Die Bibel – dieses Buch, das für Milliarden Menschen als Grundlage ihres Glaubens dient – wird oft als „göttlich inspiriert“ bezeichnet.
Doch schon ein oberflächlicher Blick zeigt, dass dieses Werk eher wie ein chaotisches Sammelsurium an Texten wirkt, die von unzähligen Autoren, mit verschiedensten Motiven und über Jahrhunderte hinweg verfasst, gesammelt, geändert und mehr schlecht als recht kompiliert wurden.
Man stelle sich vor: ein Buch, das ohne Redakteur zusammengeschustert wurde und dessen Autoren weder zeitgleich lebten noch sich jemals begegneten.
Klingt nicht nach dem perfekten Projektplan zur Texterstellung, oder?

Klicke auf die Bibel
Entsprechend hat der Text der Bibel logische Löcher, die groß wie Scheunentore sind. Auch an zentralen Stellen des Textes, wie bei Jesus am Kreuz.
Was waren seine letzten Worte? Wir wissen es nicht genau, denn die Evangelien bieten uns drei verschiedene Varianten, die einander ausschließen, weil Jesus direkt nach den angeblichen Äußerungen stirbt (bei Markus und Matthäus schreit er noch einmal auf):
- „Und zu der neunten Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? […] Aber Jesus schrie laut und verschied.“ (Markus)
- „Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.“ (Lukas)
- „Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.“ (Johannes)
Ja, welches Schweinderl darf’s denn sein? Es ist nicht nur verwunderlich, dass solch eine zentrale Stelle der Passion Christi überhaupt abweichend berichtet wird.
Noch erstaunlicher ist, dass diese Unterschiede beim Zusammenstellen des Kanons niemanden zu stören schienen.
Es lohnt sich daher, einen Blick auf die Editionsgeschichte der Bibel zu werfen.

Die Editionsgeschichte der Bibel
Eine Editionsgeschichte beschreibt die Entstehung, Überlieferung, Bearbeitung und Veröffentlichung eines Textes über einen längeren Zeitraum.
Sie untersucht, wie ein Werk von seiner ursprünglichen Fassung bis hin zu späteren Editionen verändert, ergänzt, gekürzt oder neu interpretiert wurde.
Dabei spielen folgende Faktoren eine Rolle:
- Autorenintention: Welche Absicht verfolgte der ursprüngliche Autor, und wie wurde der Text ursprünglich konzipiert?
- Überlieferung: Wie wurde der Text durch Abschriften, Übersetzungen oder mündliche Überlieferung weitergegeben?
- Redaktionelle Eingriffe: Welche Änderungen oder Ergänzungen haben spätere Redakteure oder Herausgeber vorgenommen?
- Kultureller und historischer Kontext: Wie haben zeitgenössische gesellschaftliche, religiöse oder politische Einflüsse den Text oder seine Interpretation geprägt?
- Publikationsgeschichte: Wann und wie wurde der Text veröffentlicht oder gedruckt, und wie hat dies seine Rezeption beeinflusst?
Die Editionsgeschichte der Bibel zeigt, wie die Texte über Jahrhunderte hinweg zusammengestellt, verändert und kanonisiert wurden. Sie ist damit ein zentraler Bestandteil der Bibelkritik und Bibelwissenschaft, da sie hilft, die „Lebensgeschichte“ der Bibel zu verstehen und ihren originalen Sinngehalt sowie spätere Veränderungen offenzulegen.
Und von denen gab es reichlich – die Abweichungen in den Bibelstellen der verschiedenen Kopien, Abschriften und Ausgaben der Bibel sind so zahlreich, dass der Bibelwissenschaftler Bart Ehrman einst zusammenfasste, es gäbe „mehr Abweichungen in den Manuskripten, als es Worte im Neuen Testament gibt“.
In Zahlen: Ehrman (und andere Autoren) beziffern die Anzahl der Abweichungen in der Bibel auf 200.000 bis 300.000 Stück. Das Neue Testament enthält (je nach Version) rund 180.000 Worte.
Es gibt mehr Abweichungen in den Bibel-Manuskripten, als es Worte im Neuen Testament gibt.
Einige davon sind simpel – unterschiedlich geschriebene Namen, Ortsnamen, abweichende Orthografie und dergleichen. Andere sind deutlich kritischer und treffen den Kern der biblischen Narrationen:
- Wie viele Tage bis zur Himmelfahrt?
- Wer fand das leere Grab?
- Wieso gibt es zwei Schöpfungsgeschichten?
- Was stand auf der Inschrift am Kreuz?
- Wer war bei der Kreuzigung anwesend?

