Was bedeuten eigentlich die Begriffe Theismus und Deismus, und wie unterscheiden sie sich?
Debattiert man mit Gläubigen (und Atheisten), stellt man oft fest, dass viele sich diese grundlegende Unterscheidung von Theismus und Deismus gar nicht richtig klarmachen.
Das holen wir nach – der Glaube an Gott ist eine der ältesten menschlichen Ideen, aber er wird nicht immer gleich interpretiert.
Während der Theismus von einem aktiven, „personalen“ und eingreifenden Gott ausgeht, sieht der Deismus Gott eher als passiven Schöpfer, der sich nach der Kreation zurückgezogen hat.
Das macht natürlich einen Riesenunterschied. Wir arbeiten den Unterschied zwischen Theismus und Deismus nun noch etwas genauer heraus.

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Was ist Theismus?
Der Theismus ist die Vorstellung, dass ein persönlicher Gott existiert, der nicht nur die Welt geschaffen hat, sondern auch aktiv in das Geschehen eingreift. Zu den wichtigsten theistischen Religionen gehören das Christentum, der Islam und das Judentum.
Was heißt es, dass Gott „eingreift“? Die Vorstellung umfasst ungefähr, dass eine allwissende und allmächtige Gottheit wie zum Beispiel Jahwe nicht nur irgendwie in den Wolken schwebt, sondern ganz genau beobachtet, was die Menschen tun.
Er kümmert sich darum, …
- ob man Fleisch isst,
- welche Klamotten man trägt,
- mit wem man Sex hat,
- ob man andere Götter anbetet,
- was man begehrt,
- ob man lügt,
- ob man Rituale einhält (Sabbat etc.)
- und wie man seine Sklaven behandelt. Ordnung muss sein!
Ein weiteres Kennzeichen des Theismus sind Offenbarungen durch heilige Schriften oder Propheten. Gott nimmt zudem aktiv Einfluss auf Naturgesetze und menschliche Schicksale.
Theismus: Beispiele aus dem Alten Testament
Denken wir nur an die Geschichte von Hiob, welchen Gott aufgrund einer perfiden Wette mit dem Teufel alles Mögliche an Unheil und Schicksalsschlägen zumutet, um seinen Glauben zu prüfen.
Ein anderes Beispiel wäre die Offenbarung Abrahams. Ihr kennt bestimmt die Geschichte vom brennenden Dornbusch.

Noch ein Beispiel: der (angebliche, jede archäologische Substanz fehlt hier) Exodus der Israeliten aus Ägypten, inklusive biblischer Plagen und Teilung des Roten Meeres.

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Auch bei der Landnahme der Israeliten wird Jahwe aktiv, greift etwa bei der Schlacht bei Gibeon gegen die Amoriter ins Kampfgeschehen ein und vernichtet ihre Armee.

Und natürlich die Sintflut: Hier zeigt sich Gott Jahwe mit der allgemeinen Entwicklung unzufrieden und verpasst der Erde per Faunenschnitt und Sintflut quasi einen Neustart, indem er (fast) alle umbringt.

Theismus: Beispiele im Neuen Testament
Im Christentum erscheint der theistische Gott Jahwe nicht mehr wirklich – seine Wunder wirkt er hier durch Jesus.
Dazu zählen etwa die Ostergeschichte nebst Auferstehung, das Wunder zu Pfingsten, die Himmelfahrt und andere Elemente der Passion Christi und der weiteren Erzählungen der Evangelien.

