Die zwölf Apostel sind bis heute zentrale Gestalten im Christentum – als direkte Jünger Jesu, als Verkünder der frohen Botschaft, als Fundament der frühen Kirche.
Von einfachen Fischern, Zöllnern und Handwerkern wurden sie zu „Säulen“ des Glaubens erhoben, die – je nach Konfession – sogar Heiligkeit und Autorität ausstrahlen sollen.
12 Apostel: von Fischern zu Säulen der Kirche
Doch zwischen historischer Realität, kirchlicher Selbsterzählung und frommer Legende liegt ein weites Feld voller Widersprüche, Namensverwirrungen und symbolischer Überhöhung.

Die Zwölf sind weniger historische Figuren als narrative Konstruktionen – Projektionsflächen einer jungen Bewegung, die sich Legitimation durch Nähe zum Stifter versprach. Hier ihre Steckbriefe – abgeleitet von dem, was wir aus der Bibel von ihnen wissen.

Steckbriefe der 12 Apostel
Hier ist eine kompakte Liste der 12 Apostel mit einem kurzen biblischen Steckbrief zu jedem – soweit das Neue Testament überhaupt etwas über sie verrät.
1. Simon Petrus (auch: Kephas / Fels)
Fischer aus Galiläa, Bruder von Andreas; impulsiver Sprecher der Gruppe, verleugnet Jesus dreimal, wird laut Überlieferung später Märtyrer in Rom.
2. Andreas
Bruder des Petrus, ebenfalls Fischer; soll laut Johannes-Evangelium einer der ersten Jünger gewesen sein. Traditionell gilt er als Missionar in Griechenland.
3. Jakobus der Ältere (Sohn des Zebedäus)
Bruder von Johannes, mit ihm „Donnersohn“ genannt; enger Kreis um Jesus. Der erste Apostel, der laut Apostelgeschichte den Märtyrertod erlitt.
4. Johannes (Sohn des Zebedäus)
Bruder des Jakobus; laut Tradition Autor des Johannes-Evangeliums und der Offenbarung – allerdings historisch umstritten. Lieblingsjünger Jesu?
5. Philippus
Wird von Jesus direkt berufen (Joh 1,43); spielt bei der Brotvermehrung und in Joh 14 eine Rolle. Über sein weiteres Wirken gibt es nur spärliche Angaben.
6. Bartholomäus (möglicherweise Nathanael)
Wird meist mit Nathanael identifiziert (Joh 1,45); ansonsten weitgehend namenlos. Legenden situieren ihn als Missionar in Indien oder Armenien.
7. Matthäus (auch: Levi)
Ehemaliger Zöllner, laut Evangelium Verfasser des gleichnamigen Textes (was äußerst fraglich erscheint). Seine Berufung durch Jesus wird mehrfach erzählt.
8. Thomas (auch: Didymus = Zwilling)
Berühmt für seinen Zweifel an der Auferstehung („ungläubiger Thomas“); wird in Johannes 20 rehabilitiert. In Indien bis heute stark verehrt.
9. Jakobus der Jüngere (Sohn des Alphäus)
Wird in allen Apostellisten erwähnt, aber kaum in Erzählungen. Möglicherweise identisch mit „Jakobus dem Kleinen“ – Identität unklar.
10. Thaddäus (auch: Judas, Sohn des Jakobus/Lebbäus)
Seine Namensvarianten verwirren – vermutlich ein Versuch, ihn nicht mit Judas Iskariot zu verwechseln. Keine nennenswerte biblische Handlung.
11. Simon der Zelot
Wird lediglich in den Listen genannt. „Zelot“ könnte auf politischen Eifer hinweisen – oder einfach „der Eifrige“ bedeuten. Keine weiteren Berichte.
12. Judas Iskariot
Der berühmte Verräter, der Jesus für 30 Silberlinge an die Behörden ausliefert. Sein Tod wird unterschiedlich geschildert (Hängen oder Sturz). Symbol für Loyalitätsbruch.
Was hatte es mit Judas auf sich? Zahllose Legenden ranken sich um diese Gestalt.
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Die biblischen Apostel-Listen im Vergleich
Naturgemäß werden die zwölf Apostel oder zwölf Jünger Jesu nur im Neuen Testament erwähnt. Vergleichen wir einmal, wie sie in den „synoptischen“ Evangelien und der Apostelgeschichte aufgelistet werden.

