Wer oder was sind Nephilim?
Das hebräische Wort „Nephilim“ (נְפִילִים) steht für „Riesen“. Diese sind Teil der antiken israelitischen Mythologie. Ihre Überlieferung finden wir im Alten Testament (Tanach).
Die Nephilim erweitern die Liste jener biblischen Figuren und Geschichten, die mehr Fragen aufwerfen, als sie Antworten geben.
Die rätselhaften Nephilim sind mysteriöse Wesen, die in den alten Texten als „Riesen“ oder „Gefallene“ beschrieben werden.
- Aber wer waren die Nephilim genau?
- Gab es sie wirklich?
- Und warum regen sie bis heute die Fantasie an?
Die Nephilim: kurzer Auftritt mit großer Wirkung
Die Nephilim werden in der Bibel nur an wenigen Stellen des Alten Testaments erwähnt, hauptsächlich in 1. Mose 6:1–4.
Dort heißt es, dass die „Söhne Gottes“ mit den „Töchtern der Menschen“ Kinder zeugten – und aus dieser Verbindung die Nephilim entstanden.
(1) Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden,
(2) da sahen die Gottessöhne, wie schön die Töchter der Menschen waren, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten.
(3) Da sprach der HERR: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn er ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertzwanzig Jahre.
(4) Es waren Riesen zu den Zeiten und auch danach noch auf Erden. Denn als die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen. Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.
Einheitsübersetzung (Quelle)
Die Nephilim entstehen also angeblich durch die Kreuzung göttlicher Wesen mit Menschenfrauen. Das wirft natürlich eine Menge Fragen auf.
Einige Übersetzungen sprechen von „Riesen“, andere deuten sie aber als „Gefallene“. Dies hat dazu geführt, dass einige Apologeten sie als gefallene Engel interpretieren. Ihre Präsenz wird als mächtig und ehrfurchtgebietend beschrieben, doch die Bibel bleibt vage.
Eine weitere Erwähnung findet sich in 4. Mose 13:33, als Kundschafter das Land Kanaan untersuchen und dort Nachkommen der Nephilim finden.
(32) Und sie brachten über das Land, das sie erkundet hatten, ein böses Gerücht auf unter den Israeliten und sprachen: Das Land, durch das wir gegangen sind, um es zu erkunden, frisst seine Bewohner, und alles Volk, das wir darin sahen, sind Leute von hohem Wuchs.
(33) Wir sahen dort auch Riesen, Anaks Söhne aus dem Geschlecht der Riesen, und wir waren in unsern Augen klein wie Heuschrecken und waren es auch in ihren Augen.
Einheitsübersetzung (Quelle)
Im Buch Josua wird der Kampf der Israeliten gegen die Amurriter beschrieben. Deren König, Og, soll der letzte der Riesen gewesen sein. Angeblich war sein Bett 4 x 2 Meter groß.
Dazu das Gebiet des Königs Og von Baschan, der noch von den Riesen übrig geblieben war und in Aschtarot und Edreï wohnte.
Josua 12,4
Die Nephilim im Buch Henoch und Gigantenbuch
Abgesehen von diesen wenigen Hinweisen in der Bibel finden sich noch ein paar Erwähnungen in Apokryphen wie dem „Buch Henoch“.

Mit dem Gigantenbuch ist den Nephilim sogar eine eigene apokryphe Schrift gewidmet, deren Fragmente sich unter den Schriftrollen vom Toten Meer befanden.

Deutungen der Nephilim: Engel, Göttersöhne, Aliens?
Religiöse und pseudowissenschaftliche Deutungen haben die Nephilim zu einer Art Mythos gemacht.
Einige Interpretationen sehen in ihnen die Nachkommen von Engeln, die sich gegen Gott auflehnten, während andere sie als hybride Wesen zwischen Menschen und Göttern darstellen. Diese Ideen sind allerdings ebenso faszinierend wie problematisch.
Warum? Weil die biblischen Texte selbst keine einheitliche Erklärung liefern, alles bleibt Spekulation.
Sind die Nephilim tatsächlich Engel, wie viele glauben? Oder handelt es sich um Herrscher, wie es einige theologische Strömungen nahelegen? Oder gar um Außerirdische, wie manche Leute ernsthaft glauben?