[Anzeige]
Einen Eindruck von der Fülle der Widersprüche findest du auf folgender Seite: http://www.lyingforjesus.org/Bible-Contradictions/
Die Seite verbindet die sich widersprechenden Textstellen mit einem Bogen – die einzelnen Bögen sind klickbar, sodass du interaktiv die betreffenden Stellen anzeigen lassen kannst (auf Englisch).

Überblick: Aufbau der Bibel
Die Bibel ist in zwei Hauptteile gegliedert: das Alte und das Neue Testament.
Siehe hierzu auch: Exegese des Alten Testaments.
Altes Testament
Das Alte Testament, primär auf Hebräisch verfasst, reicht von Schöpfungsmythen über Gesetzeswerke bis hin zu prophetischen Texten. Es entstand über einen Zeitraum von etwa tausend Jahren – ein Zeitraum, in dem ganze Königreiche kamen und gingen. Die ältesten Teile gehen auf das 12.–10. Jahrhundert v. Chr. zurück.
Das Alte Testament ist zugleich die Heilige Schrift des Judentums (dort als Tanach bezeichnet) und besteht aus mehreren Büchern, die thematisch in drei Hauptbereiche gegliedert sind:
- Gesetz,
- Propheten und
- Schriften.
Die Gesetzestexte (Tora) umfassen die ersten fünf Bücher Mose (Genesis bis Deuteronomium), die Schöpfung, die Geschichte Israels und die Gebote Gottes.

(Klicke auf das Cover | Anzeige)
Die Tora nahm ihre endgültige Form wahrscheinlich während des Babylonischen Exils im 6. Jahrhundert v. Chr. an, obwohl einige ihrer Bestandteile wesentlich älter sein können.
Die Propheten (Nevi’im) gliedern sich in die frühen Propheten wie Josua und Richter sowie die späteren Propheten wie Jesaja und Jeremia, die das Verhältnis Gottes zu seinem Volk und die Botschaft der Buße betonen. Sie entstanden größtenteils zwischen dem 8. und 5. Jahrhundert v. Chr.
Die Schriften (Ketuvim) umfassen poetische Werke wie die Psalmen, Weisheitsliteratur wie das Buch Hiob und geschichtliche Texte wie Esra. Als letzte Gruppe des Tanach wurden sie zwischen dem 5. und 2. Jahrhundert v. Chr. zusammengestellt.
Die endgültige Kanonisierung (Zusammenstellung) des gesamten Alten Testaments dürfte im 2. Jahrhundert v. Chr. abgeschlossen worden sein, obwohl in manchen jüdischen Gemeinschaften bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. noch Debatten über den Kanon geführt wurden.
Die christliche Tradition ordnet die Bücher teilweise anders als die jüdische Tradition und integriert sie in eine heilsgeschichtliche Perspektive, die auf das Kommen Jesu hinweist.
Neues Testament
Das Neue Testament, das auf Griechisch geschrieben wurde, umfasst Berichte über Jesus und die frühe Kirche. Es wurde in einem deutlich kürzeren Zeitraum – etwa im ersten Jahrhundert – verfasst, doch auch hier ist die Vielfalt an Perspektiven frappierend.
Das Neue Testament besteht aus 27 Büchern, die in drei Hauptgruppen gegliedert sind:
- Evangelien,
- Apostelgeschichte,
- Briefe und Offenbarung.
Die vier Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas, Johannes) berichten von Leben, Lehre, Tod und Auferstehung Jesu Christi aus unterschiedlichen Perspektiven.
Die Apostelgeschichte, verfasst von Lukas, schildert die Ausbreitung der frühen Kirche unter der Führung der Apostel.
Die Briefe (Episteln) umfassen 21 Schriften, darunter die Briefe des Paulus von Tarsus, und andere apostolische Schreiben, die theologische Lehren, ethische Anweisungen und praktische Ermahnungen enthalten.

