Die Jungfrauengeburt: Zu den angeblichen Wundern des Neuen Testaments gehört, dass die „Jungfrau“ Maria vom „Heiligen Geist“ geschwängert wurde und daraufhin einen Jungen namens Jesus zur Welt brachte.
Wir sehen uns nachfolgend an, wie die Geschichte der Jungfrauengeburt im Christentum erzählt wird. Wir betrachten aber auch andere Religionen und suchen nach Gemeinsamkeiten.

Definition und historische Ursprünge der Jungfrauengeburt
Begrifflich muss unterschieden werden zwischen der Jungfrauengeburt, von der man in theologischen Kontexten spricht, und der Jungferngeburt (Parthenogenese), die ein Phänomen in der Biologie bezeichnet.
Jungfrauengeburt vs. Jungferngeburt (Theologie vs. Biologie)
Anders als der Mensch sind zahlreiche Tierarten zur eingeschlechtlichen Fortpflanzung in der Lage, darunter Mikroorganismen, Fadenwürmer, Insekten, Milben, Schnecken, Haie, Rochen, dazu einige Schlangen- und Vogelarten.
Bei höheren Säugetieren wurde die Parthenogenese bislang nicht beobachtet und gilt aus schwerwiegenden biologischen Gründen als ausgeschlossen (Quelle).
Definition und historische Ursprünge der Jungfrauengeburt
Im Gegensatz zu den biologischen Konzepten der Jungferngeburt bezeichnet Jungfrauengeburt die Vorstellung, dass eine Frau ohne vorherigen Geschlechtsverkehr ein Kind zur Welt bringt.

Dieses Konzept ist in mehreren religiösen Traditionen zu finden und hat meistens weitreichende theologische und symbolische Bedeutungen. Es werden also nicht Hinz und Kunz von einer Jungfrau geboren, sondern nur Auserwählte.
Entsprechend regelmäßig wurden Jungfrauengeburten als göttliche Eingriffe interpretiert, um die besondere Rolle und Reinheit der betreffenden Person zu betonen. Natürlich fallen uns dabei Jesus und seine Mutter Maria als erstes ein – das Phänomen der Jungfrauengeburten scheint aber gar nicht so selten gewesen zu sein. Zumindest in der Antike.
Jungfrauengeburt im Christentum
Im Christentum ist die Jungfrauengeburt ein zentrales Dogma. Nach den Evangelien des Neuen Testaments, namentlich bei Matthäus und Lukas, wurde Jesus von der Jungfrau Maria geboren, die durch den Heiligen Geist schwanger wurde.
Bösartige Zungen hatten mitunter auch behauptet, Jesu Vater sei ein Legionär namens Panthera gewesen, aber das war vielleicht nur eine üble Nachrede.

Jungfrauengeburt und unbefleckte Empfängnis – nicht dasselbe!
Diese Lehre ist übrigens nicht dasselbe wie die der „unbefleckten Empfängnis“ (lat.: immaculata conceptio). Die unbefleckte Empfängnis bezieht sich auf Maria selbst. Marias Eltern Anna und Joachim hätten Maria, so die katholische Lehrmeinung, „unbefleckt“ empfangen, also ohne Erbsünde. So zumindest die Apokryphen, in denen Anna und Joachim erwähnt werden.
Einzigartig: Maria ist damit der einzige Mensch, der von der „Erbsünde“ ausgenommen war. Diese Unbeflecktheit soll natürlich die göttliche Natur Jesu und die Reinheit Marias stützen.

Die christliche Theologie sieht in der Jungfrauengeburt ein Zeichen für die einzigartige Beziehung Jesu zu Gott und seine Mission als Erlöser der Menschheit.
Jungfrauengeburt im Neuen Testament
Die Jungfrauengeburt Jesu Christi wird in zwei Evangelien des Neuen Testaments beschrieben: dem Evangelium nach Matthäus und dem Evangelium nach Lukas. Diese Erzählungen bilden die Grundlage für das christliche Dogma der Jungfrauengeburt.
An anderen Stellen wird die Jungfrauengeburt nicht erwähnt: Markus, Johannes und auch der „Apostel“ Paulus schweigen darüber.
Jungfrauengeburt nach Matthäus (Matthäus 1:18-25)
- Vers 18: Die Geburt Jesu Christi geschah, als Maria, seine Mutter, mit Joseph verlobt war. Bevor sie zusammenkamen, wurde Maria durch den Heiligen Geist schwanger.
- Vers 19-21: Joseph, der ein gerechter Mann war und Maria nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich heimlich von ihr zu trennen. Ein Engel des Herrn erschien ihm im Traum und erklärte, dass das Kind von Maria durch den Heiligen Geist empfangen wurde. Der Engel sagte Joseph, er solle Maria zu sich nehmen und das Kind Jesus nennen, denn er werde sein Volk von ihren Sünden retten.
- Vers 22-23: Diese Ereignisse werden als Erfüllung der Prophezeiung aus Jesaja 7:14 interpretiert: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben“, was bedeutet: „Gott mit uns.“
- Vers 24-25: Joseph tat, wie ihm der Engel befohlen hatte, und nahm Maria zur Frau. Er kannte sie jedoch nicht, bis sie ihren Sohn gebar, und er nannte ihn Jesus.