Wer sind die „Söhne Gottes“, von denen die Nephilim abstammen?
Die „Söhne Gottes“, die in 1. Mose 6:1–4 erwähnt werden, sind eine der rätselhaftesten Figuren der Bibel. Ihre Identität wird nicht direkt erklärt, was zu unterschiedlichen Interpretationen geführt hat. Sie tauchen auch sonst im biblischen Kontext nicht mehr auf und spielen keinerlei Rolle mehr.
Im Wesentlichen gibt es drei Hauptdeutungen:
1. Engel
Eine weit verbreitete Interpretation, besonders in jüdischen und frühchristlichen Traditionen, ist, dass die „Söhne Gottes“ Engel waren, die sich gegen Gott auflehnten.
Dieser Gedanke wird durch Texte wie das Buch Henoch gestützt, das nicht in die biblische Kanon aufgenommen wurde, aber die Geschichte von Engeln erzählt, die mit Menschenfrauen Kinder – die Nephilim – zeugten (Verkaufslink zum Buch siehe oben).
Diese Sichtweise scheint die übernatürliche Herkunft der Nephilim zu stärken, hat aber ein theologisches Problem: Engel sind laut den meisten Bibelstellen geschlechtslos.

2. Menschenherrscher oder adlige Eliten
Eine andere Interpretation sieht die „Söhne Gottes“ als menschliche Herrscher oder Adlige, die sich über die „Töchter der Menschen“ erhoben und durch polygame oder unterdrückerische Beziehungen Nachkommen zeugten.
In diesem Fall wären die Nephilim mächtige Krieger oder Anführer gewesen, aber keine übernatürlichen Wesen.
3. Anhänger der frommen Linie Seths
Einige Theologen interpretieren die „Söhne Gottes“ als Nachkommen von Seth, dem dritten Sohn Adams, die sich mit den „Töchtern der Menschen“ – der gottlosen Linie Kains – vermischten.
In diesem Modell sind die Nephilim eine Folge der Vermischung von „Gläubigen“ und „Ungläubigen“, was symbolisch für die moralische Korruption vor der Sintflut stehen könnte.
Schon die antiken Autoren waren sich offenbar nicht einig – ein Hinweis darauf, dass die Geschichte nicht auf Fakten, sondern auf Fantasie beruht (falls ein solcher Hinweis überhaupt nötig ist).
Jede Deutung bringt ihre eigenen theologischen und textlichen Probleme mit sich. Die vage Sprache und die mythologische Überlagerung zeigen zudem, dass es sich eher um einen Versuch handelt, kulturelle Mythen der Zeit in den biblischen Kontext zu integrieren, als um eine historisch oder spirituell präzise Offenbarung.

Was sagt die Wissenschaft zu den Nephilim?
Aus historischer Perspektive lassen sich die Nephilim in den Kontext der Mythologie des Alten Orients einordnen. Geschichten von Riesen und Halbgöttern waren in benachbarten Kulturen weit verbreitet.
Die Sumerer hatten ihre Anunnaki, die Griechen ihre Titanen, und auch in den Erzählungen der Kanaaniter finden sich ähnliche Motive.
Die Bibel scheint diese Vorstellungen aufgenommen und in ihren eigenen Kosmos integriert zu haben.
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Doch anders als in der Wissenschaft, wo Mythen symbolisch interpretiert werden, versuchen gläubige Kreise oft, die Nephilim buchstäblich zu erklären.
Von angeblichen archäologischen Beweisen bis hin zu Verschwörungstheorien über „Riesen-DNA“ – die Grenzen des Rationalen werden hier großzügig überschritten.
Archäologische Nachweise der Nephilim?
Ja? Nein.
Archäologische Nachweise für Nephilim gibt es natürlich nicht.
Wenn es um archäologische Nachweise für die Nephilim geht, gleicht die Suche einer Schatzsuche ohne Schatzkarte – oder schlicht einem Hirngespinst. Trotz Jahrtausenden von Ausgrabungen auf biblischem Boden gibt es keinerlei Beweise für die Existenz dieser angeblich „mächtigen Männer der Vorzeit“.
Keine Skelette, keine Waffen, keine Festungen, keine 4 x 2 Meter großen Betten, die auf übermenschliche Wesen hindeuten.
Stattdessen bleibt uns eine Menge Märchenstoff, der von gigantischen Wesen schwärmt, die irgendwann wie Nebel in der Geschichte verschwanden.
Aber es gibt doch Fotos von Nephilim-Skeletten im Internet!
Es gibt von so gut wie Allem Fotos im Internet, besonders, seit es Künstliche Intelligenzen für die Bilderstellung gibt. Und es gibt den guten alten Photoshop.
Wenn Hobby-Archäologen oder Verschwörungstheoretiker Fotos von angeblich riesigen Schädeln präsentieren, entpuppen die sich bei genauerem Hinsehen stets als Photoshop-Meisterwerke.