Matthäus, Markus, Lukas und Apostelgeschichte
Die vier wichtigsten Listen der Apostel finden sich in den Evangelien nach Matthäus (10,2–4), Markus (3,16–19), Lukas (6,14–16) sowie in der Apostelgeschichte (1,13).
Die Berufung der Zwölf
1 Und er rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Macht über die unreinen Geister, dass sie die austrieben und heilten alle Krankheiten und alle Gebrechen.
2 Die Namen aber der zwölf Apostel sind diese: zuerst Simon, genannt Petrus, und Andreas, sein Bruder; Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, sein Bruder; 3 Philippus und Bartholomäus; Thomas und Matthäus, der Zöllner; Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus; 4 Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn verriet.
Matthäus 10, 1–4
Während die meisten Namen in allen Listen auftauchen – etwa Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, Philippus – gibt es doch kleine, aber bedeutsame Unterschiede, die eine einheitliche Historie infrage stellen.
Unterschiede bei Namen und Reihenfolge der 12 Apostel
Nicht nur die Reihenfolge der Namen variiert – ein Zeichen unterschiedlicher Gewichtung der Figuren – sondern auch die Namensgebung selbst.
Aus Thaddäus wird bei Lukas ein Judas, Sohn des Jakobus. In anderen Handschriften heißt er Lebbäus. Mal erscheint ein „Simon der Zelot“, mal ein „Kananäer“.
Diese Differenzen sprechen weniger für präzise historische Erinnerung als für redaktionelle Bearbeitung und spätere Angleichung an theologische Bedürfnisse.
Judas Thaddäus oder Lebbäus – oder beides?
Die Verwirrung um Judas Thaddäus bzw. Lebbäus ist ein Paradebeispiel biblischer Redundanz. Offenbar war der Name Judas – spätestens nach dem Verrat durch Iskariot – so belastet, dass spätere Evangelisten ihm Ausweichnamen gaben.

Die Dopplung von Identitäten dient hier wohl dem Zweck, die Liste der Zwölf zu stabilisieren, ohne sich zu eng an historische Personen binden zu müssen. Das Resultat: Heilige Namenslotterie.
Die bekanntesten Apostel im Porträt
Simon Petrus: Der Fels mit den drei Verleugnungen
Simon Petrus gilt als Anführer der Zwölf – mutig, impulsiv und dennoch ein Schwächling im entscheidenden Moment. Dreimal verleugnet er Jesus, bevor der Hahn kräht. Und doch wird gerade er zum „Fels“, auf dem die Kirche gebaut werden soll, womit letztendlich das Papsttum legitimiert wurde.
Eine theologische Metapher für Schwäche, die durch göttliche Gnade zur Stärke wird – oder eine narrative Strategie, um kirchliche Autorität aus menschlicher Fehlbarkeit zu legitimieren.
Jakobus und Johannes: Die „Donnersöhne“
Jakobus und Johannes, Söhne des Zebedäus, werden als „Boanerges“ – Donnersöhne – bezeichnet. Sie sind ehrgeizig (sie wollen Ehrenplätze im Himmel) und cholerisch (sie fordern Feuer vom Himmel auf ihre Gegner).
Ihre Charakterisierung schwankt zwischen Leidenschaft und Fanatismus. Ihre Stellung in der Apostelliste zeigt: Wer nahe am Zentrum steht, darf auch fehlbar sein – solange der Glaube groß genug ist.
Judas Iskariot: Verräter oder theologisches Werkzeug?
Judas Iskariot ist der dunkelste Name der Zwölf. Der Verräter, der Jesus für 30 Silberlinge an die Behörden ausliefert – und sich danach erhängt. Oder „in Stücke zerbrach“? Auch hierzu macht die Bibel unterschiedliche Angaben.
Doch seine Rolle ist ambivalent: Ohne Judas kein Kreuz, keine Passion, keine Erlösung. War er also Werkzeug göttlichen Plans? Oder der große moralische Ausfall? Die Theologie schwankt bis heute – zwischen Verurteilung und metaphysischer Funktionalisierung.
Widersprüche bei den Zwölf Aposteln
Sehen wir uns mal die biblischen Problemstellen im Zusammenhang mit den zwölf Aposteln vor.
Warum fehlt Paulus in den ursprünglichen Zwölf?
Paulus – der wohl einflussreichste Theologe des frühen Christentums – gehörte nie zu den Zwölf. Er begegnete Jesus nicht persönlich, sondern erlebte eine Vision („Damaskuserlebnis“).
Trotzdem nennt er sich „Apostel“ und wird als solcher anerkannt. Das zeigt: „Apostel“ ist kein klar definierter Titel, sondern ein dehnbarer Begriff, der Machtverhältnisse widerspiegelte.
Die Zwölf waren demnach keine fixe historische Gruppe – sondern eine symbolische Zahl mit variabler Besetzung.

