Die Mennoniten sind eine christliche evangelische Freikirche, die zur täuferischen Bewegung gehört. Von der katholischen Kirche als auch von den reformatorischen Großkirchen haben die Mennoniten sich abgespaltet.

Mennoniten: der Ursprung der Freikirche liegt im 16. Jahrhundert
Die mennonitischen Wurzeln liegen in der radikalen Reformation des 16. Jahrhunderts. Der zentrale Konfliktpunkt war dabei die Ablehnung der Kindertaufe und der Anspruch, dass echter Glaube eine persönliche, bewusste Entscheidung voraussetzt.
Die Täufer wurden im damaligen Europa massiv verfolgt – sowohl von katholischen als auch von protestantischen Machthabern (siehe auch: Konfessionalismus).
Ihre Betonung von Nachfolge, Gewaltlosigkeit und Gemeindeautonomie war nicht nur theologisch radikal, sondern auch gesellschaftlich explosiv.
Namensgeber: Menno Simons
Namensgeber der Bewegung ist der ehemalige katholische Priester Menno Simons (1496–1561), der sich den Täufern anschloss und sie ab 1536 maßgeblich prägte. Unter seiner Führung wurde aus einer verfolgten, zersplitterten Bewegung eine strukturierte Gemeinschaft mit klarer Lehre, pazifistischem Ethos und starkem inneren Zusammenhalt.

Menno Simons forderte das Leben nach der Bergpredigt, die Ablehnung von Gewalt, die Absonderung von der „Welt“ und eine klare Gemeindedisziplin.
Seine Schriften wurden für die Mennoniten zur verbindlichen Grundlage – eine Art evangelikales Gegenmodell zur staatlich verankerten Reformation Luthers.
Abspaltung von den Täufern
Die Mennoniten sind streng genommen eine Weiterentwicklung der Täuferbewegung – mit eigenem Profil. In Deutschland sind sie die einzige nennenswerte täuferische Gruppe, da diese nach dem Wiedertäufermandat hart bekämpft wurden und sich entweder angepasst haben oder verschwunden sind.
In anderen Ländern gibt es noch weitere täuferische Religionsgemeinschaften, wie etwa die Amish. Die katholische Kirche verstand bei der Wiedertaufe (also der erneuten Taufe eines bereits getauften Menschen) absolut keinen Spaß.
Daß alle und jede Widertaeuffer und Widergetauffte, Mann- und Weibs-Personen, verstaendigs Alters, vom natürlichen Leben zum Tod, mit Feuer, Schwerdt, oder dergleichen, nach Gelegenheit der Personen, ohn vorhergehend der geistlichen Richter Inquisition, gericht und gebracht werden.
Wiedertäufermandat des Reichstags zu Speyer, 1529
Während andere Täufergruppen wie die Hutterer oder später die Amish sich nochmals anders entwickelten, blieb die mennonitische Linie stärker am theologischen Erbe Menno Simons’ orientiert. Die Trennung von der Welt, Wehrlosigkeit und die Gemeinde als verbindliche Lebensgemeinschaft bildeten das Zentrum ihrer Identität.
Bis heute wollen Mennoniten eine bewusste, reflektierte Taufentscheidung, Gemeindeverantwortung und die Trennung von Staat und Kirche – oft auch mit einem kritischen Blick auf Macht, Militär und politische Vereinnahmung.

Glaubensgrundlagen der Mennoniten und theologische Besonderheiten
Wichtig ist den Mennoniten das Prinzip der Nachfolge Jesu (imitatio Christi). Damit ist eine Lebensweise gemeint, die sich so eng wie möglich an Jesus orientiert. Dem Vorbild Jesus will man, soweit es geht, nacheifern. Diesen Auftrag leitet man an einigen Bibelstellen aus dem Neuen Testament ab, die diese Auffassung stützen sollen. Jesus „beruft“ darin die Jünger, ihm zu folgen (zum Beispiel bei Markus 1,16–18).

Ablehnung der Kindertaufe
Einer der fundamentalsten Unterschiede zu den meisten anderen christlichen Kirchen ist die Ablehnung der Kindertaufe. Mennoniten taufen ausschließlich Menschen, die sich bewusst und eigenverantwortlich für den Glauben entschieden haben.
Die Taufe wird nicht als magischer Akt verstanden, sondern als Zeichen der Nachfolge Jesu (s. o.) – verbunden mit einem gelobten Lebenswandel.
Diese Position war im 16. Jahrhundert revolutionär – und ist es für viele etablierte Kirchen bis heute. Die Weigerung, Neugeborene zu taufen, galt früher als staatsgefährdend, weil sie auch die Bindung an die Kirchenordnung und damit an staatliche Machtverhältnisse unterlief.

