Die Parusie, ein Begriff, der in der christlichen Theologie eine zentrale Rolle spielt, beschreibt die erwartete Rückkehr Jesu Christi auf die Erde – sein zweites Kommen, das mit dem endgültigen Gericht und der Vollendung der Welt verbunden ist. 

Dieses Konzept ist eine der ältesten und bedeutendsten Vorstellungen in der christlichen Eschatologie, also der Lehre vom „Ende der Zeiten“. 

Was wenige wissen: Auch die Adventszeit, also die „Zeit der Erwartung“ bezieht sich vorwiegend auf die Parusie und nicht etwa auf Weihnachten.

Doch was genau steckt hinter der Idee der Parusie?

Warum spielt sie seit Jahrhunderten eine so große Rolle?

Und wie gehen Theologen, Historiker und Gläubige heute mit der Vorstellung der Parusie um? 

In diesem Artikel erkunden wir den Ursprung, die Bedeutung und die Auswirkungen der Parusie.

Ursprung und Bedeutung des Begriffs „Parusie“

Das Wort „Parusie“ stammt aus dem Griechischen (παρουσία) und bedeutet ursprünglich „Anwesenheit“ oder „Ankunft“. 

Im Neuen Testament wird es verwendet, um das zukünftige Erscheinen Christi auf der Erde zu beschreiben, sein zweites Kommen nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt.

In den Schriften der frühen Christenheit, besonders bei Paulus und in den Evangelien, war die Parusie ein zentrales Element des Glaubens und der Hoffnung. Sie galt als das Ende der gegenwärtigen Weltordnung und der Beginn einer neuen, göttlich geprägten Ära.

Die Parusie soll nach der traditionellen christlichen Lehre mit einer endgültigen Abrechnung, dem Jüngsten Gericht, einhergehen. Dabei werden die Gerechten belohnt und die Ungerechten bestraft, und eine neue Ära des Friedens und der Gerechtigkeit wird auf der Erde errichtet.

Parusie Apokalyptische Reiter
Die berühmten „Apokalyptischen Reiter“ sind Zeichen einer beginnenden „Endzeit“

Diese Erwartung hat das Christentum eschatologischund viele Generationen gläubiger Christen geprägt. Ist ja auch ein schöner Gedanke: Wenn es auf Erden schon keine Gerechtigkeit gibt, so doch wenigstens im Jenseits.

Parusie im Neuen Testament: Dauert das noch lang?

Im Neuen Testament finden sich zahlreiche Stellen, die andeuten, dass die Parusie in naher Zukunft erwartet wurde. 

In Matthäus 24,34 sagt Jesus, dass „diese Generation“ nicht vergehen werde, bis all die angekündigten Ereignisse – darunter auch sein Kommen auf den Wolken des Himmels – eintreten würden. Bis heute die wohl größte Enttäuschung unter den prophetischen Fehlschlägen der Bibel.

Auch der Apostel Paulus zeigt sich in seinen Briefen überzeugt, dass die Rückkehr Christi bald bevorsteht und die Lebenden ihn noch sehen werden.

Die Dringlichkeit, die in den Texten zu spüren ist, führte zu einer weitverbreiteten Erwartungshaltung in der frühen Kirche. Man erwartete, dass die Parusie bald eintreten würde und dass das Ende der Zeit bereits angebrochen sei.

Kirchengeschichte der ersten drei Jahrhunderte: Fundamentale Schriften des Frühchristentums
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Im Laufe der Jahrhunderte, als sich die Rückkehr Christi nicht ereignete, begannen Theologen jedoch, diese Stellen anders zu interpretieren – als symbolische oder geistige Aussagen, die nicht wörtlich zu verstehen seien.

Die Enttäuschung der ersten Christen muss groß gewesen sein. Genau wissen wir das nicht, weil die ersten schriftlichen Aufzeichnungen erst spät entstanden – klar: Wenn man vom unmittelbar bevorstehenden Ende der Welt überzeugt ist, haben schriftliche Aufzeichnungen keinerlei Priorität.

Warten auf die Parusie: zentraler Glaube des Christentums

Die Parusie ist nicht nur ein theologisches Konzept, sondern war über Jahrhunderte hinweg eine Quelle von Hoffnung und Trost für die christliche Gemeinschaft. 

In Zeiten von Verfolgung, Kriegen und Leid sahen viele Gläubige die Parusie als Verheißung auf eine gerechtere Welt und als Möglichkeit zur Erlösung. Die Erwartung der baldigen Rückkehr Christi stärkte den Glauben, dass letztendlich Gott über das Böse siegen würde und die Schlechten in der Hölle landen.

Im Mittelalter war die Parusie oft Anlass für Endzeitprophetien und religiöse Bewegungen, deren zentrale Prophezeiung das Ende der Welt war. So entstanden auch sektenartige Gemeinschaften, die ihre gesamte Existenz auf die erwartete Parusie ausrichteten, oft in Verbindung mit apokalyptischen Vorstellungen.