Was ist mit Matthias, dem „Ersatzmann“?
Nach dem Tod von Judas Iskariot berichtet die Apostelgeschichte von der Wahl des Matthias als 12. Mann – per Losentscheid. Er taucht zuvor und danach nie wieder auf.
War er real? Oder bloß ein dramaturgisches Element, um die Symbolzahl 12 zu wahren?
Die Antwort liegt wohl eher in der Form als in der Person: Der Platz war wichtiger als der Mann.
Gab es nur zwölf – oder doch mehr Jünger?
Die Bibel spricht häufig von „vielen Jüngern“ – die Zwölf sind nur ein engerer Kreis. Es gab 70 (oder 72) andere Jünger, Frauen wie Maria Magdalena, Brüder Jesu, andere Prediger.
Die Reduktion auf zwölf Männer ist wohl eher eine kirchliche Kanonisierung als eine historische Realität. Die Zahl 12 hat weniger mit Geschichte zu tun als mit Symbolik.

Historische Spurensuche: Gab es die zwölf Apostel wirklich als feste Gruppe?
Historisch gesehen ist es fraglich, ob die Zwölf überhaupt als geschlossene Gruppe existierten. Jesus dürfte Jünger gehabt haben – vermutlich mehr als zwölf, vermutlich auch keine exakt benannte Gruppe.
Die Zwölf scheinen eine nachträgliche Konstruktion zu sein, um das neue Gottesvolk (analog zu den zwölf Stämmen Israels) zu symbolisieren.
Symbolik statt Historie: Die Zahl 12 als Bezug zu den Stämmen Israels
Die Zahl 12 ist im Judentum stark aufgeladen: zwölf Stämme, zwölf Söhne Jakobs. Im frühen Christentum wird sie bewusst übernommen – um zu zeigen: Diese Bewegung ist keine Sekte, sondern das wahre Israel.
Die Apostel repräsentieren nicht reale Personen, sondern die Vollständigkeit der göttlichen Ordnung. Historische Genauigkeit war hier sekundär – entscheidend war die Botschaft.

Zwischen Mythos und Missionsstrategie
Die Zwölf dienten auch der Glaubensverbreitung: Als „Zeugen“ Jesu konnten sie das Evangelium autoritativ vertreten. Sie wurden später über Kontinuitätslinien (Bischofssitze, Reliquien) mit der entstehenden Amtskirche verbunden.
So wurde aus einem symbolischen Kreis ein kirchenpolitisches Fundament. Die Apostel wurden nicht nur geglaubt – sie wurden gebraucht.
Archäologischer Bestand zu den 12 Aposteln
Die Frage nach gesicherten Reliquien oder Gräbern der zwölf Apostel ist eine Mischung aus archäologischer Neugier, kirchlicher Tradition und frommem Wunschdenken. Die historische Spurensuche stößt wie bei den sogenannten Herrenreliquien (also Reliquien von Jesus) schnell an ihre Grenzen.
Denn von den meisten Aposteln existieren keine eindeutig belegbaren Gräber oder Reliquien, sondern vor allem konkurrierende Behauptungen, legendäre Überlieferungen und eine große Portion kirchlicher PR. Was als „Grab eines Apostels“ gilt, ist oft eher ein Ort der Verehrung als ein Ergebnis gesicherter Forschung.
Leichnam des Simon Petrus (Petrus)
Petrus soll laut Überlieferung in Rom den Märtyrertod gestorben sein, vermutlich unter Kaiser Nero. Die katholische Kirche behauptet, Petrus’ Gebeine lägen unter dem nach ihm benannten Petersdom im Vatikan.

1950er-Jahre-Ausgrabungen unter Pius XII. entdeckten tatsächlich ein antikes Grab, das man Petrus zuschrieb. Eine definitive Identifizierung gibt es jedoch nicht. Die Zuschreibung ist plausibel, aber nicht sicher beweisbar – es fehlt eine eindeutige Inschrift oder DNA-basierte Bestätigung.
Es gibt auch eine östliche Tradition, die behauptet, Petrus sei nie in Rom gewesen, sondern in Jerusalem begraben worden.
Grab Jakobus des Älteren (Sohn des Zebedäus)
Er soll nach Spanien ausgewandert und dort gestorben sein – so die Legende. Sein Grab wird seit dem Mittelalter in Santiago de Compostela verehrt („Jakobsweg“). „Santiago“ bedeutet sogar wortwörtlich „Heiliger Jakob“ (Santo Iago).

