Der moralische Gottesbeweis basiert auf der Annahme, dass das Vorhandensein von Moral und ethischen Prinzipien in der Welt auf die Existenz eines moralischen Gesetzgebers, also Gottes, hindeutet.
Wir sehen uns das mal an: Definition und historischen Hintergrund des moralischen Gottesbeweises, seine Hauptvertreter und natürlich auch die wichtigsten Argumente für und wider den moralischen Gottesbeweis. Wir werden auch die Bedeutung dieses Beweises in der heutigen Zeit und seine Rolle in der modernen Debatte um die Existenz Gottes erforschen.
Dies alles tun wir auch vor dem Hintergrund, dass die großen Kirchen in Deutschland sich als moralische Institutionen stilisieren und Orientierung vorschützen – obwohl Religion und Moral so ihre lieben Schwierigkeiten miteinander haben.

Grundlagen des moralischen Gottesbeweises
Gottesbeweise sind ja immer irgendwie fesselnde Kapitel der Religionsphilosophie und Theologie.
Der moralische Gottesbeweis verknüpft tiefgründige Fragen der Ethik mit der Existenz eines göttlichen Wesens und hat seit Jahrhunderten Denker und Gläubige gleichermaßen beschäftigt (siehe den Beitrag zu Religion und Moral).
Die zentrale These dieses Beweises ist, dass die allgemeine Existenz moralischer Prinzipien und die menschliche Fähigkeit, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, auf eine höhere, moralische Autorität hindeuten – Gott.
Dieser Ansatz geht also über bloße Spekulationen über die physikalische Welt hinaus und fordert die Auseinandersetzung mit den fundamentalen Ursprüngen moralischer Werte und Normen.
Definition und historischer Hintergrund
Der moralische Gottesbeweis versucht, die Existenz Gottes durch die Notwendigkeit einer übergeordneten moralischen Ordnung zu begründen.
Die grundlegende Idee ist, dass objektive moralische Werte und Pflichten nicht ohne die Existenz eines höchsten moralischen Gesetzgebers – eines Gottes – existieren können.
Historisch gesehen hat sich dieser Beweis aus den ethischen Diskussionen der Antike entwickelt und fand besonders in der Aufklärungszeit große Beachtung.
Was ist „absolute“ Moral?
Ein wichtiger Aspekt beim moralischen Gottesbeweis ist die Annahme „absoluter “ Moral. Absolute Moral ist die Vorstellung, dass bestimmte moralische Prinzipien universell, unveränderlich und unabhängig von individuellen oder kulturellen Perspektiven gültig sind.
Diese Prinzipien gelten als absolut (manchmal heißt es auch „objektive“ Moral). Sie sind nicht an spezifische Situationen, Kulturen oder persönliche Meinungen gebunden. Absolute Moralvorstellungen gehen davon aus, dass es klare, unumstößliche Richtlinien für richtiges und falsches Verhalten gibt, die für alle Menschen zu allen Zeiten und in allen Kontexten gelten.
Ein Beispiel für ein absolutes moralisches Prinzip könnte das Verbot von Mord oder Täuschung sein. Anhänger der absoluten Moral würden argumentieren, dass solche Handlungen immer falsch sind, unabhängig von den Umständen oder kulturellen Normen.
„Relative“ Moral
Die Idee der absoluten Moral steht im Kontrast zu relativistischen Moralvorstellungen, die besagen, dass moralische Werte und Normen von der Kultur, dem individuellen Kontext oder der historischen Periode abhängig sind und somit variieren können.
Absolute Moralvorstellungen sind grundsätzlich oft in religiösen und philosophischen Systemen verankert, die an universelle Wahrheiten oder göttliche Gesetze glauben – und die sind auch für den moralischen Gottesbeweis notwendig, wie wir noch sehen werden.
Kant und der moralische Gottesbeweis
Nun zur Geschichte des moralischen Gottesbeweises. Immanuel Kant hatte den ontologischen Gottesbeweis des Anselm hart kritisiert. Nun argumentierte Kant, dass die moralischen Gesetze, die wir als Menschen wahrnehmen, auf eine universelle moralische Ordnung hindeuten, die letztlich auf Gott als höchste moralische Autorität zurückzuführen ist.
Kant ist zweifellos der bekannteste Vertreter des moralischen Gottesbeweises. In seiner Moralphilosophie vertrat Kant die Ansicht, dass die Existenz von Gut und Böse sowie unser Sinn für moralische Pflicht nur im Kontext eines göttlichen Gesetzgebers sinnvoll seien. Für Kant waren moralische Gesetze universell und objektiv, und ihre Existenz setzte einen göttlichen Urheber voraus.
Immanuel Kant entwickelt den moralischen Gottesbeweis in der „Kritik der praktischen Vernunft“, die 1788 veröffentlicht wurde. Dies ist das zweite seiner drei kritischen Hauptwerke, in denen er sich mit den Grundlagen und Grenzen der menschlichen Erkenntnis auseinandersetzt. In der „Kritik der praktischen Vernunft“ konzentriert sich Kant auf die Moralphilosophie und stellt dar, wie moralisches Handeln mit der Vernunft und der Freiheit des Menschen verknüpft ist.

