Ursprung von Weihnachten

Der Ursprung von Weihnachten

Der 24. Dezember ist „Heiligabend“ – danach folgen die beiden Weihnachtsfeiertage am 25. und 26. Dezember. Diese Termine stehen so felsenfest im Kalender christlicher Gläubiger wie der Petersdom in Rom.

Entsprechend denken auch die meisten, der Ursprung von Weihnachten sei durch und durch christlich. Als würden wir seit dem Jahr 0 am 25. Dezember die Geburt Jesu feiern.

Doch dieser Eindruck ist ein Produkt geschickter kirchlicher Geschichtserzählung, nicht historischer Fakten. Schaut man genauer hin, zeigt sich: Weihnachten entstand aus einer Mischung politischer Zweckmäßigkeit, theologischer Nachrüstung und einer gehörigen Portion heidnischer Festkultur. Die christliche Variante ist im Grunde ein Patchwork aus älteren Ritualen, das erst spät religiös überhöht wurde.

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Der historische Ursprung von Weihnachten

Schon die Frage nach dem Geburtstag Jesu führt ins Leere: Die Bibel schweigt sich über das Geburtsdatum Jesu nämlich aus. 

Probleme beim angeblichen Geburtsdatum Jesu

Die Evangelien enthalten dazu keine Angabe, kein Datum, nicht einmal ein Jahreszeit-Hinweis, der über Hirten „auf dem Feld“ hinausgeht. 

Was übrigens eher für Frühjahr oder Herbst spräche, denn auch in der Region um Bethlehem beginnt im Winter (ungefähr November bis März) die Regenzeit, begleitet von kälteren Temperaturen, Wind und gelegentlichem Frost.

Unter diesen Bedingungen war es damals üblich, die Schafe nachts in schützende Ställe oder geschlossene Koppeln in der Nähe der Dörfer zu bringen, um sie vor Kälte und Wetter zu schützen. Die Praxis, dass Hirten Tag und Nacht mit ihren Herden auf den offenen Feldern Wache hielten, war typisch für die wärmeren Monate, etwa vom Frühjahr bis zum Herbst, wenn die Tiere draußen Nahrung fanden und die Nächte mild waren.

Probleme beim angeblichen Geburtsjahr Jesu

Auch beim angeblichen Geburtsjahr gibt es so einige Probleme. Judäa war ein römischer Klientelstaat unter König Herodes dem Großen. Herodes der Große starb im Jahr 4 v. Chr. – wissen wir aus römischen Quellen.

Das Matthäus-Evangelium datiert Jesu Geburt in die Zeit Herodes des Großen (spätestens Frühjahr 4 v. Chr.), um die Geschichte vom Kindermord in Bethlehem zu verorten (siehe dazu auch den Beitrag „heilige Drei Könige“ oder hier einen Beitrag von Prof. Brodersen). 

Kaspar, Melchior und Balthasar: Heilige drei Könige
Bei der Story mit den drei „Königen“ gibt es auch so einige Probelme

Das Lukas-Evangelium datiert die Geburt zur Zeit einer römischen Volkszählung unter dem Statthalter Quirinius (frühestens 6 n. Chr.), nachdem Herodes Archelaos (Sohn und Nachfolger Herodes des Großen) abgesetzt und Judäa zur Provinz wurde.

Die Evangelien liefern also zwei unterschiedliche Zeitpunkte, die mindestens ein Jahrzehnt auseinanderliegen. Man tendiert heute eher dazu, die Geburt Jesu einige Jahre v. Chr. zu datieren.

Die frühe Kirche interessierte sich aber gar nicht groß für Jesu Geburt, sondern für Tod und Auferstehung; Weihnachten und das genaue Geburtsdatum des „Erlösers“ spielten dabei schlicht keine wichtige Rolle. Kirchenvater Clemens von Alexandria hält eine genaue Datierung sogar für übertrieben:

„Manche wollen mit übertriebener Genauigkeit bei der Geburt unseres Heilands nicht nur das Jahr, sondern auch den Tag angeben; sie setzen die Geburt in das 28. Jahr des Augustus, und zwar auf den 25. Pachon.“

Clemens von Alexandrien (Quelle)

Das änderte sich erst, als das Christentum gesellschaftlichen Einfluss bekam und einen eigenen Festkalender brauchte.