[Klicke auf das Cover | Anzeige]
Den Abschluss des NT bildet die Offenbarung des Johannes, ein apokalyptisches Werk, das von der Endzeit, dem Gericht und der Vollendung der Heilsgeschichte berichtet („Entrückung“ und „Parusie“).
Dieses Gesamtkonzept arbeitet die zentrale Botschaft des Neuen Testaments heraus: die „Erlösung“ durch Jesus am Kreuz.
Warum gibt es überhaupt Widersprüche in der Bibel?
Schon nach bisher Gesagtem bekommt man eine Ahnung, wie es zu den zahlreichen Widersprüchen in der Bibel gekommen ist: Sie ergeben sich aus der komplexen Entstehungsgeschichte.

Die Bibel ist keine einheitliche widerspruchsfreie Schrift, sondern eine Sammlung einander teils widersprechender und sich sogar ausschließender Texte, die über Jahrhunderte hinweg von verschiedenen Autoren, in unterschiedlichen kulturellen und historischen Kontexten, verfasst wurden.
Das allein widerlegt schon den theistischen Anspruch, die Bibel wäre „das Wort Gottes“, denn ihre zahlreichen Inkonsistenzen und Logikfehler sprächen nicht gerade für die Zurechnungsfähigkeit des Urhebers, wenn es denn eine einzelne, wie auch immer gedachte Entität gewesen wäre.
Noch weniger passt das Gesamtbild, wenn man dieser Entität Eigenschaften wie „allwissend“ und „allmächtig“ zuschreibt. (Thomas von Aquin, insbesondere in seiner Summa Theologica, formulierte Gottes Allmacht und Allwissenheit als notwendige Eigenschaften eines perfekten, zeitlosen Schöpferwesens.)

Nein.
Es zeigt sich (über)deutlich: Menschen haben die Bibel geschrieben.
Die Bibelautoren hatten unterschiedliche religiöse, theologische und politische Ziele, was zu variierenden Perspektiven und Aussagen führte.

Entsprechend zogen sich Apologeten auf die Vorstellung zurück, die Bibel sei „durch Gott inspiriert“ statt „von Gott geschrieben“. Dies setzte sich allmählich durch, als theologische Reflexionen und philologische Studien ab dem Spätmittelalter und vor allem in der Aufklärung die Entstehung und Vielfalt biblischer Texte genauer untersuchten.
Mit der historisch-kritischen Methode des 17. und 18. Jahrhunderts erkannte man, dass die Bibel nicht einheitlich und fehlerlos ist, sondern über Jahrhunderte von verschiedenen Autoren, mit unterschiedlichen Perspektiven und in wechselnden historischen Kontexten verfasst wurde. In der katholischen Liturgie hält man übrigens trotz allem nach Bibellesungen an der Floskel „Wort des lebendigen Gottes“ fest.
Hinzu kommen Übersetzungsfehler, Abschreibungen Interpolationen (Einfügungen) und spätere redaktionelle Bearbeitungen, die den ursprünglichen Sinn teilweise veränderten. Da die Bibel zudem Mythen, Legenden, historische Berichte und theologische Reflexionen unterschiedlicher Kulturen vermengt, prallen oft metaphorische und wörtliche Darstellungen aufeinander, was ebenfalls zu scheinbaren (und echten!) Widersprüchen führt.
Anleihen aus benachbarten Kulturen im Tanach
Das Alte Testament greift ungeniert Mythen und Legenden benachbarter Völker auf und inkorporiert diese (man denke nur an die sumerische Sintflut, den babylonischen Turmbau oder Adam und Eva im Paradies).

Theologisch umgedeutet, sollten die Passagen die Einzigartigkeit des israelitischen Gottes Jahwe betonen.
Diese Übernahmen zeigen, wie das Alte Testament existierende Mythen transformierte, um sie in den Monotheismus einzubetten, während es gleichzeitig eine kulturelle und religiöse Eigenständigkeit gegenüber den polytheistischen Nachbarvölkern und der Zwischenstufe des Henotheismus behauptete.

Die Umdeutungen führten aber auch zu Spannungen und Widersprüchen im Alten Testament.
Zum Beispiel stehen sich in der Schöpfungsgeschichte der Bibel zwei unterschiedliche Traditionen gegenüber:
- Genesis 1 beschreibt die Schöpfung als geordneten, sechstägigen Prozess durch das Wort Gottes, während
- Genesis 2 eine eher anthropozentrische und erdverbundene Perspektive bietet, in der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Das passt nicht immer nahtlos zusammenpassen.
Zudem finden sich konkurrierende Darstellungen von Gottes Wesen – mal ist er universaler Schöpfer, mal Wettergott, mal der kriegerische Nationalgott der Israeliten. Auch dies geht auf unterschiedliche Quellen und Kontexte zurück.