Jungfrauengeburt nach Lukas (Lukas 1:26-38)
- Vers 26-27: Der Engel Gabriel wurde von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazareth zu einer Jungfrau namens Maria gesandt, die mit einem Mann namens Joseph aus dem Haus Davids verlobt war.
- Vers 28-30: Der Engel grüßte Maria mit den Worten: „Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir.“ Maria war erschrocken über diese Worte, aber der Engel beruhigte sie und sagte, sie habe Gnade bei Gott gefunden.
- Vers 31-33: Gabriel kündigte an, dass Maria einen Sohn empfangen und gebären werde, den sie Jesus nennen solle. Er werde groß sein und „Sohn des Höchsten“ genannt werden, und Gott werde ihm den Thron seines Vaters David geben. Er werde für immer über das Haus Jakob herrschen, und sein Reich werde kein Ende haben.
- Vers 34: Maria fragte den Engel, wie dies möglich sei, da sie keinen Mann erkannt habe.
- Vers 35: Der Engel erklärte, dass der Heilige Geist „über sie kommen“ und die Kraft des Höchsten sie überschatten werde. Daher werde das Kind, das geboren werde, heilig und „Sohn Gottes“ genannt werden.
- Vers 36-37: Der Engel erzählte Maria auch von der Schwangerschaft ihrer Verwandten Elisabeth, die trotz ihres hohen Alters einen Sohn erwarte. Denn bei Gott sei nichts unmöglich.
- Vers 38: Maria akzeptierte die Botschaft des Engels mit den Worten: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort.“ Darauf verließ der Engel sie.