Gewaltfreiheit und Wehrlosigkeit
Ein zentrales Kennzeichen des mennonitischen Glaubens ist die strikte Gewaltfreiheit. Viele Mennoniten lehnen nicht nur Krieg und Waffen ab, sondern auch jede Form von staatlichem Zwang und richterlicher Gewalt.
Der Gedanke der „Wehrlosigkeit“ (nicht zu verwechseln mit Feigheit) ist ein Bekenntnis zur radikalen Ethik Jesu: Wer geschlagen wird, soll die andere Wange hinhalten.
Dieser Pazifismus führte oft zu Konflikten mit der Umgebung – und zu respektvoller Bewunderung. Mennoniten verweigerten den Kriegsdienst, lehnten politische Macht ab und organisierten ihre Gemeinschaften eigenständig, als friedliche Gegenwelt zur gewaltbereiten Gesellschaft.

Trennung von Kirche und Staat
Mennoniten praktizieren eine konsequente Trennung von Kirche und Staat – aus historischer Erfahrung und theologischer Überzeugung.
Eine staatlich gestützte Kirche galt ihnen als Widerspruch zur Nachfolge Jesu, der selbst unterdrückt wurde und nie zur Macht rief. Die Gemeinde ist für sie kein Verwaltungsorgan, sondern ein verbindlicher Raum gemeinschaftlicher Ethik und gelebten Glaubens.
Diese Haltung führte dazu, dass Mennoniten sich in vielen Ländern bewusst von staatlichen Institutionen fernhielten – mit eigenen Schulen, sozialen Einrichtungen und sogar einem eigenen Rechtsverständnis innerhalb der Gemeinde.
Historische Entwicklung und Migration der Mennoniten
Die Geschichte der Mennoniten ist geprägt von Verfolgung, Flucht und Isolation.
Verfolgung der Mennoniten in Europa
In vielen Teilen Europas galten sie als gefährliche Abweichler – nicht wegen Gewalt, sondern wegen ihrer Gewaltverweigerung. Ihre Ablehnung von Eid, Wehrdienst und Kindertaufe wurde als Subversion betrachtet. Tausende wurden verfolgt, vertrieben oder hingerichtet.
In der Schweiz, den Niederlanden und später auch in Deutschland lebten Mennoniten oft nur in kleinen, abgeschlossenen Gemeinschaften – oder flohen in andere Länder, die ihnen mehr Toleranz gewährten.
Mennonitische Auswanderung nach Nord- und Südamerika
Im 18. und 19. Jahrhundert emigrierten viele Mennoniten nach Nord- und Südamerika, besonders nach Kanada, die USA, Mexiko, Paraguay und Bolivien. Dort erhielten sie oft Land und Religionsfreiheit – im Austausch gegen die Zusicherung, sich nicht in politische Angelegenheiten einzumischen.
In Lateinamerika entstanden besonders konservative Gruppen, die sich bis heute weitgehend von der Außenwelt abschotten, eigene Dialekte (z. B. Plautdietsch) sprechen und moderne Technik ablehnen. Eine solche Gruppe wird in diesem Stern-Beitrag portraitiert. Andere Gruppen entwickelten sich liberaler – je nach Kontext und Migrationsgeschichte.
Mennoniten in Deutschland heute
Auch in Deutschland gibt es bis heute Mennonitengemeinden – allerdings in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Manche sind liberal, weltoffen und ökumenisch aktiv, andere bleiben bewusst konservativ und abgeschottet.
Die Mehrheit ist organisatorisch in der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden (AMG) zusammengeschlossen. Ihre Zahl ist überschaubar – aber ihre Präsenz in Friedensarbeit, humanitärer Hilfe und ethischer Debatte ist bemerkenswert.
Alltag und Lebensstil von Mennoniten
Die Unterschiede im Lebensstil zwischen konservativen und liberalen Mennoniten könnten kaum größer sein. Während liberale Gruppen sich gesellschaftlich einbringen, moderne Kleidung tragen und politische Verantwortung übernehmen, leben konservative Gruppen teils wie im 19. Jahrhundert – mit Pferdekutschen, eigener Kleidung und abgeschotteter Infrastruktur.
Solche Gruppen gibt es etwa in Mexiko oder Paraguay – dort ist das Ideal der Weltabgewandtheit noch spürbar. Moderne Technik, Fernseher oder sogar Elektrizität gelten mancherorts als Gefahr für die geistige Reinheit.
Dieser Beitrag in der ARD-Mediathek berichtet über Mennoiten in Südamerika.
Eigenständige Schulen und Gemeinden
Viele konservative Mennoniten betreiben eigene Schulen, um Kinder vor „weltlicher Beeinflussung“ zu schützen. Der Bildungsstandard variiert – ebenso die Akzeptanz staatlicher Bildungspläne. In liberaleren Gruppen ist das weniger ein Thema; dort steht die Gemeindearbeit im Zentrum, oft mit sozialem oder ökologischem Engagement.
Gemeinden sind meist autonom organisiert – ohne hierarchische Ämter wie Bischöfe oder Päpste. Entscheidungen werden gemeinschaftlich getroffen, oft mit einem ausgeprägten Konsensprinzip. Die Gemeinde ist dabei nicht nur ein Gottesdienstort, sondern Lebensraum.
Rolle von Kleidung und Technik bei konservativen Gruppen
Die Kleidung konservativer Mennoniten ist oft ein Bekenntnis zur Weltabkehr: schlichte, einheitliche Kleider, Kopfbedeckung für Frauen, keine modischen Akzente.
Technik wird je nach Gruppe selektiv genutzt oder ganz abgelehnt – etwa als Schutz vor Individualismus und Zerstreuung. Das Auto, das Handy oder das Internet gelten als Türöffner zur „Weltlichkeit“, die die Gemeinde gefährden könnte.
In liberaleren Gruppen ist solche Symbolik kaum mehr vorhanden. Dort trägt man Jeans, hat Smartphone und WLAN – aber bleibt in der Theologie oft trotzdem tief in der Friedensethik und Gemeindeverantwortung verwurzelt.