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Warum ausgerechnet der 25. Dezember?

Der 25. Dezember taucht erst ab dem 4. Jahrhundert in christlichen Quellen auf. Die Entscheidung war offenkundig nicht theologisch, sondern praktisch: Denn einige populäre Feiern lagen bereits rund um das Datum, so etwa die Saturnalien oder die Feier für den römischen Sonnengott Sol Invictus (mehr dazu gleich). 

Frühe Christen: Geburt Jesu zunächst völlig unbedeutend

Für die ersten Christen war Jesu Geburt theologisch nebensächlich. Paulus erwähnt sie kaum, die ältesten Evangelien ignorieren sie komplett. 

Erst spätere Generationen begannen, ausführliche Kindheitsgeschichten zu konstruieren, um Jesu Bedeutung ihm quasi schon in die Wiege zu legen.

Vorchristliche Winterfeste: von Sonnenwenden und Sonnengöttern 

Die Zeit um die Wintersonnenwende war in vielen Kulturen eine Phase des Übergangs, der Hoffnung und der rituellen Ausschweifung. Man feierte das Ende des Winters und vertrieb seine „Geister“, um dem nahenden Frühling den spirituellen Dünger zu geben. 

Wintersonnenwende Weihnachten
Die Wintersonnenwende liegt auf dem 21. oder 22. Dezember (Bild: Horst Frank, CC BY-SA 3.0)

Lange vor Weihnachten brannten also Feuer, wurden zur Zeit der Wintersonnenwende Tiere geschlachtet und Götter gefeiert.

Das Christentum hat sich also nicht gegen heidnische Feste durchgesetzt – es hat sie absorbiert. Das kennen wir übrigens auch von den Bräuchen rund um Ostern.

Sol Invictus – der „unbesiegte Sonnengott“

Doch wie ging sowas genau? Wie übernimmt man einen Feiertag?

Sehen wir uns das an einem Beispiel: Das Fest des Sol Invictus am 25. Dezember feierte die Wiederkehr des Lichts, die „neue Sonne“. Der Beleg für den 25. Dezember als Geburtstag des römischen Sonnengottes stützt sich primär auf spätantike römische Dokumente.

Genannt seien hier der Kalender des Philocalus, die „Hymne auf den König Helios“ des Julian Apostata (Kaiser Julian) und Censorinus (238 n. Chr.) mit seinem Werk De Die Natali.

Zudem erfolgte am 25. Dezember 274 n. Chr. die Tempelweihe für Sol Invictus auf dem Marsfeld in Rom durch Kaisr Aurelian.

Allerdings ist es in der Forschung nach wie vor umstritten, wie schlüssig diese Hinweise sind.

Sol invictus/Geburt Jesus Weihnachten
Eine antike Darstellung des „Sol invictus“

Der Sonnengott stand jedenfalls für Macht, Stabilität und kosmische Ordnung. Sol erfreute sich ab etwa dem 2. Jahrhundert nach Christus sehr großer Beliebtheit, die auf einen noch älteren Kult des Sonnengottes Sol indiges zurückgeht.

Seine Stellung im römischen Götterkosmos war so außergewöhnlich, dass sie teils als henotheistisch beschrieben wird. 

Die frühe Kirche in Rom entschied sich bewusst dafür, dieses populäre heidnische Datum zu übernehmen. Sie interpretierte die „Geburt der Sonne“ symbolisch um – in die „Geburt Jesu“ als das „Licht der Welt“.

Und was wäre für die frühchristliche Kirche naheliegender, als die Geburt Christi mit einem bestehenden Großevent zusammenzulegen, der an den extrem populären Sol invictus angeflanscht war?

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Sol invictus - Die Ausbreitung orientalischer Religionen im römischen Kaiserreich
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Der Aufstieg des Sol Invictus zum römischen Reichsgott und dessen Auswirkungen - ein Überblick
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Indem sie ein bereits etabliertes, beliebtes Fest nutzte, machte sie den Übergang für die heidnische Bevölkerung einfacher und das neue christliche Fest schneller akzeptiert. 

Sogar die Bilder ähneln einander: Sol wurde oft mit einer Gloriole dargestellt, also einer Art Heiligenschein. Von den frühchristlichen Darstellungen des Jesus sind diese Abbildungen kaum zu unterscheiden. 