Übertragungsfehler und widersprüchliche Berichte im Neuen Testament
Beim Neuen Testament mit der Ostergeschichte als zentralem Element gibt es ein anderes Problem: Die ersten Christen rechneten aufgrund der messianischen Lehren mit einem unmittelbar bevorstehenden Ende der Welt.
Es geht doch nichts über eine gepflegte apokalyptische Eschatologie …
Jedenfalls: Wenn man den Weltuntergang in den nächsten Monaten oder Jahren erwartet, ist es ja wohl kaum sinnvoll, viel schriftlich festzuhalten. Wozu die Mühe?
Erst nach einigen Jahrzehnten, die für die Judenchristen und Frühchristen der ersten Generation aufgrund des ausbleibenden Weltuntergangs überaus enttäuschend gewesen sein müssen, ergab sich die praktische Notwendigkeit, die Lehren und Botschaften des Jesus von Nazareth schriftlich für die nachkommenden Generationen zu fixieren.

Das größte Problem dabei: Die Texte waren jahrzehntelang nur mündlich überliefert worden. Das gleicht einem Stille-Post-Spiel über Jahrhunderte hinweg.
Die Evangelien wurden im 1. Jahrhundert verfasst. Die ersten erhaltenen Manuskripte sind großteils bloße Fragmente aus dem 2. Jahrhundert. Erst das 4. Jahrhundert wartet mit größeren zusammenhängenden Manuskripten auf (Codex Sinaiticus, Codex Vaticanus).
Diese Bücher bieten gute Einführung in die Textgeschichte und Textkritik des Neuen Testaments
[Klicke auf die Cover | Anzeige]
Ein wichtiger Meilenstein war der Osterbrief des Athanasius von Alexandria im Jahr 367 n. Chr., in dem erstmals die 27 Bücher des Neuen Testaments in ihrer heutigen Form aufgelistet wurden. Diese Liste wurde auf den Konzilen von Hippo (393) und Karthago (397) von westlichen Kirchenführern bestätigt.
Diese handgeschriebenen Manuskripte wurden ebenfalls händisch kopiert. Dabei schlichen sich Fehler ein, die teils zufällig, teils absichtlich (theologisch motiviert) entstanden. Heute sind insgesamt etwa 5.000 Handschriften bekannt.
Verschiedene kirchliche Konzilien entschieden dann, welche Texte „kanonisch“ und damit Teil der Bibel sein sollten. Diese Entscheidungen wurden nicht selten durch politische Machtspiele beeinflusst. Texte, die nicht ins gewünschte Narrativ passten, wurden als „apokryph“ aussortiert.
Die Evangelien, die Jesu Leben schildern, bieten ein Paradebeispiel dafür, wie wenig sich die Autoren einig waren – über Details, Chronologien oder gar die zentrale Botschaft. Dazu folgen weiter unten Beispiele.

Widersprüche in der Bibel – Altes Testament
Jetzt geht’s los:
Kommen wir nun zu auffälligen Widersprüchen im Alten Testament. Es geht hier nur um Stellen, an denen sich der Text selbst widerspricht und nicht etwa um Widersprüche zu modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Archäologie oder Biologie (damit würden wir heute nicht mehr fertig werden). Nur Selbstwidersprüche.
Widersprüche im Alten Testament: Pentateuch (Tora)
Die ersten fünf Bücher Mose, auch als Tora oder Pentateuch bekannt, enthalten mehrere innere Widersprüche, die auf verschiedene Quellen und redaktionelle Überarbeitungen hinweisen.
Diese Widersprüche deuten darauf hin, dass die Tora aus mehreren Quellen (Jahwist, Elohist, Priesterschrift, Deuteronomist) besteht, die später redaktionell zusammengefügt wurden.