Kant argumentiert, dass, wenn wir moralisch handeln, wir so handeln, als ob es einen Gott gäbe. Er sieht die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele als notwendige Postulate der praktischen Vernunft, um die Idee des höchsten Gutes zu erfüllen, in dem Tugend und Glückseligkeit in Einklang gebracht werden.
Um den Begriff Gottes mit Inhalt zu füllen, müssen wir uns laut Kant auf einen Bereich jenseits der menschlichen Erfahrung begeben, nämlich auf das moralische Verhalten.
Kant argumentiert, dass man immer so handeln sollte, dass die Maxime des eigenen Handelns zum allgemeinen Gesetz werden könnte. Das ist der kategorische Imperativ, das einzige Gesetz, das die Vernunft sich selbst geben kann. Hier kommt allerdings ein Problem auf – denn es gibt keine Garantie, dass moralisches Handeln im Leben tatsächlich zum Guten führt oder zur Seligkeit. Tatsächlich kann es moralisch guten Menschen sogar schlecht ergehen. Daher benötigen wir die Vorstellung von Gott als einem Wesen, das die moralische Natur des Menschen versteht und ihm am Lebensende entsprechende Seligkeit gewährt.
Obwohl Kant selbst betont, dass der moralische Gottesbeweis nicht die Existenz Gottes im empirischen Sinne beweisen kann, sieht er ihn als wesentlich für die moralische Orientierung und die Sinnhaftigkeit ethischen Handelns.
„Es ist nicht gewiss, dass es einen Gott gibt. Aber moralisch bin ich mir sicher, dass es ihn gibt.“
Immanuel Kant

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Weitere Hauptvertreter und ihre Argumente
Neben Immanuel Kant und gibt es noch weitere bedeutende Vertreter des moralischen Gottesbeweises, die sich mit der Beziehung zwischen moralischen Gesetzen und der Existenz Gottes auseinandergesetzt haben.
Hier einige Hauptvertreter:
William Lane Craig
Craig kennen wir noch vom sogenannten Kalam-Argument, einer Sonderform des kosmologischen Gottesbeweises. Er betont, dass objektive moralische Werte in einer rein materialistischen Weltanschauung schwer zu begründen sind und somit die Existenz eines moralischen Gottes nahelegen.

C. S. Lewis
Der britische Schriftsteller und Gelehrte C.S. Lewis (1898–1963), bekannt für seine christliche Apologetik, präsentierte in seinem Werk „Mere Christianity“ Argumente für die Existenz Gottes basierend auf universellen moralischen Gesetzen und dem menschlichen Gewissen.

