Wo Licht ist, da muss auch Schatten sein – zumindest glauben das viele Religionen. Der Teufel erfüllt eine praktische Funktion: Er erklärt das Böse, ohne Gott selbst die Verantwortung zuzuschieben.
Statt also einen fehlerhaften Schöpfer zu akzeptieren, erfand man ein personifiziertes Böses: den Teufel. Doch woher kommt diese Figur eigentlich? Und hält sie einer kritischen Überprüfung stand?

Definition und Etymologie: Wer ist der Teufel?
Der Begriff „Teufel“ stammt vom griechischen diabolos, was „Verleumder“ oder „Durcheinanderwerfer“ bedeutet. Im Lateinischen wurde daraus diabolus, und später im Althochdeutschen „tiufal“.

Die Rolle dieses Wesens: Lügen, Verwirrung stiften, Menschen in Versuchung führen – und letztlich als Sündenbock für alles Böse herhalten, was die Theodizee ansonsten schwer erklärbar machen würde.
Kurz: Der Teufel ist die personifizierte Entlastung Gottes.

Teufel, Satan, Beelzebub – alles das gleiche?
Nicht ganz.
Ursprünglich war „Satan“ im Alten Testament eher ein „Ankläger“ im Gericht Gottes – kein eigenständiger Gegenspieler, sondern eine Art göttlicher Staatsanwalt.
Erst später verschmolzen verschiedene Gestalten – Satan, Luzifer, Beelzebub – zu einer einzigen dämonischen Figur.

Best-of des Bösen
Was heute als einheitliches Bild verkauft wird, ist in Wahrheit eine theologische Patchworkdecke aus jüdischen, christlichen und sogar heidnischen Quellen.
Der Teufel, wie wir ihn heute kennen, ist also ein theologisches Best-of des Bösen.

Der Teufel in verschiedenen Religionen
Nicht jede Religion braucht einen Teufel.
Im Judentum ist Satan eher eine Figur innerhalb Gottes Ordnung. Im Christentum mutiert er zum erbitterten Feind Gottes. Im Islam wird Iblis zum rebellischen Dschinn, der sich weigert, sich vor Adam zu verbeugen. Und im Zoroastrismus gibt es Angra Mainyu, den Geist des Bösen.
Gemeinsam ist vielen dieser Konzepte: Das Böse wird ausgelagert, personalisiert, vereinfacht. Statt komplexe moralische Fragen zu stellen, wird das Böse bequem auf eine Gestalt projiziert.
Die klassische Erzählung: Gott, Luzifer und der freie Wille
In der klassischen christlichen Story war der Teufel einst ein Engel – der schönste, klügste, strahlendste.
Doch Hochmut kam vor dem Fall: Luzifer rebellierte gegen Gott und wurde mitsamt seinen Anhängern in die Hölle gestürzt. Seitdem kämpft er um die Seelen der Menschen. Angeblich ist das alles ein Preis für den „freien Willen“.

Dass ein allwissender, allmächtiger Gott freiwillig eine tickende Zeitbombe wie Luzifer erschafft, wird in dieser Erzählung großzügig übergangen.
Herkunft des Teufels: vom himmlischen Engel zum Widersacher
Die Vorstellung vom gefallenen Engel ist eine spätere Interpretation, die biblisch nur indirekt gestützt wird.
Der Mythos speist sich aus verschiedenen Quellen: Jesaja 14, Ezechiel 28 und apokryphe Schriften wie das Buch Henoch.
Luzifer, der „Lichtträger“, wird dort mehr konstruiert als offen berichtet. Die Transformation vom Diener zum Feind Gottes illustriert weniger ein historisches Ereignis als ein menschliches Bedürfnis: das Bedürfnis nach einer Geschichte, die das Böse logisch und moralisch verdaulich macht.
Die Luzifer-Story
Entgegen landläufiger Meinung gibt es in der Bibel keine eindeutige Erzählung, die den „Sturz Luzifers aus dem Himmel“ beschreibt.
Die Geschichte, wie wir sie heute kennen – Engel rebelliert, wird gestürzt, wird zum Teufel – ist ein spätes theologisches Konstrukt aus verstreuten Andeutungen, Umdeutungen und fantasievoller Exegese.
Hier die wichtigsten Textstellen.
König von Babel
„Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern, Sohn der Morgenröte! Wie wurdest du zu Boden geschlagen, der du die Völker niederstrecktest!“
Jesaja 14,12-15
Dieser berühmte Vers richtet sich ursprünglich gegen den König von Babylon – nicht gegen einen Engel.
Die Bezeichnung „Morgenstern“ (hebräisch: hêlēl ben šāḥar, lateinisch übersetzt mit lucifer = Lichtträger) spielt auf das Bild des hellen Planeten Venus an, der strahlend aufgeht, aber bald wieder vom Himmel verschwindet – eine Metapher für den raschen Fall eines einst mächtigen Herrschers.
Später wurde dieser „Lichtträger“ von Kirchenvätern wie Hieronymus (der die Vulgata übersetzte) als Eigenname (Lucifer) gedeutet und auf einen Engel bezogen, der sich gegen Gott erhoben habe. Eine massive Umdeutung also, die mit dem ursprünglichen Text nichts mehr zu tun hat.