Theismus: Beispiele im Koran und den Hadithen
Auch der Koran als heilige Schrift des Islam und damit der dritten großen abrahamitischen Religion enthält zahlreiche Beispiele, in denen Allah aktiv ins Weltgeschehen eingreift, was die zentrale theistische Vorstellung im Islam untermauert.
Hier sind einige Beispiele:
- Die Teilung des Meeres für Moses und die Kinder Israels: In Sure 26:63-66 wird berichtet, wie Allah das Meer teilte, um Moses und sein Volk vor dem Pharao zu retten. Dies zeigt einen direkten göttlichen Eingriff in die Naturgesetze. Die Story kennen wir schon aus dem jüdischen Tanach.
„Da gaben Wir Moses ein: ‚Schlage mit deinem Stock auf das Meer!‘ Da teilte es sich, und jeder Teil war wie ein gewaltiger Berg.“ (26:63) - Der Sieg Muhammads in der Schlacht von Badr: In Sure 8:9-12 wird erwähnt, dass Allah den Gläubigen in der Schlacht Engel als Hilfe sandte. Diese Unterstützung war entscheidend für ihren Sieg gegen den arabischen Stamm der Quraisch.
„Da euer Herr euch offenbarte, dass Er euch mit tausend Engeln nacheinander zu Hilfe kommen würde.“ (8:9) - Die Strafe für das Volk von Lot: In Sure 11:82-83 wird beschrieben, wie Allah das Volk von Lot für seine Vergehen bestraft, indem er ihre Stadt zerstört.
„Als dann Unser Befehl kam, kehrten Wir das Oberste von ihr zuunterst und ließen auf sie Steine aus gebranntem Ton niederregnen.“ (11:82) - Das Wunder der Jungfrauengeburt: In Sure 19:16-21 wird die Geburt Jesu beschrieben, der laut Koran von der Jungfrau Maria durch einen Befehl Allahs ohne menschlichen Vater empfangen wurde.
„Sie sprach: ‚Wie soll mir ein Knabe geboren werden, wo mich kein Mann berührt hat und ich keine Hure bin?‘ Er sprach: ‚So ist es! Dein Herr spricht: Es ist Mir ein leichtes.‘“ (19:20-21)
Diese Beispiele zeigen, dass der Koran Allah als aktiv handelnden Gott darstellt, der sowohl in Naturereignisse eingreift als auch direkt in das Leben der Menschen wirkt.
Auch in den Hadithen wird Allah häufig als eingreifender Gott dargestellt. Die Hadithe, als mündlich überlieferte Worte und Handlungen des Propheten Muhammad, beinhalten zahlreiche Berichte über göttliches Eingreifen in das Leben des Propheten, seiner Gefährten und der Gläubigen.
Was ist Deismus?
Im Gegensatz dazu beschreibt der Deismus eine Weltanschauung, in der Gott zwar die Welt erschaffen hat, aber danach nicht mehr aktiv eingreift.
Im Grunde ist dies das kosmologische Argument: Das Universum, das Leben und der ganze Rest müssen eine Ursache gehabt haben, so die Annahme.
Selbst das ist aber nicht unumstritten: Kritiker weisen darauf hin, dass das dem Deismus zugrundeliegende Kausalitätsprinzip zwar innerhalb des Universums Gültigkeit haben mag, vielleicht aber nicht auf das Universum selbst und seinen Ursprung anwendbar ist. Wir wissen’s halt nicht genau.
„Gott“ tritt hier als Schöpfer in Erscheinung, der als erster Ursprung oder als „unbewegter Beweger“ (nach Aristoteles) den Kosmos hervorgebracht und die Naturgesetze etabliert hat. (Siehe dazu auch das Fine-Tuning-Argument.)

Der britische Theologe William Pailey argumentierte hier mit der Analogie einer Taschenuhr: Fände man eine solche, müsste man auch auf einen Uhrmacher schließen.