Ein berühmt gewordenes Beispiel für in gefälschtes Nephilim-Bild ist ein viral gewordenes, digital bearbeitetes Foto, das ursprünglich ein Beitrag zu Fotobearbeitungs-Wettbewerb eingereicht wurde. Die ganze verrückte Story findest du hier.
Fazit: Es gab keine Riesen. Die Nephilim bleiben in der Welt der Fantasie – ein Paradebeispiel dafür, wie religiöse Mythen und ihre Anhänger ins Leere greifen, wenn sie von der Realität geprüft werden.

Selbst die Deutsche Bibelgesellschaft ist der Ansicht, der Begriff „Nephilim“ leite sich wahrscheinlich von einer Gattungsbezeichnung ab und erwähnt in diesem Zusammenhang die Emiter als „hochgewachsenes Volk“.
Demnach würde Nephilim lediglich einen gefallenen oder verstorbenen Krieger mit hohem Körperwuchs bedeuten.
„In Anlehnung an diese Überlegungen, könnte es jedenfalls sein, dass auch mit den Nephilim hochgewachsene, heldenhafte Gestalten der Vergangenheit gemeint sind, die längst gestorben sind.“
Quelle
Die Nephilim: Ein Argument gegen göttliche Inspiration
Was sagt uns die Geschichte der Nephilim über die Bibel als Ganzes?
Sie zeigt, wie stark der Text von seiner Umgebung beeinflusst wurde. Die Autoren des Alten Testaments schöpften offensichtlich aus den Mythen ihrer Zeit, ohne klare, konsistente Botschaften zu formulieren.

Das Konzept der Nephilim widerspricht der Idee einer allwissenden göttlichen Inspiration.
Warum sollten göttliche Wesen oder ihre Nachkommen so beiläufig und widersprüchlich dargestellt werden? Und warum lässt sich ihre Existenz in keiner Weise belegen?
Nephilim-Märchenstunde
Die Nephilim mögen für Fans von Mystery und Fantasy faszinierend sein, in der Wirklichkeit gibt es keine Spur von ihnen.
Die widersprüchlichen Beschreibungen, der mythologische Ursprung und der Mangel an wissenschaftlichen Beweisen sprechen eine klare Sprache: Die Nephilim sind (wie die biblischen Widersprüche) ein weiterer Beweis dafür, dass die Bibel keine göttlich inspirierte Wahrheit, sondern eine Sammlung von Geschichten ist, die sich in ihrer Zeit und Kultur verorten lassen.
Und seien wir ehrlich: Wenn Riesen mit übernatürlichen Kräften wirklich einmal die Erde bevölkert hätten – hätten sie sich nicht ein eindrucksvolleres Vermächtnis erschaffen, als eine paar kryptische Verse in der Bibel?
Weiterführende Nephilim-Literatur
Normalerweise verlinke ich einigermaßen ernsthafte Literaturvorschläge. Da dies beim Thema Nephilim außer den oben bereits verlinkten Büchern nicht möglich ist, habt ihr hier zwei ziemlich exotische Titel.
Vielleicht ist auch ja mal über die Feiertage langweilig oder so.
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