[Anzeige]
Hier einige dieser Widersprüche:
Die Schöpfungsberichte (Genesis 1 und 2)
In Genesis 1 wird die Schöpfung in sieben Tagen beschrieben, wobei der Mensch am sechsten Tag erschaffen wird, nach den Tieren. In Genesis 2 hingegen wird der Mensch zuerst erschaffen, dann die Tiere, und schließlich die Frau aus der Rippe des Mannes.
Die Dauer der Sintflut (Genesis 7 und 8)
In Genesis 7:12 heißt es, dass es 40 Tage und Nächte regnete. In Genesis 7:24 wird jedoch erwähnt, dass die Flut 150 Tage andauerte. Zudem gibt es unterschiedliche Angaben darüber, wie lange Noah und seine Familie in der Arche blieben.
Die Zahl der Tiere auf der Arche (Genesis 6 und 7)
In Genesis 6:19-20 wird Noah angewiesen, von allen Lebewesen je ein Paar (männlich und weiblich) mitzunehmen. In Genesis 7:2-3 hingegen soll er von reinen Tieren sieben Paare und von unreinen Tieren ein Paar mitnehmen.
Mehr Bücher zum Thema Sintflut
(Anzeige)
Abrahams Lüge über Sarah (Genesis 12 und 20)
In Genesis 12:10-20 gibt Abraham seine Frau Sarah in Ägypten als seine Schwester aus, um sich selbst zu schützen. Eine fast identische Geschichte wird in Genesis 20 mit Abimelech wiederholt, was suggeriert, dass es sich um zwei verschiedene Überlieferungen derselben Begebenheit handelt.
Der Name des Berges Gottes (Exodus 3 und 19)
In Exodus 3:1 wird der Berg Gottes „Horeb“ genannt, während in Exodus 19:20 derselbe Berg „Sinai“ genannt wird.
Das Zehn-Gebote-Doppel (Exodus 20 und Deuteronomium 5)
Die Zehn Gebote erscheinen in leicht unterschiedlicher Form in Exodus 20 und Deuteronomium 5. Die Unterschiede betreffen sowohl die Wortwahl als auch die Begründungen, etwa für die Sabbatruhe.
Die Todesursache Korachs (Numeri 16)
Korach und seine Anhänger werden in Numeri 16 zweimal unterschiedlich bestraft: Einmal verschlingt die Erde sie (Numeri 16:31-33), ein anderes Mal werden sie vom Feuer Gottes verzehrt (Numeri 16:35).
Der Name Moses‘ Schwiegervaters (Exodus 2 und Numeri 10)
In Exodus 2:18 wird Moses’ Schwiegervater „Reuel“ genannt, während er in Numeri 10:29 „Jitro“ heißt.
Die Zählung des Volkes Israel (Numeri 1 und 26)
Die Volkszählungen in Numeri 1 und Numeri 26 unterscheiden sich erheblich in den Angaben der Bevölkerungszahl, obwohl beide Zählungen während der Wüstenwanderung stattfinden.
Der Tod Aarons (Numeri 20 und Deuteronomium 10)
In Numeri 20:22-29 stirbt Aaron am Berg Hor. In Deuteronomium 10:6 jedoch wird berichtet, dass er in Moserah starb, also einem anderen Ort.
Widersprüche im Alten Testament: Propheten
Die Propheten (Nevi’im) im Alten Testament gliedern sich in die früheren Propheten, die geschichtliche Erzählungen enthalten (Josua bis Könige), und die späteren Propheten, die die Worte und Visionen der großen (Jesaja, Jeremia, Hesekiel) und der zwölf kleinen Propheten sammeln. Auch hier gibt es reichlich Widersprüche.
David als Musiker für Saul (1. Samuel 16 und 1. Samuel 17)