Sol invictus jesus meme
Kaum zu unterscheiden: Sol invictus und Jesus

Das Datum 25. Dezember übernahm man also von Sol invictus. 

Die Rolle Konstantins

Kaiser Konstantin der Große galt als großer Anhänger des Sol invictus. Er bereitete aber mit dem Konzil von Nicäa den Weg dafür, dass sich das Römische Reich dem Christentum zuwandte. Man kann dies unter anderem durch die damalige Prägung von Münzen gut nachvollziehen: 

Kaiser Konstantin der Große war nach der Überwindung seines Gegners Maximian im Jahr 310 ein besonders eifriger Verehrer des Sol invictus, den er anscheinend mit Apollo gleichsetzte. (…) Seine Münzprägung lässt seine enge Verbindung mit dem Gott erkennen. Nach seinem Sieg über den Usurpator Maxentius in der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 verwendete Konstantin weiterhin Sonnen-Motive, ersetzte aber die traditionelle religiöse Terminologie durch eine unbestimmtere. So hob er auf seinem Triumphbogen den Sol invictus noch bildlich hervor, nahm aber in der Inschrift des Bogens nicht namentlich auf ihn, sondern nur auf eine namenlose „Gottheit“ (divinitas) Bezug. Unter dieser Gottheit konnte Sol, aber auch die oberste Gottheit der neuplatonisch orientierten Philosophen oder der Gott der Christen verstanden werden. Nach dem Sieg über den Rivalen Licinius im Jahr 324 und der Erringung der Alleinherrschaft endete die Prägung von Sol-Münzen weitgehend; die letzte überlieferte Sol-Münze stammt aus dem Jahr 325.

Quelle: Wikipedia

Aber die Wintersonnenwende ist doch vor dem 25. Dezember? 

Heute schon. Damals nicht.

Seit 43 v. Chr. und der Einführung des julianischen Kalenders (nach Julius Cäsar) lag die Wintersonnenwende auf dem 25.12. 

Erst 1582 passte Papst Gregor XIII. den Kalender an die tatsächliche astronomische Sonnenwende an (gregorianischer Kalender) und verlegte diese auf den 21. Dezember (während Weihnachten weiterhin am 25. gefeiert wurde).

Saturnalia – die ausgelassenen römischen Umkehrfeste

Noch sowas: Die Saturnalia waren Festtage zu Ehren des römischen Saturn, des Gottes der Aussaat und des Ackerbaus.

Sie waren alles andere als fromm: Rollenwechsel, Trinkgelage, Schenkrituale, gesellschaftliche Umkehr – ein Art antiker Winterkarneval. 

Die Saturnalien begannen am 17. Dezember und dauerten mehrere Tage. Sie galten als die populärste und fröhlichste Feierlichkeit im antiken Rom. 

Zum Ritual gehört es unter anderem, die eigenen Sklaven zu bewirten und sich reichhaltig zu beschenken. Interessanterweise finden sich Schenken und familiäre Feiern heute in nahezu identischer Form im Weihnachtsfest wieder, nur eben mit „kirchlicher“ Verpackung.

Tempel des Saturn / Ursprung Weihnachten
Die Überreste des Saturn-Tempels sind in Rom noch heute sichtbar. (Bild: Berthold Werner)

Germanische und keltische Mittwinterbräuche (Julfest)

Im Norden prägten Julfeuer, Immergrün, Opfer und Festgelage den Mittwinter. 

Vieles davon – Kerzen, Tannen, Räucherrituale – lebt in unseren Weihnachtsbräuchen weiter, nur ohne heidnische Götter im Hintergrund. Ähnliches kennen wir auch von Ostern

Die christliche Übernahme

Um ein eigenes Fest zu etablieren, nutzte die Kirche also bestehende kulturelle Rituale. Sie ersetzte deren Bedeutung, nicht deren Form – eine altbewährte Strategie religiöser Anpassung.

Christianisierung durch Terminwahl: Warum 25.12. strategisch genial war

Indem die Kirche ein populäres Datum besetzte, brauchte sie den Menschen keine neuen Gewohnheiten aufzuzwingen. 

Man feierte einfach weiter – nur mit einem neuen Etikett.

Theologische Neudeutung: Vom Sonnenkult zum „Licht der Welt“

Theologisch wurde Christus zum „wahren Licht“, das Sol Invictus ersetzte.