John Henry Newman
Der englische Theologe und Kardinal Newman (1801–1890) argumentierte, dass das menschliche Gewissen ein Hinweis auf die göttliche Autorität sei und dass die moralische Ordnung der Welt auf einen Schöpfer hindeutet.
Alvin Plantinga
Der amerikanische analytische Philosoph Alvin Plantinga (geb. 1932) hat sich mit moralischen Argumenten für die Existenz Gottes beschäftigt, insbesondere im Kontext des Theismus und des Naturalismus.
Ravi Zacharias
Der christliche Apologet Ravi Zacharias (1946–2020) verwendete den moralischen Gottesbeweis in seinen Vorträgen und Büchern, um die Notwendigkeit eines moralischen Gesetzgebers zur Erklärung der universellen moralischen Werte und der menschlichen Erfahrung von Gut und Böse zu untermauern.
All diese Denker, aus unterschiedlichen Epochen und mit verschiedenen philosophischen Ansätzen, trugen wesentlich zur Entwicklung und Verteidigung des moralischen Gottesbeweises bei. Sie argumentieren, dass die menschliche Erfahrung von Moralität und ethischen Grundsätzen am besten durch die Annahme einer übermenschlichen, moralischen Autorität erklärt werden kann. Sehen wir uns die Kernargumente mal genauer an.
Kernargumente des moralischen Gottesbeweises
Der moralische Gottesbeweis basiert auf der Überzeugung, dass das Vorhandensein objektiver moralischer Werte und Gesetze auf einen übergeordneten, moralischen Gesetzgeber hindeutet – nämlich Gott (meistens Jahwe).
Dieser Beweis stützt sich auf die Annahme, dass moralische Prinzipien nicht ausschließlich ein Produkt menschlicher Kultur oder subjektiver Überzeugungen sind, sondern vielmehr eine universelle und unveränderliche Wahrheit darstellen.
Die Kernargumente des moralischen Gottesbeweises zielen auf eine untrennbare Verbindung zwischen moralischen Gesetzen und der Annahme einer höheren Macht sowie die logische Struktur, die diese Verbindung untermauert.
Die Rolle der Moral in der Gottesfrage
Im Kern des moralischen Gottesbeweises steht die Idee, dass moralische Gesetze und Werte eine objektive Realität besitzen, die über menschliche Meinungen und gesellschaftliche Konventionen hinausgeht.
Vertreter dieses Beweises argumentieren, dass, wenn moralische Werte absolut und universell gelten, sie eine Quelle benötigen, die selbst über menschliche Fähigkeiten hinausgeht. Diese Quelle wird als Gott identifiziert.
Die Annahme ist, dass ohne einen göttlichen Gesetzgeber die Idee von objektiven moralischen Wahrheiten keinen festen Halt hätte. Somit wird die Existenz Gottes als eine notwendige Bedingung für die Existenz von objektiven und verbindlichen moralischen Werten und Pflichten angesehen.
Logische Struktur des Beweises
Die logische Struktur des moralischen Gottesbeweises besteht darin, eine kausale Verbindung zwischen der Existenz objektiver moralischer Werte und der Notwendigkeit eines höchsten moralischen Gesetzgebers herzustellen.
Dieser Beweis nimmt typischerweise die Form eines deduktiven Arguments an, das von der Prämisse ausgeht, dass objektive moralische Werte existieren. Daraus folgert er, dass diese Werte eine Grundlage haben müssen, die über menschliche Konstruktionen hinausgeht.
Die Schlussfolgerung ist, dass diese Grundlage am besten durch die Existenz Gottes erklärt werden kann. Diese Argumentationsweise zielt darauf ab, zu zeigen, dass ohne Gott als ultimative Quelle der Moralität die Idee von objektiven und verbindlichen moralischen Gesetzen nicht haltbar wäre.
Kritik am moralischen Gottesbeweis
Der moralische Gottesbeweis steht vor erheblichen kritischen Einwänden. Diese Kritiken beleuchten die Grenzen des Beweises aus verschiedenen philosophischen und moralphilosophischen Perspektiven.
Philosophische Argumente gegen den moralischen Gottesbeweis
Gegen den moralischen Gottesbeweis wird argumentiert, dass er auf einer Reihe von Annahmen beruht, die nicht zwangsläufig zutreffend sein müssen.
Ein zentraler Einwand ist, dass die Existenz objektiver moralischer Werte nicht notwendig die Existenz eines göttlichen Gesetzgebers impliziert („non sequitur“). Moral könnte ebenso gut als Ergebnis menschlicher Vernunft, sozialer Konventionen oder evolutionärer Prozesse erklärt werden. Zudem werfen Kritiker die Frage auf, ob es überhaupt objektive moralische Werte gibt, oder ob Moral nicht vielmehr subjektiv und kulturabhängig ist.
Das Euthyphron-Dilemma
Ein weiteres kritisches Argument ist das sogenannte Euthyphron-Dilemma, das ursprünglich von Platon in seinem gleichnamigen Dialog formuliert wurde.
Es betrifft die Natur der Moralität und ihre Beziehung zu göttlichen Geboten. Das Dilemma wird in der Form einer Frage präsentiert, die die Grundlage für moralische Werte und ihre Beziehung zu Gott hinterfragt:
Ist das moralisch Gute gut, weil es von Gott geboten wird, oder gebietet Gott es, weil es gut ist?
Diese Dichotomie bringt die Anhänger Gottes in argumentative Bedrängnis, denn entweder wird die Moral willkürlich oder Gott selbst ist einem höheren moralischen Prinzip unterworfen.
Wenn moralische Werte gut sind, weil sie von Gott geboten werden, dann scheint Moral willkürlich zu sein. Es bedeutet, dass etwas nur deshalb als gut oder schlecht angesehen wird, weil Gott es so bestimmt hat. Das impliziert, dass es keine unabhängigen moralischen Werte außerhalb des göttlichen Willens gibt. Dies würde bedeuten, dass wenn Gott beschließen würde, dass Grausamkeit gut ist, es dann moralisch gut wäre, grausam zu sein – zum Beispiel beim Aufruf zu einem Völkermord.
Wenn Gott das moralisch Gute gebietet, weil es gut ist, dann scheint es, dass moralische Werte unabhängig von Gott existieren. Das impliziert, dass Gott die moralischen Werte anerkennt, aber nicht ihre Quelle ist. In diesem Fall wäre Gott nicht der Schöpfer der Moral, sondern eher ein Übermittler oder Erkenner moralischer Wahrheiten, die an sich existieren.