Der Bericht im Matthäusevangelium wird aus der Perspektive von Joseph erzählt. Die zentrale Figur in dieser Erzählung ist Joseph, der von einem Engel im Traum besucht wird. Es gibt kein persönliches Gespräch zwischen Maria und dem Engel. Matthäus also fokussiert auf Josephs Erfahrung, die Erfüllung der Prophezeiung und die rechtliche und soziale Einordnung der Geburt Jesu in den jüdischen Kontext.
Der Bericht im Lukasevangelium wird aus der Perspektive von Maria erzählt. Lukas legt den Schwerpunkt auf Marias direkte Begegnung mit dem Engel, die göttliche Bestimmung Jesu und ihre persönliche Zustimmung zur göttlichen Mission (Vers 38). Bei Lukas ist Maria die zentrale Figur der Erzählung ist Maria. Sie wird direkt vom Engel Gabriel besucht und es gibt sehr wohl ein persönliches Gespräch zwischen Maria und dem Engel.
„Immerwährende Jungfräulichkeit“ Marias
Die römisch-katholischen Kirche und die orthodoxen Kirchen vertreten zudem die Glaubenslehre, die Jungfräulichkeit Mariens sei „immerwährend“.
Maria war also vor, nach und natürlich auch während der Geburt Jesu Jungfrau. Interessant, denn Jesus hatte angeblich ja auch Geschwister.
Für die wird allerdings keine Jungfrauengeburt beansprucht, auch wenn die „immerwährende Jungfräulichkeit“ Marias dies eigentlich gebieten würde, der Logik nach.
Jedenfalls ist diese Ansicht als Teil der sogenannten Mariologie ein Dogma (das heißt, eine Lehraussage mit unumstößlichem Wahrheitsanspruch).
Jungfrauengeburt im Alten Testament: Jesaja 7:14
Im Alten Testament gibt es eine Passage, die von Christen oft als Hinweis auf die Jungfrauengeburt Jesu interpretiert wird. Diese Passage stammt aus dem Buch Jesaja:
„Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird ihm den Namen Immanuel geben.“
Jesaja 7:14
Dieses Spielchen gibt es zwischen Altem Testament und Neuem Testament häufiger. Weil das AT gewisse Vorhersagen über den zu erwartenden Messias trifft (zum Beispiel Abstammung, Geburtsort oder eben hier die Jungfrauengeburt), muss Jesus diesen Prophezeihungen entsprechen.
So muss eine ganze Menge „harmonisiert“ werden, unter anderem bei Jesaja die Stelle mit Jesu Namen („Immanuel“) und der Geburt durch eine Jungfrau.
„Jungfrau“ vs. „junge Frau“: zur Übersetzung
Das hebräische Wort, das in Jesaja 7:14 mit „Jungfrau“ übersetzt wird, ist „almah“. „Almah“ bedeutet wörtlich „junge Frau im heiratsfähigen Alter“ und impliziert nicht notwendigerweise Jungfräulichkeit. Das hebräische Wort „betulah“ wäre die explizite Bezeichnung für eine Jungfrau. Dieses wird aber nicht verwendet.
Als das Alte Testament im dritten und zweiten Jahrhundert vor Christus als „Septuaginta“ ins Griechische übersetzt wurde, entscheiden sich die Übersetzer allerdings für das Wort παρθένος („parthenos“), was Jungfrau bedeutet. Die Ambiguität des Hebräischen ging dabei verloren. Die Übersetzung hat die christliche Lesart stark beeinflusst.
Im Neuen Testament, speziell im Matthäusevangelium (Matthäus 1:22-23), wird Jesaja 7:14 zitiert und auf die Geburt Jesu Christi bezogen. Die christliche Tradition sieht in dieser Prophezeiung eine Voraussage der Jungfrauengeburt Marias und die Geburt Jesu als Erfüllung dieser alttestamentlichen Prophezeiung. Deswegen gehört die Jungfrauengeburt schon seit dem Frühchristentum zu den Glaubenssätzen: Belegt ist dies seit dem 2. Jahrhundert.
Im Judentum ist das anders: Hier wird Jesaja 7:14 in der Regel nicht als Hinweis auf die Jungfrauengeburt interpretiert. Die jüdische Exegese betrachtet die Passage als eine Prophezeiung, die in der Zeit Jesajas oder kurz danach erfüllt wurde, möglicherweise durch die Geburt eines Kindes, das als Zeichen der Hoffnung und des göttlichen Beistands diente.
Maria und Jesu Empfängnis durch den Heiligen Geist
Über den eigentlichen Vorgang der Empfängnis Jesu erfährt man in den Evangelien nichts.

Jungfrauengeburten in anderen Religionen und Mythen
Hinduismus: Karna
Auch im Hinduismus gibt es Berichte über Jungfrauengeburten. Eine bekannte Geschichte ist die Geburt von Karna, einem Helden im Mahabharata-Epos. Karna wurde von der Jungfrau Kunti geboren, nachdem sie ein Mantra rezitiert hatte, das ihr von einem Weisen gegeben wurde, um einen Sohn zu empfangen.
Buddhismus: Siddhartha Gautama
Im Buddhismus gibt es die Legende von der Geburt Siddhartha Gautamas, des späteren Buddha. Einige Versionen dieser Legende beschreiben, dass seine Mutter Maya ihn ohne normalen Geschlechtsverkehr empfing. Sie träumte von einem weißen Elefanten, der in ihren Schoß eindrang, was als Symbol für die übernatürliche Empfängnis Buddhas gilt.

Altägyptische Religion: Horus
In der altägyptischen Mythologie gibt es ebenfalls Hinweise auf Jungfrauengeburten. Der Gott Horus wurde von der Göttin Isis geboren, nachdem sie den zerstückelten Körper ihres toten Ehemannes Osiris wieder zusammengesetzt hatte.
Jungfrauengeburt im Zoroastrismus
Im Zoroastrismus gibt es die Vorstellung einer Jungfrauengeburt, die in Zusammenhang mit dem erwarteten Erlöser, Saoshyant, steht. Nach der zoroastrischen Tradition wird Saoshyant von einer Jungfrau geboren werden. Diese Jungfrau wird ein Nachkomme von Zarathustra (Zoroaster) sein. Es heißt, dass Zoroasters Samen im Wasser des heiligen Sees Kansa bewahrt wird und die Jungfrau von diesem Wasser trinken wird, wodurch sie schwanger wird.

Griechische Mythologie: Perseus, Dionysos
Danaë, die Mutter von Perseus, wurde von Zeus in Form eines goldenen Regens befruchtet, als sie in einem Turm eingeschlossen war. Dies wird als übernatürliche Empfängnis interpretiert.
In einer der Erzählungen über Dionysos wird seine Mutter Semele von Zeus befruchtet, wobei Zeus in seiner wahren Form erscheint und Semele verbrennt. Dionysos wird dann aus dem Oberschenkel von Zeus geboren.

