Jesus am Kreuz – ein Bild, das seit zwanzig Jahrhunderten die Gemüter bewegt. Ist es der Erlöser, der für die Sünden der Menschheit gestorben ist, oder steckt hinter dieser Darstellung nur ein Mythos? Oder ist das Bild des gekreuzigten Jesus mittlerweile nicht vor allem Ausdruck und Anspruch kultureller Dominanz?
Jesus: Ein Mensch hängt am Kreuz
Faszinierend, in unseren Breitengraden selbstverständlich – und trotzdem mit etwas Distanz erschreckend: Die christliche Kultur hat es sich zu eigen gemacht, bildliche Darstellungen eines gekreuzigten Menschen millionenfach zu reproduzieren. Doch mit welchem Recht? Mit welchem Recht werden Kinder, Konfessionslose und Andersgläubige diesem Bild ausgesetzt?
Diese spezielle Art von Gottesbildern – Jesus von Nazareth am Kreuz hängend – ist in vielen Teilen der Welt allgegenwärtig. Auch Kinder werden bedenkenlos mit diesem meist äußerst blutigen Bild konfrontiert, das sicherlich in vielen Fällen aus Sicht des Jugendschutzes bedenklich ist.

Kreuzigungen galten – auch zur Zeit der Römer – als besonders grausam und wurden Sklaven und politisch aufrührerischen Delinquenten vorbehalten.
Hing Jesus wirklich am Kreuz?
Die historische Frage nach der Kreuzigung Jesu und der Passion Christi: Historiker streiten sich darüber, ob es tatsächlich ein historisches Ereignis war oder eher in den Bereich der Legenden gehört.
Keine triviale Frage für die Christenheit, hängen doch Ostergeschichte mit Karfreitag, letztem Abendmahl und Osterwunder von ihr ab.
Dabei spielen archäologische Funde und historische Quellen eine entscheidende Rolle. Denn grundsätzlich stellt sich dabei die Frage nach der Historizität der Person Jesus von Nazareth selbst. Obwohl der historische Konsens darin besteht, dass es die Person Jesus wirklich gab, ist dies keineswegs so felsenfest gesichert, wie manche Gläubige vermuten.
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Die zeitgenössische Quellenlage hierzu ist äußerst dünn. Die Evangelien können kaum als historisch zuverlässig angesehen werden. Die Aufzeichnungen der Römer geben dazu nichts her.
Ob Jesus also wirklich gekreuzigt wurde, kann bestenfalls vermutet werden. Welche Implikationen dies für die Behauptungen hätte, Jesus sei Gott oder göttlich und Jesus sei von den Toten auferstanden, steht sowieso nochmal auf einem anderen Blatt Papier.

Wurden zu Jesu Lebzeiten viele Juden von den Römern gekreuzigt?
Zu Jesu Lebzeiten war die Kreuzigung eine grausame und häufig angewandte Strafe der Römer. Historische Aufzeichnungen und Quellen belegen, dass die Römer diese Hinrichtungsmethode besonders bei politischen Aufständen und schweren Verbrechen einsetzten.
Juden, die sich gegen die römische Herrschaft auflehnten oder als Bedrohung für die öffentliche Ordnung betrachtet wurden, könnten gekreuzigt worden sein. Die römischen Besatzer setzten diese brutale Praxis ein, um Rebellionen einzudämmen und ihre Autorität zu festigen.

Allerdings war die Kreuzigung eine Form der Hinrichtung, die nicht ausschließlich auf Juden abzielte, sondern von den Römern generell gegen verschiedene Bevölkerungsgruppen angewandt wurde. Römische Bürger hingegen wurden in der Regel nicht gekreuzigt.
Gibt es viele archäologische Funde, die die Kreuzigung von Juden zu Jesu Lebzeiten belegen?
Nein, nur wenige.
Die meisten Erkenntnisse über die Praxis der Kreuzigung stammen aus historischen Schriften und Texten, darunter Berichte von zeitgenössischen Historikern wie Flavius Josephus. Josephus beschreibt in seinen Werken einige Fälle von Kreuzigungen während der römischen Herrschaft, aber er nennt nicht immer die religiöse Zugehörigkeit der Betroffenen.
Den historischen Kontext kennen wir von Flavius Josephus (37/38–100), der allerdings erst nach Jesus Tod geboren wurde [Klicke auf die Cover | Anzeige]
Es gibt trotz allem einige archäologische Funde, die die Kreuzigung von Juden während der späten Republik und der frühen Kaiserzeit (also grob gesagt zu Jesu Lebzeiten) spezifisch belegen. Die Archäologie kann dabei aber nur begrenzte Informationen liefern, da die Erhaltung von menschlichen Überresten aus dieser Zeit oft schwierig ist.
Insgesamt gibt es nur vier derartige Skelettnachweise. Warum ist das so?