Moralphilosophische Betrachtungen
Aus moralphilosophischer Sicht wird beim moralischen Gottesbeweis hinterfragt, ob die Verknüpfung von Moralität mit göttlicher Belohnung oder Bestrafung tatsächlich zu einem wahrhaft moralischen Handeln führt.
Kritiker wie Friedrich Nietzsche haben darauf hingewiesen, dass, wenn moralisches Handeln nur im Hinblick auf göttliche Belohnung oder aus Furcht vor Strafe erfolgt, dies die Authentizität und Eigenständigkeit moralischer Entscheidungen untergräbt.

(1881)
Außerdem wird angeführt, dass der moralische Gottesbeweis die menschliche Autonomie und die Fähigkeit zur moralischen Selbstbestimmung untergraben könnte. Wenn moralische Werte ausschließlich als göttliche Vorgaben angesehen werden, besteht die Gefahr, dass der Eigenwert menschlicher Vernunft und moralischer Überlegungen in den Hintergrund tritt.
Fazit: Der moralische Gottesbeweis wirft die Frage auf, ob es universelle moralische Werte gibt und ob diese einen Hinweis auf eine höhere moralische Ordnung oder gar eine göttliche Quelle geben.
Heute gibt es auch andere Erklärmuster: So lässt sich altruistisches Handeln und das Interesse am Wohlergehen anderer zum Beispiel auch durch evolutionäre Prozesse erklären. Zudem wirft das Euthyphron-Dilemma einen unüberwindlichen Stolperstein in das moralische Argument der Theisten: Entweder Gott ist nicht allmächtig – oder, vielleicht noch erschreckender, alles, was er angeordnet, müsste moralisch gutgeheißen werden.
Werfen wir einen Blick in die Bibel, fallen uns sogleich jede Menge Gräueltaten ins Auge: ermordete Kinder, vernichtete Völker, gesteinigte Frevler und dergleichen.
Hier verdreht sich das moralische Argument sogar in sein Gegenteil und Dostojewskis berühmter Satz „Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt“ bedeutet nun: „Wenn es Gott gibt, ist alles erlaubt.“ Vom häuslichen Missbrauch bis zum Selbstmordattentat. Deswegen, liebe Theisten: keine Steinwürfe im moralischen Glashaus, bitte.
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