In Predigten des 4. Jahrhunderts taucht ein deutlicher rhetorischer Kniff auf: Die Kirche deutete Sonnenmetaphern konsequent um. Wo einst die Sonne siegte, siegte nun Jesus. Ein klassisches Beispiel religiöser Reframing-Technik.

Politische Motive der römischen Kirche

Weihnachten half, die christliche Identität im Imperium zu festigen. Eine Religion, die eigene Feste etabliert, markiert kulturelle Hoheit. Das Fest war weniger spirituelle Feier als politisches Statement: „Wir sind jetzt die Norm.“ Konstantin tat im Konzil das seine und ebnete den Weg.

Konzil von Nizäa
Konstantin der Erste spricht 325 vor dem Konzil von Nizäa (Symbolbild)

Sein Nachfolger Theodosius I. erhob das Christentum zur Staatsreligion des Römischen Reiches.

Das Edikt von Thessaloniki (380) und nachfolgende Gesetze (391/392) zur Staatsreligion des Römischen Reiches machte das nizänische Christentum zur einzigen erlaubten Religion.

Heidnische Kulte wurden verboten, Tempel geschlossen und sogar die Olympischen Spiele untersagt. Ab jetzt war es also offiziell auch verboten, dem Sonnengott zu huldigen. Trotzdem ist bis ins fünfte Jahrhundert überliefert, dass Sol weiterhin Anhänger hatte.

Wie aus heidnischen Symbolen christliche Traditionen wurden

Viele heutige Bräuche haben mit Jesus ungefähr so viel zu tun wie der Osterhase mit der Auferstehung. Sie sind Überreste alter, paganer Rituale – christlich umdekoriert.

Immergrün als Symbol des Lebens im Winter, Kerzen als Hoffnung in dunkler Zeit, Geschenke als soziale Bindung – alles vorchristliche Motive. Die Kirche taufte sie um, ohne sie zu ersetzen.

Warum viele Bräuche erst im Mittelalter erfunden oder umgedeutet wurden

Der moderne Weihnachtsbaum entstand im Spätmittelalter, Geschenktraditionen wurden regional völlig unterschiedlich angepasst, und das Krippenspiel ist eine mittelalterliche Theatererfindung. Weihnachten ist ein kulturelles Patchwork aus vielen Jahrhunderten.

Weihnachten Jesus geboren

Daher ist es doppelt ironisch, wenn das Fest nun von selbsternannten „Rettern des Abendlandes“ als vermeintlicher Ankerpunkt kultureller Identität bemüht wird.

Denn nur durch die Überschreibung der bereits vorhandenen Praktiken konnte sich „Weihnachten“ überhaupt etablieren. 

Feiertag: Die Bedeutung unserer christlichen Feste
Überblick über christliche Feiertage
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Moderne Perspektive auf den Ursprung Weihnachtens: We don’t care

Heute ist Weihnachten ein Hybrid aus Religion, Folklore, Familienfest und Konsumorgie. Die wenigsten wissen, wie es entstanden ist – und kaum jemand stört sich daran.

Selbst für viele Christinnen und Christen ist Weihnachten weniger ein Fest der Inkarnation als ein Anlass für Gemeinschaft und Nostalgie. Der religiöse Kern ist längst überdeckt.

Die Widersprüche und heidnischen Ursprünge stören kaum jemanden, weil Weihnachten längst ein kulturelles Ritual ist, kein theologisches. Ironischerweise macht gerade das seinen Erfolg aus: Ein Fest, das so flexibel ist, überlebt alles – sogar seine eigene Geschichte.

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Kommentare

2 Antworten zu „Der Ursprung von Weihnachten“

  1. Danke für den interessanten Beitrag.

    Für mich ist es weniger wichtig, ob Jesus am 25. Dezember geboren wurde. Entscheidend ist doch, dass wir seiner Geburt gedenken und darauf hoffen, dass zu Weihnachten jedes Jahr auch etwas von ihm in uns geboren wird.

    1. Danke für deinen Kommentar!

      Das ist eine sympathische, persönliche Sicht – auch wenn sie das Thema etwas verschiebt. Historische Fragen werden ja nicht überflüssig, wenn man sie spirituell umdeutet. Ich wünsche dir schöne Feiertage!

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