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Erstens legten die Römer keinen besonderen Wert darauf, die Leichen der hingerichteten Sklaven und Aufrührer in allen Ehren zu bestatten. Oft wurden sie nur verscharrt oder in Massengräbern entsorgt.
Zweitens: In den meisten Fällen entfernten die Römer die Nägel wieder – diese waren schließlich wiederverwendbar. Folgerichtig wurden sie entfernt, wenn der Leichnam abgenommen wurde. Auch daher sind archäologisch eindeutige Kreuzigungsfunde so selten.
Jehohanan
Die 1968 in Israel entdeckten Knochen eines Mannes aus dem ersten Jahrhundert vor Christus wurden laut Inschrift als die des Jehohanan identifiziert. Durch das rechte Fersenbein war ein Nagel getrieben worden, weswegen man hier von einem Kreuzigungsopfer ausgeht. Der Nagel befand sich beim Fund noch im Knochen.
Ägypten
Auch im ägyptischen Mendes fand man ein Skelett mit Verletzungsspuren, die auf eine Kreuzigung hindeuten – allerdings ohne Nagel.
Italien
In der italienischen Po-Ebene wurden 2007 bei La Larda die sterblichen Überreste eines Mannes ausgegraben, bei dem von einer Kreuzigung ausgegangen wird. Aufgrund des schlechten Erhaltungszustands des Fundes ist dies aber (noch) nicht eindeutig belegt.
England: Skelett 4926
Im Jahr 2021 wurde in der Nähe von Cambridge (England) ein Skelett aus dem vierten Jahrhundert gefunden. Auch hier entdeckten Wissenschaftler einen Nagel im rechten Fersenbein. Es ist damit erst der zweite Skelettfund einer Kreuzigung mit Nagel.
Was geschah normalerweise mit dem Leichnam von Gekreuzigten?
Nach der Kreuzigung wurden die Leichname normalerweise nicht den Angehörigen überlassen, sondern verblieben oft am Kreuz oder wurden auf einem dafür vorgesehenen Ort, wie einem öffentlichen Hinrichtungshügel, zur Schau gestellt. Dort waren sie Wildtieren und Verwesung ausgesetzt.
Dies diente als abschreckende Maßnahme und sollte potenzielle Übeltäter davon abhalten, sich gegen die römische Autorität aufzulehnen.
In wenigen Fällen erlaubten die Römer, dass die Leichname von den Angehörigen abgenommen wurden, um sie zu bestatten. Meist jedoch wurden die Gekreuzigten dem Verwesungsprozess überlassen und/oder von wilden Tieren gefressen.

Es gibt historische Berichte darüber, dass wohlhabendere Familien manchmal Bestechungsgelder zahlten, um die Leichname ihrer Angehörigen zurückzuerhalten und sie angemessen zu bestatten.
In anderen Fällen wurden die Überreste einfach in Massengräbern entsorgt. Die Behandlung der Leichname nach der Kreuzigung variierte, aber sie diente immer dem Zweck, eine besonders demütigende und abschreckende Wirkung auf die Bevölkerung zu erzielen.
Was geschah mit der Leiche Jesu am Kreuz?
Die Darstellungen darüber, was mit dem Leichnam Jesu nach der Kreuzigung geschah, können wir nur den Evangelien entnehmen. Der angebliche Ort der Beilegung Jesus nach seiner Kreuzigung wurde übrigens durch die Errichtung der Grabeskirche angegeben.
Wie an anderen neuralgischen Stellen der Jesusgeschichte auch, variieren diese Stellen in den vier Evangelien des Neuen Testaments. Hier ist eine Zusammenfassung der entsprechenden Passagen:
Matthäus
Nach Matthäus 27:57-66 wird der Leichnam Jesu von einem reichen Mann namens Josef von Arimathäa genommen und in ein neues Grab gelegt. Ein großer Stein wird vor den Eingang des Grabes gerollt, und es wird von einer Wache gesprochen, die am Grab aufgestellt wurde, um es zu bewachen.
Markus
Markus 15:42-47 berichtet, dass Josef von Arimathäa den Leichnam Jesu vom Kreuz nahm und in ein Grab legte. Ein großer Stein wurde vor den Eingang gewälzt, um das Grab zu verschließen.
Lukas
Lukas 23:50-56 beschreibt, wie Josef von Arimathäa den Leichnam Jesu vom Kreuz nahm, in ein neues Grab legte und den Eingang mit einem Stein versiegelte. Frauen, die Jesus folgten, beobachteten dies und bereiteten Gewürze und Salben vor.
Johannes
Nach Johannes 19:38-42 wird der Leichnam Jesu von Josef von Arimathäa und Nikodemus genommen, mit wohlriechenden Gewürzen und Leinenbinden umwickelt und in ein neues Grab gelegt. Dies geschah nahe dem Ort der Kreuzigung.
Jesus am Kreuz: Kontroverse Interpretationen
Ist das Kreuz authentisch?
Es gibt kein physisches Kreuz, an dem Jesus geschlagen wurde, das heute noch existiert oder zweifelsfrei identifiziert werden kann. Die Kreuzigung Jesu wird in den Evangelien des Neuen Testaments beschrieben, aber der Verbleib des Kreuzes selbst wird nicht dokumentiert.