Römische Mythologie: Romulus und Remus
Die Zwillinge Romulus und Remus, die Gründer Roms, wurden laut Mythos von der Jungfrau Rhea Silvia geboren, die vom Gott Mars oder, in einigen Versionen, von einem göttlichen Funken schwanger wurde.
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Jungfrauengeburt im Islam
Jungfräulichkeit ist im Islam sehr wichtig. Sex außerhalb der Ehe ist in der Regel nicht vorgesehen (es gibt Ausnahmen, aber das führt jetzt zu weit).
Im Islam wird die Jungfrauengeburt Jesu (arabisch: `Isa) als Wunder Allahs ebenfalls anerkannt und in verschiedenen Suren des Koran erwähnt. Jesus genießt als Prophet eine besondere Stellung. Maria (Maryam) wird als reine und auserwählte Frau verehrt.
Sure 3:47: „Sie sagte: ‚Mein Herr, wie soll ich ein Kind bekommen, wo mich doch kein Mensch berührt hat?‘ Er sprach: ‚So ist es; Allah erschafft, was Er will. Wenn Er eine Sache beschlossen hat, so spricht Er nur: „Sei!“ und sie ist.‘“
Sure 19:20-21: „Sie sagte: ‚Wie soll mir ein Sohn geboren werden, wo mich doch kein Mann berührt hat und ich keine Hure bin?‘ Er sprach: ‚So ist es; dein Herr spricht: Es ist mir ein leichtes; und wir werden ihn zu einem Zeichen für die Menschen machen und als Barmherzigkeit von Uns.‘“
Naturwissenschaftliche Plausibilität der Jungfrauengeburt
Ist eine Jungfrauengeburt biologisch möglich?
Biologische Unmöglichkeiten
Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist eine Jungfrauengeburt beim Menschen extrem unwahrscheinlich.
Parthenogenese, die bei einigen Tieren wie bestimmten Insekten, Reptilien und Fischen vorkommt, ist beim Menschen nicht möglich. Beim Menschen sind für die Befruchtung eines Eies sowohl ein männlicher als auch ein weiblicher genetischer Beitrag notwendig.
Dies liegt an der sogenannten genomischen Prägung: Diese macht es notwendig, dass die Chromosomensätze beider Eltern vererbt werden.
Genetische Erklärungen
Es gibt keine bekannten Fälle, in denen eine menschliche Eizelle ohne männlichen Samen zu einem vollständigen, gesunden Menschen herangereift ist. Genetische Defekte oder Anomalien könnten theoretisch zu einer Art unvollständiger Parthenogenese führen, aber dies würde nicht zu einem lebensfähigen Embryo führen.
Die menschliche Fortpflanzung erfordert, wie bereits festgestellt, die Kombination von Chromosomenpaaren von beiden Elternteilen.
Kulturelle und soziale Einflüsse
Historische und kulturelle Kontexte spielen ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung und Verbreitung von Geschichten über Jungfrauengeburten. Solche Geschichten können als Mittel zur Legitimation von Herrschaft, zur Hervorhebung der Reinheit oder zur Unterstützung sozialer Normen und Werte dienen.
Fazit zur Jungfrauengeburt
Jungfrauengeburten in religiösen Texten haben oft tiefere symbolische Bedeutungen. Sie dienen dazu, die betreffenden Personen hervorzuheben und ihre göttliche Mission oder Abstammung zu unterstreichen. Im Christentum symbolisiert die Jungfrauengeburt Jesu seine göttliche Herkunft und seine Rolle als Erlöser.
Die Vorstellung der Jungfrauengeburt ist in mehreren Religionen tief verwurzelt und hat bedeutende theologische und symbolische Funktionen. Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist eine Jungfrauengeburt beim Menschen jedoch extrem unwahrscheinlich und durch die bekannten biologischen Prozesse nicht erklärbar. Die Geschichten und Lehren über Jungfrauengeburten sind daher eher im Bereich des Glaubens und der Mythen zu verorten.
Theologen der abrahamitischen Religionen stellen ja aber darauf auch gar nicht ab, sondern „erklären“ die Jungfrauengeburt durch ein Wunder des Gottes Jahwe. Eine überprüfbare Erklärung ist dies natürlich nicht, man muss es halt glauben. Oder auch nicht.

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