Mennoniten im religiösen und gesellschaftlichen Diskurs
Mennoniten galten lange als Außenseiter im christlichen Spektrum – zu fromm für die Aufklärung, zu radikal für die Großkirchen.
Inzwischen haben sich die Beziehungen verbessert. Besonders in ökumenischen Gremien werden die Friedensethik und Basisdemokratie der Mennoniten geschätzt. Dennoch bleibt das Verhältnis zur Staatsnähe anderer Kirchen oft kritisch.
Aktuelle Debatten: LGBTQ, Ökumene, Friedenspolitik
Wie alle Religionsgemeinschaften stehen auch die Mennoniten vor Fragen der Gegenwart: Wie offen ist man für queere Menschen? Wie steht man zu gesellschaftlicher Vielfalt?
Während einige Gruppen sich progressiv öffnen, halten andere an konservativen Auslegungen fest. Auch Themen wie Klimaschutz, Militarisierung und soziale Gerechtigkeit sind Gegenstand innergemeindlicher Auseinandersetzung.
Mennoniten als Vorbild für gelebte Gewaltfreiheit?
In einer Welt voller Gewalt und Polarisierung wird die konsequente Friedensethik der Mennoniten für viele zu einem leuchtenden Gegenmodell.
Statt Kriegstheologie, wie sie in manchen Großkirchen bis heute betrieben wird, setzen Mennoniten auf Versöhnung, Mediation und Gewaltverzicht – nicht aus naiver Weltfremdheit, sondern aus theologischer Überzeugung.
Mennoniten zwischen Tradition und Moderne
Die Mennoniten sind ein faszinierendes Beispiel dafür, wie sich religiöse Überzeugungen in jahrhundertelanger Konsequenz gegen äußeren Druck behaupten können.
Ihre klare Friedensethik, ihre Ablehnung von Zwang und ihre Betonung der Gemeindeautonomie machen sie zu einem Gegenentwurf zur machtpolitischen Kirchengeschichte. Die Spannungen zwischen Modernität und Tradition bleiben aber.
In einer Zeit, in der sich viele Institutionen den Zeitgeist zurechtbiegen, bieten die Mennoniten ein Beispiel für moralische Kohärenz. Ihre Gewaltfreiheit ist nicht dekorativ, sondern tief verankert. Ihre Skepsis gegenüber Autorität kein Misstrauen, sondern ein Ausdruck von Freiheit. Wer wissen will, wie radikale Reformation auch heute noch wirken kann – der sollte sich die Mennoniten genauer ansehen.
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