In 1. Samuel 16:14-23 wird David als Musiker und Waffenträger an Sauls Hof eingeführt, wobei Saul ihn gut kennt. In 1. Samuel 17:55-58 hingegen, nach Davids Sieg über Goliath, fragt Saul überrascht nach Davids Identität, als ob er ihn noch nie zuvor gesehen hätte.
Der Tod Sauls (1. Samuel 31 und 2. Samuel 1)
1. Samuel 31 berichtet, dass Saul Selbstmord beging, indem er sich in sein eigenes Schwert stürzte. In 2. Samuel 1 erzählt ein Amalekiter dem David hingegen, er habe Saul auf dessen eigenen Wunsch hin getötet.
Die Anzahl von Sauls Töchtern (1. Samuel 14 und 1. Samuel 18)
In 1. Samuel 14:49 wird nur eine Tochter Sauls erwähnt, Merab. In 1. Samuel 18:20-27 wird jedoch Michal als zweite Tochter Sauls eingeführt, die schließlich David heiratet.
Die Zahl der Pferde, die David beschlagnahmt (2. Samuel 8 und 1. Chronik 18)
Das 2. Buch Samuel (8:4) berichtet, dass David 1.700 Reiter von den Aramäern beschlagnahmte. In 1. Chronik 18:4 ist die Rede von 7.000 Reitern.
Gottes Haltung zur Volkszählung (2. Samuel 24 und 1. Chronik 21)
In 2. Samuel 24:1 lässt Gott selbst David eine Volkszählung durchführen, woraufhin Gott David für diesen Akt bestraft (Volkszählungen als ein Akt des Misstrauens). In 1. Chronik 21:1 hingegen wird die Volkszählung von Satan initiiert.
Der Fundort von Josias Gesetzbuch (2. Könige 22 und 2. Chronik 34)
In 2. Könige 22:8 wird berichtet, dass ein Priester namens Hilkija das Gesetzbuch im Tempel fand. In 2. Chronik 34:14-18 wird jedoch erzählt, dass es während der Renovierungsarbeiten durch Arbeiter entdeckt wurde.
Wer tötete Goliath? (1. Samuel 17 und 2. Samuel 21)
1. Samuel 17 erzählt die bekannte Geschichte, in der David den Riesen Goliath tötet. In 2. Samuel 21:19 wird jedoch berichtet, dass ein gewisser Elhanan Goliath tötete.
Und es erhob sich noch ein Krieg bei Gob mit den Philistern. Da erschlug Elhanan, der Sohn Jaïrs aus Bethlehem, den Goliat, den Gatiter; der hatte einen Spieß, dessen Schaft war wie ein Weberbaum.
Quelle
Der Ort, an dem Elija Gott begegnet (1. Könige 19)
In 1. Könige 19:8-13 begegnet Elija Gott auf dem Berg Horeb. Diese Darstellung steht im Widerspruch zu anderen Texten, die den Berg Sinai als Ort der Gottesoffenbarung festlegen, obwohl die Namen manchmal synonym gebraucht werden.
Die Herrschaft von Manasse (2. Könige 21 und 2. Chronik 33)
In 2. Könige 21:1-18 wird Manasse als extrem gottloser König beschrieben, ohne Reue zu zeigen. In 2. Chronik 33:10-17 hingegen wird erzählt, dass er bereut und sich wieder zu Gott bekehrt.
Der Untergang Jerusalems (Jeremia 52 und 2. Könige 25)
Jeremia 52 und 2. Könige 25 geben fast identische Berichte über die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier (579 v. Chr.). Dennoch gibt es Abweichungen in Details, wie der Anzahl der deportierten Menschen und der Opfergaben, was auf unterschiedliche Überlieferungslinien hindeutet.