Archäologisch ist die Spur völlig ungesichert, aber die Kultstätte war ein politischer und religiöser Erfolgsfaktor für das christliche Spanien – weshalb historische Genauigkeit hier offenbar nachrangig war.
Eine andere Überlieferung lokalisiert sein Grab in der Nähe des Kidrontals (Stadtzentrum Jerusalem).
Andreas-Reliquien
Auch Andreas wurde laut Überlieferung gekreuzigt, aber in Patras (Griechenland). Seine Reliquien sollen im Laufe der Jahrhunderte durch halb Europa gereist sein – nach Konstantinopel, dann nach Amalfi und Rom. In Amalfi werden seine Reliquien seit dem 13. Jahrhundert verehrt – angeblich aus Konstantinopel überführt.
Teile davon befinden sich angeblich auch in Schottland. Teile des Schädels und einige Knochen sollen dort im Mittelalter angekommen sein. Die Zersplitterung der „echten“ Reliquien ist hier besonders exemplarisch.
Der „indische“ Apostel Thomas
Thomas wird in Indien verehrt – insbesondere in Chennai (Madras). Er soll dort das Evangelium gepredigt und den Märtyrertod erlitten haben.
Die dortige „St. Thomas Basilica“ gilt als sein Grab, doch auch hier ist die archäologische Evidenz dünn. Der Thomas-Kult in Indien ist alt, aber historisch schwer nachweisbar. Frühe Quellen berichten, seine Gebeine seien von Indien nach Edessa (Türkei) überführt worden.
Übrigens gibt es in Indien auch ein vermeintliches Grab von Jesus.
Philippus, Bartholomäus, Simon der Zelot, Matthäus, Thaddäus (Judas), Jakobus (Sohn des Alphäus), Matthias
Für diese Apostel gibt es jeweils mehrere konkurrierende Grabstätten und Reliquien in Europa und im Nahen Osten – von Armenien über Rom bis Georgien. Keine dieser Stätten lässt sich eindeutig mit der historischen Figur verbinden. In manchen Fällen sind sogar mehrere Leiber gleichzeitig in Umlauf – ein logistisches Kunststück, das nur durch theologische Elastizität erklärbar ist.
Bartholomäus etwa hat sein Hauptheiligtum mit Reliquien in Rom. In Armenien soll der missioniert haben und getötet worden sein – auch hier gibt es Grabtraditionen. Schließlich beansprucht man Teile seines Körpers auch in Toulouse (Frankreich).
Philippus’ letzte Ruhestätte hingegen wurde 2011 in Hierapolis (Türkei) lokalisiert. Dort fand man ein antikes Grab. Aber auch in Rom existieren Reliquien, die ihm zugeschrieben werden.

Die 12 Apostel – reale Personen oder narrative Figuren?
Hinter einigen Namen verbirgt sich wohl ein historischer Kern. Simon Petrus etwa ist in mehreren Quellen belegt. Doch das System „Die Zwölf“ wirkt wie eine literarische Setzung – mit theologischer, nicht historischer Zielsetzung. Die Evangelien erzählen keine Biografien, sondern deuten Geschichte mit Absicht.
Warum eine kritische Lektüre der Bibel nötig ist
Wer die Apostel als reale Figuren betrachtet, übersieht die redaktionellen Eingriffe, die mythologischen Überformungen, die kirchlichen Interessen. Eine kritische Lektüre erkennt die Texte als Konstruktionen – und entlarvt ihre Funktion: nicht Wahrheit zu berichten, sondern Geltung zu schaffen.
Apostel als Projektionsflächen kirchlicher Selbstlegitimation
Die Zwölf waren weniger Augenzeugen als Legitimationsfiguren. Sie stehen für die Einheit, die Herkunft, die Autorität der Kirche. Ihre Geschichten sagen mehr über das Bedürfnis nach Kontinuität als über die Anfänge des Glaubens.
Wer das erkennt, verliert vielleicht ein paar Heilige – aber gewinnt historische Klarheit. Und die ist – bei allem Respekt vor religiöser Symbolik – durchaus ein Wert an sich.
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