Das Autodafé ist eines dieser düsteren Kapitel kirchlicher Vergangenheit, bei dem man sich fragt, wie es je als „Akt des Glaubens“ verkauft werden konnte.
Mal ganz ehrlich: Würde ich einer Organisation angehören, zu deren Vergangenheit das ganz selbstverständliche Verbrennen von Menschen gehört, würde ich mich sehr zurückhalten, anderen Leuten Vorschriften machen zu wollen.

Unter dem Deckmantel göttlicher Gerechtigkeit wurde in Spanien und Portugal eine perfide Mischung aus Gericht, Theater und Hinrichtungsritual inszeniert – ein Spektakel, das sowohl Angst erzeugte als auch die Macht kirchlicher Institutionen demonstrieren sollte.
„Man veranstaltet prunkvolle Autodafés, bei denen man, manchmal vor 200.000 Zuschauern, Menschen massenweise ermordet. Man steckt sie auf ihrem letzten Weg noch unter einen Narrenhut, zwickt sie mit glühenden Zangen, schlägt ihnen zuweilen die rechte Hand ab und singt dann, während sie, je nach Windrichtung, ersticken oder langsam verbrennen: ,Großer Gott, wir loben dich’“.
Karlheinz Deschner
Tituliert wurde das Ganze dann mit dem lateinischen Titel actus fidei, („Urteil über den Glauben“), woraus dann im Spanischen auto de fe wurde.

Der Begriff Autodafé steht sowohl …
- für die Verkündung des Ketzerurteils,
- seine Vollstreckung sowie
- die Verbrennung von Büchern und Schriften der Verurteilten.
Wer heute noch behauptet, Religion sei eine Kraft des Friedens, sollte sich einmal durch die Protokolle dieser öffentlichen Hinrichtungen im Namen des Glaubens lesen – danach stellt sich die Frage nach der „christlichen Nächstenliebe“ auf eine eher ungemütliche Weise neu.
„Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“
Heinrich Heine, 1820
Geschichtliche Einordnung der Autodafé
Das Autodafé war ein strukturiertes Ritual kirchlicher Machtausübung, das tief im politischen und sozialen Gefüge der damaligen Zeit verankert war. Bürger wurden bereits Wochen vorher über das anstehende Spektakel informiert. Man sammelte Juden, Hexen, Ketzer und andere Delinquenten, um eine möglichst große Anzahl von ihnen aburteilen zu können.
Spätestens ab etwa 1550 wurde das Autodafé zu einem festen Bestandteil des städtischen Lebens in Spanien und Portugal. So fanden zwischen 1541 und 1739 alleine in Lissabon 19 Autodafés mit der anschließenden Verbrennung von Menschen statt (Quelle). Autodafés hielten etwas später auch in den amerikanischen Kolonien Einzug.

Ein Autodafé inszenierte Glaubensreinheit als öffentliche Zurschaustellung und richtete sich gezielt gegen Menschen, deren religiöse Überzeugungen – oder angebliche Überzeugungen – nicht ins herrschende Weltbild passten.
Ursprung in der spanischen und portugiesischen Inquisition
Seinen Ursprung nahm das Autodafé im Umfeld der spanischen und portugiesischen Inquisition, die ab dem späten 15. Jahrhundert systematisch Menschen verfolgte, denen man „Irrglauben“ und Häresie unterstellte.

Besonders im Fokus standen Jüdinnen und Juden, die sich nach außen hin hatten taufen lassen, aber im Verdacht standen, heimlich ihre Religion weiterzuleben.
In einem Klima der Paranoia und religiösen Reinheitsphantasien bot das Autodafé die perfekte Bühne, um die Macht der Inquisition zu demonstrieren: öffentlich, einschüchternd und theologisch abgefedert.
Ritualisierung: Beichte, Urteil, Verbrennung
Das Autodafé folgte einer klaren Dramaturgie. Zuerst wurden „Geständige“ zu Schaugeständnissen gedrängt, dann folgte ein Tribunal, das von Beginn an weniger mit Rechtsprechung als mit Machtausübung zu tun hatte.
Das Urteil wurde im Rahmen einer großen öffentlichen Zeremonie – dem eigentlichen Autodafé – verlesen, bei der die Verurteilten in speziellen Bußgewändern („Sanbenitos“) vorgeführt wurden.