Diese Widersprüche sind typisch für die redaktionelle Bearbeitung und Kompilierung der Prophetenbücher aus unterschiedlichen mündlichen und schriftlichen Überlieferungen. Es gibt noch mehr.
Widersprüche im Alten Testament: Schriften (Ketuvim)
Auch bei den verbleibenden Schriften des Tanach läuft es alles andere als widerspruchsfrei. Hier die Beispiele.
Wer war der rechtschaffene Mensch – Hiob oder niemand?
In Hiob 1:1 wird Hiob als „vollkommen und rechtschaffen“ beschrieben, jemand, der „Gott fürchtet und das Böse meidet“. Doch in Prediger 7:20 heißt es: „Denn kein Mensch auf Erden ist so gerecht, dass er nur Gutes täte und niemals sündigte.“
Ist Weisheit das höchste Gut oder vergeblich?
Sprüche 4:7 preist Weisheit als das höchste Streben: „Das Wichtigste ist Weisheit; erwirb Weisheit, und mit allem, was du erwirbst, erwirb Einsicht.“ Im Gegensatz dazu erklärt Prediger 1:18: „Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Ärger; und wer Erkenntnis mehrt, mehrt den Schmerz.“ Hier wird Weisheit sowohl als erstrebenswert als auch als Quelle von Kummer dargestellt.
Soll man den König preisen oder sich vor ihm hüten?
Sprüche 24:21 fordert dazu auf, den König zu ehren und ihm zu folgen: „Fürchte den Herrn und den König, mein Sohn, und mische dich nicht unter die Aufrührer.“ Doch in Prediger 8:9 wird das Königtum kritisiert: „Da habe ich all die Unterdrückung gesehen, die unter der Sonne geschieht, und Macht lag in der Hand ihrer Unterdrücker.“ Diese Texte spiegeln widersprüchliche Haltungen zur politischen Autorität wider.
Zahlt sich Gerechtigkeit aus oder nicht?
In Psalm 1:6 wird versichert, dass der Herr die Gerechten segnet und ihren Weg bewahrt: „Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten, aber der Weg der Gottlosen vergeht.“ Prediger 9:2 widerspricht dem, indem es sagt: „Allen begegnet das Gleiche: Dem Gerechten wie dem Gottlosen.“ Hier stehen sich Optimismus und Pessimismus in Bezug auf göttliche Vergeltung gegenüber.
Kann der Mensch alle Tiere zähmen?
In Psalm 8:6–7 heißt es, dass Gott dem Menschen alle Dinge unterworfen hat, einschließlich der Tiere: „Du hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner Hände.“ Doch Hiob 41:1–8 beschreibt das Seeungeheuer Leviathan als vollkommen unzähmbar, ein Wesen, das außerhalb menschlicher Kontrolle steht.
Sind Opfer Gott angenehm oder nicht?
Psalm 51:18–19 erklärt: „Denn du hast keine Lust an Schlachtopfern, sonst wollte ich sie dir geben; Brandopfer gefallen dir nicht.“ Gleichzeitig betont 2. Chronik 7:12, dass Gott Salomo sagt: „Ich habe dieses Haus erwählt und geheiligt, damit mein Name dort sei für immer, und ich will dort Opfer annehmen.“ Die Aussagen über die Rolle von Opfern stehen hier in einem klaren Gegensatz.
Widersprüche in der Bibel – Neues Testament
Kommen wir nun zu den Evangelien und den weiteren Büchern des Neuen Testaments. Einige der deutlichsten Widersprüche findest du auch im Artikel über die Auferstehung und die Himmelfahrt.
Diese Bücher bieten gute Einführung in die Textgeschichte und Textkritik des Neuen Testaments
[Klicke auf die Cover | Anzeige]
Widersprüche im Neuen Testament: Evangelium nach Markus
Wer hörte die Stimme Gottes bei der Taufe Jesu?
In Markus 1:11 heißt es bei der Taufe Jesu: „Und eine Stimme kam aus dem Himmel: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“ Dies suggeriert, dass die Stimme direkt zu Jesus spricht. Doch in Markus 9:7 (bei der Verklärung Jesu) spricht eine himmlische Stimme: „Dies ist mein geliebter Sohn, ihn sollt ihr hören.“ Hier scheint der Adressat der Stimme unklar – ist es Jesus selbst oder sind es die Umstehenden?
Wann reinigte Jesus den Tempel?
Markus 11:15–17 berichtet, dass Jesus die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieb, nachdem er am Tag zuvor Jerusalem betreten hatte. Doch in derselben Passage heißt es zuvor (Markus 11:11), dass Jesus nach seiner Ankunft im Tempel nur „umherblickte“ und die Stadt wieder verließ, ohne zu handeln. Warum wartete er, wenn die Reinigung des Tempels so dringlich war? Diese Abfolge ist widersprüchlich.