Der Deismus wurde vor allem während der Aufklärung populär und von Denkern wie Voltaire, Locke, Leibniz, Paine oder Jefferson vertreten.
Deismus heute
Intuitiv scheinen viele Menschen den Deismus gut zu finden: Betrachtet man das Universum und die filigranen Mechanismen, die zum Leben auf der Erde und zur Entwicklung des Menschen geführt haben, könnte die bewusste Schöpfung durch ein übernatürliches Wesen eine Erklärung sein.
Diese Auffassung wird auch von Vertretern des Kreationismus und des Intelligent Design gestützt. Die Behauptung eines deistischen Weltbildes hat einen riesigen Vorteil, der aber zugleich auch ein Nachteil ist: Es lässt sich nicht falsifizieren.
„Man kann nicht beweisen, dass es Gott nicht gibt. Also gibt es ihn.“
Hier steht man mit einem Bein schon im „Argument aus persönlichem Unglauben“.
Das Gute am Deismus aus pragmatischer moderner Sicht: Es lässt die Tür weit offen für eine große Varianz theologischer Überzeugungen: Esoterik, Spiritualität, Pantheismus, Fliegendes Spaghettimonster – alles kann der „Beweger“, die „Ursache“, die „Energie“ und das „Bewusstsein“ sein.
Vielleicht profitiert der Deismus auch vom Wunsch des Menschen nach einer logisch nachvollziehbaren Weltanschauung, nach Orientierung.
Gleichzeitig kann er als Erklärung für die Komplexität und Ordnung des Universums herangezogen werden, ohne direkten Einfluss eines Gottes auf den Alltag zu postulieren.
Das ist sicherlich attraktiv für Personen, die autoritäre Glaubenssysteme als einschränkend empfinden und religiösen Ritualen, Wundern und Dogmen nicht so recht über den Weg trauen.
Deismus und Theodizee
Noch ein Vorteil des Deismus: Er umgeht das Theodizee-Problem weitgehend, da er einen Gott postuliert, der das Universum geschaffen hat, aber nicht in dessen Abläufe eingreift.
Dadurch wird Gott weder für das Leid noch für die Ungerechtigkeiten in der Welt verantwortlich gemacht, da diese als Konsequenz natürlicher Prozesse und menschlichen Handelns gelten. Praktisch.
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Der zentrale Unterschied zwischen Theismus und Deismus
Der Hauptunterschied zwischen Theismus und Deismus liegt in der Rolle Gottes nach der Schöpfung.
Der Theismus beschreibt einen aktiven Gott, während der Deismus einen passiven Gott annimmt.
Im Theismus spielt der Glaube an Wunder und göttliche Offenbarungen eine zentrale Rolle.
Der Deismus hingegen sieht die Vernunft und die Naturgesetze im Fokus. Gott greift nicht weiter ein und erhört auch keine Gebete. Gebete würden nach dieser Sichtweise keinen Einfluss auf die Realität haben, da Gott ja eh nicht aktiv eingreift.

Vielmehr könnten Deisten Gebete allenfalls als persönliche Reflexion oder meditative Praxis betrachten, ohne göttliche Intervention zu erwarten.
Warum beide Konzepte problematisch sind
Sowohl der Theismus als auch der Deismus stehen vor grundlegenden Herausforderungen:
Beim Theismus wirft die Annahme eines aktiven Gottes die Frage auf, warum dieser Gott in einer Welt voller Leid und Ungerechtigkeit nicht anders eingreift: Warum ist es ihm wichtiger, dass man keine Meeresfrüchte isst, als sich um Tierleid oder um Leukämie bei Kindern zu kümmern?
Auch die zahllosen Inkohärenzen in der Überlieferung der Offenbarungs-, Wunder- und Schöpfungsmythen destabilisieren die Vorstellung eines allwissenden Gottes.
Der Deismus hingegen muss sich die Frage gefallen lassen, warum man überhaupt an einen Gott glauben sollte, der sich vollkommen zurückgezogen hat. Etwas überspitzt formuliert:
Wenn Gott keinen Einfluss auf die Welt hat, ist seine Existenz irrelevant.
Deistische und theistische Glaubenskonzepte auf dem Prüfstand
Ob aktiv oder passiv – die Vorstellung eines Gottes wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
Während der Theismus in seinen Ansprüchen an einen persönlichen Gott oft an seinen Widersprüchen scheitert, reduziert der Deismus Gott auf eine abstrakte Idee, die kaum Relevanz für das menschliche Leben hat.
Am Ende bleibt die Frage: Wozu brauchen wir überhaupt einen Gott, wenn die Welt auch ohne ihn erklärbar ist?

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