Anschließend übergab man die, die nicht abschworen oder „versöhnt“ werden konnten, dem „weltlichen Arm“ – ein perfider kirchlicher Euphemismus für die bevorstehende Verbrennung.
Die Inquisition konnte sich so elegant aus der Verantwortung mogeln, während die Flammen den Rest erledigten. Die Scheiterhaufen wurden meist außerhalb des Versammlungsortes errichtet.
Politische Funktionen und soziale Kontrolle
Neben ihrer religiösen Funktion dienten Autodafés als politisches Instrument. Sie stärkten die Autorität von Krone und Kirche, kanalisierten soziale Spannungen und boten dem Publikum eine makabre Mischung aus moralischer Bestätigung und emotionaler Entladung.
Wer einem solchen Spektakel beiwohnte, wurde eindrücklich daran erinnert, was passiert, wenn man sich gegen die Ordnung stellt. Es war weniger ein Akt des Glaubens als ein Mittel öffentlicher Disziplinierung.
Berühmte Autodafés
Autodafés waren keine Randphänomene, sondern prägten über Jahrhunderte die religiös-politische Landschaft. Einige Fälle sind aufgrund ihrer Grausamkeit oder ihrer prominenten Opfer besonders berüchtigt.
Das Autodafé von Lissabon 1649
Das Autodafé von 1649 in Lissabon gilt als eines der größten Spektakel dieser Art. Tausende Zuschauer versammelten sich, um den Verurteilungen und Hinrichtungen beizuwohnen.
Es war ein orchestriertes Ritual der Macht, das demonstrieren sollte, dass das Königreich Portugal religiöse Reinheit über alle individuellen Rechte stellte. Für die Betroffenen bedeutete es das Ende – für die Obrigkeit ein öffentlichkeitswirksames Machtspiel.

Die Hinrichtung von Giordano Bruno
Giordano Bruno, der 1600 in Rom verbrannt wurde, ist das Paradebeispiel dafür, wie Ketzerprozesse gegen freie Denker instrumentalisiert wurden. Sein „Verbrechen“ bestand darin, ein unendlich großes Universum und unzählige Welten zu denken – Ideen, die heute in jedem Physikbuch stehen.
Die Kirche löste das Problem nicht durch Diskussion, sondern durch Feuer. Das Autodafé diente dabei nicht der Wahrheit, sondern der Beseitigung unbequemer Köpfe.

Glaube oder Wissenschaft
Opfergruppen: Juden, „Kryptojuden“, „Ketzer“ und vermeintliche Hexen
Die Opfer des Autodafé stammten aus sehr unterschiedlichen Gruppen: Jüdinnen und Juden, die man der Heuchelei bezichtigte und verdächtigte, nur angeblich konvertiert zu sein, Menschen mit theologischen Abweichungen, Frauen, denen man Hexerei unterstellte, und viele andere, die schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Der Begriff „Häresie“ war dabei ein flexibles Werkzeug – es reichte, irgendjemandem nicht ins religiös-politische Weltbild zu passen.
Kritische Einordnung: Töten im Namen der Religion
Das Autodafé zeigt eindrucksvoll, wie religiöse Institutionen Gewalt als göttlich legitimiert darstellen konnten. Die Mischung aus Theologie, Psychologie und politischer Macht ergibt ein düsteres Bild davon, wie Glaube missbraucht wurde, um Gewalt zu heiligen.
Theologischer Zynismus: Wenn Gewalt als göttlicher Wille verkauft wird
Die Rechtfertigungen der Inquisition klingen aus heutiger Sicht wie zynische Parodien auf Religion: Verbrennung als „Reinigung“ oder Folter als „Seelenrettung“.
Die Täter inszenierten sich als Werkzeuge Gottes und machten die Opfer zu Störfaktoren in einem angeblichen kosmischen Ordnungs- und Heilsplan. Dass diese „Ordnung“ nur den Herrschenden zugutekam, fiel unter theologischen Nebelkerzen schnell unter den Tisch.
Psychologie der Masse: Warum Menschen religiöse Gewalt mittragen
Ein Autodafé war nicht nur eine Hinrichtung, sondern ein soziales Ereignis. In der Masse verschwammen individuelle Verantwortlichkeiten, während religiöser Eifer und Gruppendruck das moralische Empfinden abstumpften.
Die Menschen jubelten, weil alle jubelten – und weil die Alternative drohte, sonst selbst auf der Anklagebank zu sitzen.
Moderne Parallelen: radikale Dogmen und ihre Opfer heute
Man könnte glauben, Autodafés seien ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte – leider zu früh gefreut. Überall dort, wo religiöse Ideologien politische Macht erhalten, entstehen moderne Varianten dieser öffentlichen Glaubensstrafen: von Lynchmobs in Gottes Namen bis zu Staaten, die Blasphemie mit dem Tod bestrafen.

Die Methoden haben sich geändert, die Logik dahinter bleibt gleich. Und wer weiß, wie unsere Welt heute aussehen würde, wenn die Kirche noch könnte, wie sie wollte.

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