War Jesus ein Moslem?

War Jesus Muslim?

War Jesus Muslim? Während diese sinnlos scheinende Frage bei Christen nur ungläubiges Kopfschütteln verursachen dürfte, ist es tatsächlich so, dass einige Muslime dies glauben.

Ob Jesus Muslim war, hängt davon ab, ob man das glauben möchte – und entsprechend davon, was man damit meint, dass jemand Muslim „ist“.

Wie gewohnt, drehen sich’s Gläubige hin, wie sie’s brauchen – und prominente Fürsprecher der eigenen Auffassung sind immer gern gesehen (denken wir nur an die Vereinnahmung von Einstein). Hauptsache, es untermauert scheinbar die Autorität ihrer heiligen Bücher.

Werfen wir mal einen Blick drauf.

Jesus im Koran

Im Islam wird Jesus (auf Arabisch: Isa/ʿĪsā) als einer der wichtigsten Propheten verehrt. Das war’s aber auch schon: Er wird nicht als Sohn Gottes angesehen und schon gar nicht folgt man der messianischen christlichen Auffassung, Jesus sei Gott und Mensch gleichzeitig. 

Trotzdem finden sich einige Übereinstimmungen: Auch der Koran berichtet etwa von der Jungfrauengeburt der Maria (Maryam), der eine eigene Sure gewidmet ist (siehe unten). Auch berichtet der Koran von Jesus Wundertätigkeiten wie etwa der Krankenheilung, Wiedererweckung der Toten und Verwandlung von Wasser in Wein.

Jesus als Prophet

Mehrfach erwähnt der Koran Jesus – an 25 Stellen insgesamt. In den Suren des Korans wird Jesus als ein ehrenwerter Prophet dargestellt, der mit göttlicher Botschaft und Wundern gesandt wurde, aber im Islam nicht als Gott oder Sohn Gottes angesehen wird. 

Seine Rolle im Islam ist die eines menschlichen Propheten, vergleichbar mit anderen bedeutenden Propheten wie Moses oder Abraham.

Jesu Lebensgeschichte und Bedeutung werden im Koran in verschiedenen Suren erwähnt. Einige der wichtigsten Stellen, in denen Jesus im Koran Erwähnung findet, sind:

Sure 3 (Al-Imran)

Diese Sure enthält ausführliche Erwähnungen von Jesus, einschließlich der Ankündigung seiner Geburt, seiner Wunder und seiner Rolle als Prophet.

Sure 4 (An-Nisa’)

In dieser Sure wird insbesondere die christliche Doktrin der Dreifaltigkeit und die Göttlichkeit Jesu zurückgewiesen.

Sure 5 (Al-Ma’ida)

Diese Sure beinhaltet Passagen über das letzte Abendmahl und die Jünger Jesu sowie über die Ablehnung des Glaubens, dass Jesus gekreuzigt wurde.

Sure 19 (Maryam)

Diese Sure ist besonders bemerkenswert, da sie die Geburt Jesu ausführlich beschreibt und seine Mutter Maria (Maryam) als eine reine und tugendhafte Frau darstellt.

16 Und gedenke im Buch Maryams, als sie sich von ihren Angehörigen an einen östlichen Ort zurückzog. 17 Sie nahm sich einen Vorhang vor ihnen. Da sandten Wir Unseren Geist zu ihr. Er stellte sich ihr als wohlgestaltetes menschliches Wesen dar. 18 Sie sagte: „Ich suche beim Allerbarmer Schutz vor dir, wenn du gottesfürchtig bist.“ 19 Er sagte: „Ich bin nur der Gesandte deines Herrn, um dir einen lauteren Jungen zu schenken.“ 20 Sie sagte: „Wie soll mir ein Junge gegeben werden, wo mich doch kein menschliches Wesen berührt hat und ich keine Hure bin.“ 21 Er sagte: „So wird es sein. Dein Herr sagt: ‚Das ist Mir ein leichtes, und damit Wir ihn zu einem Zeichen für die Menschen und zu einer Barmherzigkeit von Uns machen‘. Und es ist eine beschlossene Angelegenheit.“ 22 So empfing sie ihn und zog sich mit ihm zu einem fernen Ort zurück. 23 Die Wehen ließen sie zum Palmenstamm gehen. Sie sagte: „O wäre ich doch zuvor gestorben und ganz und gar in Vergessenheit geraten!“ 24 Da rief er ihr von unten her zu: „Sei nicht traurig; dein Herr hat ja unter dir ein Bächlein geschaffen. 25 Und schüttle zu dir den Palmenstamm, so läßt er frische, reife Datteln auf dich herabfallen. 26 So iß und trink und sei frohen Mutes. Und wenn du nun jemanden von den Menschen sehen solltest, dann sag: Ich habe dem Allerbarmer Fasten gelobt, so werde ich heute mit keinem Menschenwesen sprechen.“ 27 Dann kam sie mit ihm zu ihrem Volk, ihn (mit sich) tragend. Sie sagten: „O Maryam, du hast da ja etwas Unerhörtes begangen. 28 O Schwester Hārūns, dein Vater war doch kein sündiger Mann, noch war deine Mutter eine Hure.“ 29 Da zeigte sie auf ihn. Sie sagten: „Wie können wir mit jemandem sprechen, der noch ein Kind in der Wiege ist?“ 30 Er sagte: „Ich bin wahrlich Allahs Diener; Er hat mir die Schrift gegeben und mich zu einem Propheten gemacht. 31 Und gesegnet hat Er mich gemacht, wo immer ich bin, und angeordnet hat Er mir, das Gebet (zu verrichten) und die Abgabe (zu entrichten), solange ich lebe, 32 und gütig gegen meine Mutter zu sein. Und Er hat mich weder gewalttätig noch unglücklich gemacht. 33 Und der Friede sei auf mir am Tag, da ich geboren wurde, und am Tag, da ich sterbe, und am Tag da ich wieder zum Leben auferweckt werde.“ 34 Das ist ʿĪsā, der Sohn Maryams: (Es ist) das Wort der Wahrheit, woran sie zweifeln. 35 Es steht Allah nicht an, Sich ein Kind zu nehmen. Preis sei Ihm! Wenn Er eine Angelegenheit bestimmt, so sagt Er dazu nur: ‚Sei!‘, und so ist es. 36 (ʿĪsā sagte:) „Und gewiß, Allah ist mein Herr und euer Herr; so dient Ihm. Das ist ein gerader Weg.“

