterstatter, namentlich die vier Evangelisten und der berühmte Paulus von Tarsus als ältester Zeuge des Geschehens, verstricken sich in Widersprüche.
Widersprüche, die so „offenbar“ sind wie die angebliche Erweckung des Jesus.
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Diese Widersprüche treffen den Kern der ganzen Ostergeschichte und betreffen insbesondere die Ereignisse des Ostersonntags und des Ostermontags: so gibt es bei den einzelnen Evangelien und bei Paulus abweichende Schilderungen davon,
- wer das leere Grab fand,
- was Jesus nach der Auferstehung machte,
- die Dauer zwischen Auferstehung und Himmelfahrt (null, acht oder vierzig Tage) und
- welche Anweisungen der Nazarener seinen Anhängern hinterließ.
Diese Widersprüche, legen nur einen Schluss nahe: Nämlich, dass das alles nie stattgefunden hat und eine sicherlich literarisch und kulturell wertvolle, nichtsdestotrotz aber erfundene Geschichte ist. Ein Mythos.
Wir wissen von den Evangelisten sowieso, dass sie von gemeinsamen Quellen abschrieben – die drei unter den Namen Lukas, Markus und Matthäus bekannten Autoren werden auch als „synoptische“ (griechisch Synopse = „Zusammenschau“) Evangelien bezeichnet. Die biblischen Exegeten wissen aber nicht genau, ob sie von einer verschollenen, gemeinsamen Urschrift abgekupfert haben (das wäre dann die sogenannte Urevangeliumshypothese) – oder ob sie nur über eine Anzahl gemeinsamer Fragmente verfügten.
Alternativ ist auch die sogenannte Zwei-Quellen-Theorie recht weit verbreitet. Ihr zufolge sei das Markus-Evangelium als erstes verfasst worden. Gleichzeitig gäbe es noch eine (hypothetische) Quelle „Q“.
Ein schönes Stück Literaturgeschichte
Wie dem auch sei: Das Mysteriöse göttliche Wissen dieser Schriften, die „von Gott inspirierte“ Schrift ist schlecht redigiert. Absolut unverzichtbare Kernelemente des metaphysischen Märchens werden unterschiedlich dargestellt. Unverständlich vor dem Hintergrund angeblicher göttlicher „Stiftung“ dieses eisenzeitlichen Pamphlets.
Und das ganz ohne Not – schließlich hätte man sich alle Zeit der Welt nehmen können, um Ungereimtheiten zu „harmonisieren“, wie das Fälschen und Erfinden bei Bibelexegeten euphemistisch heißt.
Verständlich werden die Widersprüche erst, wenn man einen naheliegenden Schluss fasst: Dies alles ist von Menschen geschrieben worden, die Gehörtes verschriftlichen wollten.
Mündliche Überlieferung des Ostergeschehens
Es bleibt die mündliche Weitergabe der österlichen Wundergeschichte. Sie dauert ein knappes Jahrhundert. Dabei kam es zwangsläufig zu zahlreichen Abweichungen, je nach Quellenlage, Hörensagen und Flüsterpost-Effekt. Wie könnte es auch anders sein.
Jetzt löst sich das Rätsel ganz von alleine. Dann sind die Widersprüche erklärbar: Jeder der Autoren hat irgendetwas gehört und festgehalten.
Persönlich gesehen hat es keiner. Direkte Zeugen gibt es keine. Paulus von Tarsus, der einzige der NT-Autoren, der zu Lebzeiten Jesus (falls es Jesus wirklich gab) geschrieben hat, ist hinsichtlich seiner Motivation und seiner Glaubwürdigkeit ebenfalls umstritten.
Und das ist dann das erwartbare Ergebnis: ein Sammelsurium abweichender Geschichten, die von Wundern, Wunschdenken und Wahnvorstellungen durchzogen sind. Eine Kompilation luzider Gottesträume, ein religiöser „Garten der Lüste“ wie bei Hieronymus Bosch.
Fast eine Milliarde Menschen glaubt an diese Märchengeschichte. Verständlich vielleicht, wenn man psychologisierend die Unannehmbarkeit des eigenen Sterbens als Hintergrund setzt. Wenn man sich vor Augen hält, dass vor zweitausend Jahren in Palästina nichts bekannt war über Kosmologie, Naturerscheinungen, Elementarkräfte, Krankheiten.
Das alles beflügelt die Sehnsucht auf ein „Leben nach dem Tod“, obgleich schon in diesem Oxymoron selbst das Wunschdenken sichtbar wird: Es gibt kein „Leben nach dem Tod“, dies ist ein Widerspruch in sich.
Der Schluss? Übernatürliche Kräfte waren nicht beteiligt. Oder wie sollte man erklären, dass es dem jüdischen „allmächtigen“ Gott Jahwe nicht einmal gelingt, eine konsistente Version seines wichtigsten Wirkens zu verbreiten?
Oder wie stellen sich Christen das genau vor?
- Kolportiert Gott mit Absicht sich widersprechende Varianten seines großmütigsten Aktes, nämlich der Darbringung seines leibhaftigen Sohnes als Menschenopfer zur Sühne alttestamentarischer Erblasten, um den Glauben seiner Denkabhängigen wider besseres Wissen zu prüfen?
- Soll man die Widersprüche ignorieren?
- Waltet Gott mal wieder auf „unergründliche Weise“?
Es ist Zeit, die Widersprüche endlich ernst zu nehmen und die Ostergeschichte als das zu sehen, was sie ist: ein Mythos. Dieser Mythos trägt literarische Bedeutung, prägte die abendländische und weitere Kulturen über Jahrhunderte und festigte das christliche Glaubenssystem. Und damit zwang er Millionen von Menschen in die Illusion. Zeit, sich davon zu emanzipieren.
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