Phasen der Parusie

Die einzelnen Phasen der Parusie – also der erwarteten Rückkehr Jesu Christi und der damit verbundenen Ereignisse – sind in der christlichen Eschatologie oft in verschiedene, spezifische Schritte unterteilt.

Diese „Phasen“ variieren jedoch stark je nach theologischer Tradition und biblischer Interpretation. Allgemein wird die Parusie ungefähr wie folgt beschrieben.

1. Die Wiederkunft Christi

Die Wiederkunft Christi ist der zentrale Moment der Parusie. In dieser Phase soll Jesus sichtbar auf die Erde zurückkehren, wie es in mehreren Bibelstellen, etwa in Matthäus 24 und 1. Thessalonicher 4, beschrieben wird. Dieser Moment markiert den Beginn der Endzeit und wird oft als triumphale Ankunft verstanden, bei der Jesus auf den Wolken erscheint und sich die Gläubigen ihm anschließen. So ne Art umgekehrte Himmelfahrt, halt. 

Bedeutung der Parusie
Wie genau Jesus erscheinen soll, ist nicht ganz klar. Es wird von Wolken gesprochen.

Diese Wiederkunft wird oft als „überraschend“ beschrieben – niemand weiß den genauen Zeitpunkt, und sie soll wie ein „Dieb in der Nacht“ kommen. Für viele Theologen bedeutet dies, dass die Menschheit stets bereit sein sollte, Christus jederzeit zu empfangen.

Entrückung
Vorbereitung ist auch bei der Entrückung alles: Man weiß nie, wann’s einen trifft.

2. Die Auferstehung der Toten

Unmittelbar nach der Wiederkunft Christi soll die „Auferstehung der Toten“ stattfinden.

Diese Vorstellung basiert auf der Idee, dass sowohl die gläubigen als auch die ungläubigen Toten wieder zum Leben erweckt werden, um vor Christus zu erscheinen. Besonders im Buch der Offenbarung wird dies ausführlich beschrieben.

Auferstehung der Toten während der Parusie
Christen erwarten eine globale Zombie-Parade bei der Parusie

Die Auferstehung betrifft sowohl die Gerechten als auch die Ungerechten. Die Gerechten werden belohnt und empfangen das ewige Leben, während die Ungerechten gerichtet werden.

Dies ist ein entscheidender Moment, da die Gläubigen in einem „verklärten“ Zustand auferstehen und in ein neues Leben übergehen.

3. Das Jüngste Gericht

Nach der Auferstehung der Toten folgt das sogenannte Jüngste Gericht. Hier „richtet“ Jesus Christus die gesamte Menschheit – die Lebenden und die Toten.

Dieses Gericht wird oft als eine Art abschließende, alles entscheidende Prüfung dargestellt, bei der jeder Mensch für seine Taten und seinen Glauben verantwortlich gemacht wird.

Die Gerechten erhalten das ewige Leben im „Reich Gottes“ oder im „Neuen Himmel und der neuen Erde“, während die Ungerechten bestraft und vom ewigen Leben ausgeschlossen werden. Die endgültigen Entscheidungen dieses Gerichts gelten als unwiderruflich und dauerhaft.

4. Das Tausendjährige Reich (Millennium)

In einigen christlichen Traditionen, insbesondere im Prämillennialismus, folgt auf das Jüngste Gericht eine tausendjährige Herrschaft Christi auf Erden, das sogenannte „Millennium“.

Diese Phase wird in Offenbarung 20 beschrieben, wo Jesus als König über eine Zeitspanne von tausend Jahren regieren soll.

Adventszeit Zeitstrahl Parusie
So stellen sich manche Christen den Zeitverlauf der Endzeit vor

Während dieses Zeitraums herrscht Frieden und Gerechtigkeit, und Satan soll „gebunden“ sein, sodass er die Menschheit nicht verführen kann. Für viele Gläubige ist dies eine Phase der Wiederherstellung und des vollkommenen Friedens, in der Christus seine Macht auf Erden ausübt.

5. Der endgültige Sieg und die Erschaffung des neuen Himmels und der neuen Erde

Am Ende des Millenniums erfolgt laut Offenbarung eine letzte Erhebung des Bösen, in der Satan und seine Anhänger ein letztes Mal versuchen, das Reich Christi zu stürzen. Doch sie werden endgültig besiegt, und Satan wird in den „Feuersee“ geworfen.

Daraufhin soll Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde erschaffen, wo „keine Tränen, kein Leid und kein Tod mehr“ sein werden (Offenbarung 21). Dies markiert den Beginn des ewigen Lebens in einer neuen, vollkommenen Schöpfung, die von Gott selbst regiert wird. Tja, schöner Gedanke. 

Kritik und skeptische Betrachtung: Was spricht gegen die Parusie?

Die Parusie ist jedoch auch ein Konzept, das zunehmend kritisiert und hinterfragt wird. Die Tatsache, dass die Rückkehr Christi trotz der biblischen Verheißungen seit etwa 2000 Jahren nicht eingetreten ist, hat dazu geführt, dass viele die Vorstellung skeptisch betrachten. 