König von Tyrus
„Du warst ein gesalbter, schützender Cherub. Ich hatte dich auf den heiligen Berg Gottes gesetzt […] Dein Herz wurde stolz wegen deiner Schönheit.“
Ezechiel 28,12-17
Auch hier geht es nicht um einen Engel, sondern um eine satirisch überhöhte Anklage gegen den König von Tyrus. Die Bildsprache („auf dem Berg Gottes“, „Edelsteine“, „Cherub“) illustriert den Hochmut und die anschließende Erniedrigung eines menschlichen Herrschers.
Frühchristliche Theologen sahen darin jedoch eine „himmlische Parallele“ zum Fall eines Engels – wiederum eine kreative Neuinterpretation.
Kampf im Himmel
„Und es entstand ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen.“
Offenbarung 12,7-9
Hier erscheint erstmals eine apokalyptische Szene, in der ein großer Drache (der „alte Schlange, genannt Teufel und Satan“) und seine Engel besiegt und auf die Erde geworfen werden. Doch auch diese Passage beschreibt kein ursprüngliches Engelwesen namens Luzifer, sondern eine Endzeitvision, in der Satan als kosmischer Gegner Gottes auftritt.
Die Offenbarung ist ohnehin eine symbolische Schrift voller Metaphern, nicht ein historischer Tatsachenbericht. Dennoch wurde diese Szene später rückprojiziert, als Beleg für einen uralten „Fall“ eines bösen Engels.

Logische Brüche: Allmacht und die Existenz des Bösen
Die biblische Grundlage für Luzifer als „gefallenen Engel“ ist so solide wie eine Hängebrücke aus Zahnseide. Die Figur entstand nicht aus einer klaren Überlieferung, sondern aus einem theologischen Bedürfnis, das Böse zu personalisieren – und Gott moralisch zu entlasten.
Zudem kommen noch scheunentorgroße logische Löcher: Wenn Gott allmächtig und allgütig ist – warum gibt es dann überhaupt einen Teufel? Warum lässt ein unendlich mächtiges Wesen zu, dass ein minderwertiger Gegenspieler über Jahrtausende hinweg Seelen verführt?
Entweder ist Gott nicht allmächtig, oder nicht allgütig, oder der Teufel ist eine dramaturgische Erfindung, um die Absurditäten der Welt zu erklären. Jeder Versuch, diesen Widerspruch schönzureden, endet in theologischer Akrobatik, die sich vor keiner logischen Zerreißprobe retten kann.

Warum der Teufel aus wissenschaftlicher Sicht ein Mythos bleibt
Aus psychologischer und soziologischer Perspektive ist der Teufel ein Archetyp – eine Projektionsfläche für menschliche Ängste, Schuldgefühle und unerklärliches Leid.
Nur der Vollständigkeit halber: Es gibt keinerlei empirische Hinweise auf ein übernatürliches böses Wesen, das durchs Universum geistert. Dasselbe gilt auch für Schutzengel, Dämonen und „Nephilim“.
Stattdessen erklärt sich das Böse viel besser durch menschliche Evolution, Psychopathologie und soziale Dynamiken. Der Teufel ist eine mythologische Antwort auf reale Probleme – allerdings eine, die analytisch nichts erklärt und moralisch eher infantilisiert. Dass es heutzutage noch Exorzismen gibt, erscheint vor diesem Hintergrund nur noch absurd.

Teuflisch: ein praktisches Feindbild ohne Beleg
Der Teufel ist praktisch: Er erlaubt es, Verantwortung abzugeben.
Nicht ich habe gesündigt – der Teufel hat mich verführt.
Nicht die Gesellschaft ist ungerecht – dunkle Mächte sind am Werk.
So einfach wird komplexes menschliches Verhalten auf eine bequeme Erzählung reduziert. In Wahrheit braucht es keinen Höllenfürsten, um das Böse zu erklären. Es reicht völlig, sich die Abgründe des menschlichen Handelns anzuschauen – ganz ohne Hörner und Schwefelgeruch.
Warum der Teufel der älteste PR-Trick der Theologie ist
Der Teufel ist vielleicht die genialste Werbefigur der religiösen Weltgeschichte – und zwar nicht, weil er sich selbst so gut verkauft hätte, sondern weil er perfekte Arbeit für seine Gegenspieler leistet.
Mit dem Teufel im Repertoire kann Religion jedes Scheitern, jedes Leid, jede Grausamkeit elegant auslagern: „Gott liebt dich – aber wenn dein Leben eine Katastrophe ist, dann liegt das am Teufel!“
Es ist die ultimative Imagepflege: Gott bleibt rein, die Verantwortung wird an eine fiktive Schattenfigur delegiert.

Der Teufel ist also kein theologisches Problem, sondern die älteste Marketingstrategie des Monotheismus. Ein genialer Trick – solange man bereit ist, Logik am Kirchentor abzugeben.

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