Sure 61 (As-Saff)

Hier wird Jesus als Bote Gottes und als Zeichen für die Israeliten erwähnt.

Die Sure kannst du im Koran nachlesen. Klicke auf das Buch für eine deutsch-arabische Ausgabe.

Ein rhetorischer Kniff macht Jesus zum Muslim

Ok, also erkennt auch der Koran Jesus an. Jesus wird sogar als einer der großen Propheten verehrt, der die gleiche Botschaft monotheistischen Glaubens (Tawhid) verkündete, die auch von anderen Propheten wie Abraham, Moses und schließlich Mohammed gelehrt wurde. – doch wie kommt man von hier zu der Auffassung, dass Jesus Muslim gewesen ist? 

Dazu bedarf es eines kleinen Umweges, der mit der Bedeutung davon spielt, was es bedeutet „Muslim“ zu „sein“. Muslime glauben, dass alle Propheten, einschließlich Jesus, im Kern muslimisch waren, im Sinne der „friedlichen Unterwerfung“ unter den Willen Gottes (Allah), was der grundlegenden Bedeutung des Wortes „Muslim“ entspricht.

Das geht in etwa so: 

„Islam“ leitet sich aus dem arabischen Wortstamm s-l-m ab. Es ist das Verbalsubstantiv des Verbs aslama (IV. Stamm) und steht in enger Verbindung zum Begriff salām, der Friede bedeutet. Gemäß koranischer Interpretation kann Islam korrekterweise als „Hingabe vor/unter Gott“ übersetzt werden, was einen Zustand beschreibt.

Ein Muslim (Partizip Aktiv von aslama) ist somit jemand, der sich in diesem Zustand der Hingabe vor Gott befindet. Also nochmal: Der Islam bezeichnet den Zustand der Hingabe vor/unter/in Gott, und eine Person, die diesen Glauben praktiziert, wird als Muslim (oder Moslem) bezeichnet.

In diesem Sinn wird dann also jede*r zum Muslim oder zur Muslima, der an den monotheistischen Gott Jahwe bzw. Allah glaubt – praktisch, wenn man konfessionelle Zugehörigkeiten und Religionszugehörigkeit retrospektiv umetikettieren will.

Natürlich entspricht dies in keiner Weise der christlichen Sichtweise auf Jesus. Das Vorgehen erinnert ein wenig an die Totentaufen der Mormonen, die im Nachhinein noch prominente Verstorbene zu Mormonen machen.

War Jesus Muslim, Christ oder Jude?

In einem Sprachverständnis, das keiner weiteren Erklärungen bedarf (Alltagsverständnis), ergibt es keinen Sinn, davon zu sprechen, dass Jesus Moslem war.

Das hat mit Logik zu tun: Der Islam entstand mit seinem Propheten Mohammed und dem Koran erst im siebten Jahrhundert nach Christus. Wenn es Jesus wirklich gab, kann also weder vom Koran noch von Mohammed Kenntnis gehabt haben. Insofern kann er auch nicht ihr Anhänger gewesen sein.

Analog gilt das gleiche für die Frage, ob Jesus Christ war: Damit hätte er zu seinem eigenen Anhänger werden müssen. Auch dies ergibt logisch nicht viel Sinn.

Bleibt die Frage: War Jesus Jude? Und ja: Er hielt sich an die jüdischen Gebote und seine Mutter war Jüdin. Die Evangelien des Neuen Testaments bieten ein Bild von Jesus, das stark durch seine jüdische Identität geprägt ist. Sie betonen sogar explizit Jesu jüdische Abstammung, insbesondere durch die Genealogien in den Evangelien nach Matthäus und Lukas, die ihn als Nachfahren König Davids und Abrahams darstellen.

In der historischen Betrachtung wird Jesus als jüdischer Lehrer und Gründer des Christentums gesehen. Historisch gesehen war Jesus ein Jude, der in der jüdischen Tradition lehrte und lebte. Seine Lehren und Handlungen müssen im Kontext der jüdischen Kultur und Religion seiner Zeit verstanden werden. Die Umdeutung von Jesus zum Muslim ist aus dieser Perspektive nicht schlüssig.

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