Die ersten Christen erwarteten das Ende innerhalb ihrer Lebenszeit – eine Erwartung, die sich offensichtlich nicht erfüllt hat. Kritiker sehen darin ein Beispiel dafür, wie religiöse Überzeugungen enttäuscht wurden und sich im Laufe der Zeit an veränderte Gegebenheiten anpassen mussten.

Was bedeutet Parusie?
Könnte das alles auch reines Wunschdenken sein?

Ein weiterer Kritikpunkt ist die psychologische Wirkung der Parusieerwartung. Die Vorstellung eines bevorstehenden Weltendes kann Menschen in Angst und Aberglauben versetzen und sie dazu bringen, sich von der realen Welt und ihren Problemen abzuwenden. 

Diese Kritik wird von Atheisten und all jenen erhoben, die die Betonung auf wissenschaftliche Evidenz und Rationalität legen und religiöse Endzeiterwartungen als problematisch für das soziale und kulturelle Leben betrachten.

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Die Rolle der Offenbarung des Johannes

Die Zuverlässigkeit der „Offenbarung des Johannes“ wird heftig diskutiert. Dieses letzte Buch des Neuen Testaments ist einzigartig, da es eine apokalyptische Vision des Endes der Welt bietet – voller symbolischer Bilder, visionärer Beschreibungen und komplexer Zahlenmystik. Das ist noch wohlmeinend formuliert – man könnte auch sagen, Johannes litt vielleicht an einer psychischen Erkrankung. 

Seine Zuverlässigkeit wird aber meist aufgrund der Ungewissheit über seine Autorschaft und den historischen Kontext infrage gestellt. 

Historiker weisen darauf hin, dass das Buch möglicherweise zur Zeit der Christenverfolgungen unter Kaiser Domitian (um 90 n. Chr.) entstand und als Ermutigung für die damals leidende Gemeinde gedacht war – weniger als wörtliche Vorhersage eines bevorstehenden Weltuntergangs. 

Aufgrund dieser Unsicherheiten ist die Offenbarung für viele als prophetische Quelle und zur Bestimmung des „Endes der Zeit“ fragwürdig und eher als geistliche Erzählung oder moralischer Appell zu verstehen.

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Theologische Neudeutungen der Parusie

Da die Vorstellung einer baldigen Rückkehr Christi zunehmend problematisch wurde, begann die Theologie im Laufe der Jahrhunderte, die Parusie auf unterschiedliche Weise neu zu deuten. 

In der modernen Theologie wird die Parusie oft nicht mehr als ein konkretes zukünftiges Ereignis verstanden, sondern als eine innere, geistige Erfahrung oder als Symbol für das Kommen des „Reiches Gottes“ im Herzen der Gläubigen.

Einige Theologen argumentieren, dass die Parusie ein Bild für die moralische Transformation der Menschheit ist – ein Moment, in dem sich die Menschen zu einem friedlichen, gerechten und gottgefälligen Leben bekennen. Andere sehen die Parusie als Zeichen dafür, dass jeder Gläubige sein eigenes „zweites Kommen“ erleben kann, indem er sich innerlich verändert und Christus im eigenen Leben manifestiert.

Diese Interpretationen rücken die Parusie von einem historischen Ereignis hin zu einer inneren, spirituellen Realität, die individuell erlebt werden kann und keine spezifische Zeitangabe hat.

Parusie in der modernen christlichen Welt: Bedeutung und Einfluss

In der heutigen christlichen Welt hat die Parusie eine ambivalente Rolle. Während einige christliche Gemeinschaften und Denominationen die Vorstellung eines unmittelbar bevorstehenden zweiten Kommens Christi nach wie vor ernst nehmen, sehen viele Christen die Parusie als einen eher symbolischen Ausdruck für das „Reich Gottes“, das bereits hier und jetzt beginnt.

Insbesondere fundamentalistische und evangelikale Gruppierungen halten an der wörtlichen Interpretation der Parusie fest. In einigen Predigten und Glaubenskonzepten spielt die bevorstehende Rückkehr Christi eine zentrale Rolle und wird oft mit aktuellen politischen oder sozialen Ereignissen in Verbindung gebracht. Andere christliche Strömungen jedoch betrachten die Parusie mehr als eine metaphorische Vorstellung, die nicht zwingend als physisches Ereignis zu verstehen ist.

Was bedeutet die Parusie heute?

Von der Erwartung einer nahen Rückkehr Christi über spirituelle Neudeutungen bis hin zur symbolischen Betrachtung spiegelt die Parusie das Bedürfnis nach einer besseren, gerechteren Welt wider. Wie viel dieses Bedürfnis mit der Realität zu tun hat, steht auf einem anderen Blatt Papier. 

Für Gläubige ist die Parusie eine Erinnerung daran, dass sie ihr Leben in Erwartung des göttlichen Plans führen sollten. Für Skeptiker zeigt die Parusie die Neigung des Menschen, sich nach einem höheren Sinn und nach einer ultimativen Gerechtigkeit zu sehnen – auch ohne den geringsten nachprüfbaren Hinweis auf Jenseitigkeit.

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