In der Geschichte wurden Reliquien, die mit der Passion Jesu in Verbindung stehen sollen, verehrt (zum Beispiel das Turiner Grabtuch oder die „Heilige Lanze“). Es gab Behauptungen über das Auffinden von Teilen des Kreuzes oder Nägeln, die bei der Kreuzigung verwendet wurden.
Ein weiteres bekanntes Beispiel ist das sogenannte Heilige Kreuz, das im 4. Jahrhundert von Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin, in Jerusalem entdeckt worden sein soll. Konstantin kennen wir vom Konzil von Nizäa.

Teile davon wurden als Reliquien in verschiedenen Kirchen aufbewahrt.
Jesus am Kreuz und die Religionsphilosophie
Wie beeinflusst die Darstellung von Jesus am Kreuz die Religionsphilosophie? Welche Fragen wirft sie auf und welche Antworten werden in der philosophischen Diskussion präsentiert?
Jesus am Kreuz in der öffentlichen Debatte
In der öffentlichen Debatte wird das Bild von Jesus am Kreuz oft kontrovers diskutiert. 1995 kam es beispielsweise zum sogenannten Kruzifix-Urteil oder Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Kern des Anstoßes: Jesus am Kreuz.
Gemäß dem Kruzifix-Beschluss hat das BVerfG entschieden, dass das Anbringen von Kruzifixen in Klassenzimmern öffentlicher Schulen in Bayern nicht grundsätzlich gegen die Verfassung (Grundgesetz) verstößt. Die Richter argumentierten, dass die Tradition und kulturelle Identität Deutschlands von den Werten des Christentums geprägt seien, und dass das Kreuz als Symbol auch eine kulturelle und geschichtliche Bedeutung habe.
Allerdings betonte das Gericht, dass das Anbringen von Kruzifixen nicht dazu dienen dürfe, den Schülern eine religiöse Botschaft zu vermitteln oder sie zu missionieren. Vielmehr müsse sichergestellt werden, dass die religiöse Neutralität des Staates in Bezug auf die Schüler respektiert werde. Dies bedeutet, dass das Kreuz nicht als religiöses Symbol in einem missionarischen Kontext verwendet werden darf.
Der Kruzifix-Beschluss führte zu kontroversen Diskussionen über die Trennung von Religion und Staat in Deutschland sowie über die Frage der Religionsfreiheit. Es ist ein wichtiger rechtlicher Präzedenzfall in Bezug auf die Darstellung religiöser Symbole in öffentlichen Einrichtungen.
Jesus am Kreuz: Perspektiven
In einer sich wandelnden Welt stehen auch traditionelle Symbole vor neuen Herausforderungen. Wie interpretieren moderne Künstler und Denker das Bild von Jesus am Kreuz? Welche neuen Perspektiven eröffnen sich für die Zukunft?
Offensichtlich ist: Solange es Christen gibt, wir die Figur des gekreuzigten Jesus das öffentliche Leben weiter begleiten. Denn die Kreuzigung symbolisiert im Christentum die Opferliebe und Erlösung von Sünden durch das Opfer Jesu.
Die historischen Beweise werden auch in Zukunft von Skeptikern und Atheisten gefordert werden. Und diese Forderungen werden weiterhin unerfüllt bleiben: Die Beweise für die Kreuzigung Jesu gibt es nicht. Ihre zukünftige Entdeckung wäre nichts weniger als eine Weltsensation.
Das Bild von Jesus am Kreuz wird also auch weiterhin ethische, kulturelle und gesellschaftliche Aspekte in unterschiedlichem Maße beeinflussen.
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