Wer ist verantwortlich für Jesu Kreuzigung?
Markus 15:15 berichtet, dass Pilatus Jesus auslieferte, um die Menge zufriedenzustellen: „Und Pilatus, der die Menge zufriedenstellen wollte, gab ihnen Barabbas frei und ließ Jesus geißeln und überantwortete ihn, gekreuzigt zu werden.“ Doch in Markus 14:41 sagt Jesus selbst bei der Verhaftung: „Die Stunde ist gekommen; siehe, der Menschensohn wird in die Hände der Sünder überliefert.“ Diese Stellen legen unterschiedliche Verantwortlichkeiten nahe – war es Pilatus oder ein göttlicher Plan?
Wie viele Frauen gingen zum Grab?
In Markus 16:1 wird berichtet, dass Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome Gewürze kauften, um den Leichnam Jesu zu salben. In Markus 16:8 fliehen die Frauen vor dem Grab und sagen niemandem etwas aus Angst.
Das steht im Widerspruch zu anderen Evangelien und späteren Überlieferungen:
- Johannes 20:1-2 beschreibt nur Maria Magdalena, die zum Grab geht, es leer findet und anschließend Petrus und Johannes informiert.
- Matthäus 28:8 berichtet, dass die Frauen „eilends vom Grab liefen“ und „den Jüngern die Botschaft brachten“.
- Lukas 24:9-10 nennt sogar explizit Maria Magdalena, Johanna, Maria, die Mutter des Jakobus, und weitere Frauen, die den Jüngern von der Auferstehung berichteten.
Wer sah Jesus zuerst?
In Markus 16:9 heißt es, dass Jesus nach seiner Auferstehung zuerst Maria Magdalena erschien. Doch die Verse zuvor (Markus 16:1–8) beschreiben, dass die Frauen am Grab keinen auferstandenen Jesus sahen, sondern nur einen Engel („Jüngling“), der sie aufforderte, die Nachricht zu verbreiten. Es bleibt unklar, wie diese beiden Erzählungen miteinander vereinbar sind.
Widersprüche im Neuen Testament: Evangelium nach Matthäus
Wie viele Generationen sind es von Abraham bis Jesus?
In Matthäus 1:17 heißt es, dass es „vierzehn Generationen von Abraham bis David, vierzehn Generationen von David bis zur babylonischen Gefangenschaft und vierzehn Generationen von der babylonischen Gefangenschaft bis Christus“ gibt. Doch wenn man den Stammbaum in Matthäus 1:2–16 genau nachzählt, stellt man fest, dass in der letzten Gruppe nur 13 Generationen aufgeführt werden.
Wer suchte Jesus nach seiner Geburt?
In Matthäus 2:1–12 besuchen die Weisen aus dem Morgenland das neugeborene Jesuskind in einem Haus. Doch in Matthäus 2:13–15 wird beschrieben, dass Joseph mit Maria und Jesus sofort nach Ägypten floh, nachdem der Engel ihn gewarnt hatte. Es bleibt unklar, wie lange die Weisen Zeit hatten, Jesus zu finden, bevor die Flucht begann.
Wie starb Judas?
In Matthäus 27:3–5 wird berichtet, dass Judas, nachdem er Jesus verraten hatte, die Silberstücke den Priestern zurückgab und sich daraufhin erhängte. Doch in derselben Passage (Matthäus 27:6–8) wird behauptet, dass die Priester mit dem Geld den „Töpferacker“ kauften, was Judas laut anderen Berichten selbst getan haben soll. Dies führt zu Widersprüchen, wer tatsächlich für den Kauf verantwortlich war.
Wer bezeugte die Auferstehung Jesu?
In Matthäus 28:1–8 heißt es, dass Maria Magdalena und „die andere Maria“ am Grab waren, als ein Engel des Herrn den Stein wegwälzte und sie über die Auferstehung informierte. Doch in Matthäus 28:9–10 begegnen die Frauen auf dem Rückweg plötzlich Jesus selbst. Die Frage bleibt offen, warum der Engel den Frauen nichts von der unmittelbaren Erscheinung Jesu sagte, wenn beide Begegnungen am selben Ort stattfanden.
Was geschah mit den Wächtern am Grab?
In Matthäus 28:2–4 wird beschrieben, dass die Wächter beim Erscheinen des Engels aus Angst wie tot wurden. Später jedoch (Matthäus 28:11–15) gehen diese Wächter zu den Priestern und berichten, was geschehen war. Die Beschreibung ihres Zustandes im ersten Abschnitt scheint unvereinbar mit ihrer späteren Handlungsfähigkeit.
Widersprüche im Neuen Testament: Evangelium nach Lukas
Stammbäume Jesu: Lukas vs. Matthäus
Im Lukas-Evangelium 3:23–38 wird ein völlig anderer Stammbaum Jesu aufgeführt als im Matthäus-Evangelium. Während Lukas Jesus über Nathan, einen Sohn Davids, mit Abraham verbindet, führt Matthäus denselben Stammbaum über Salomo. Zudem enthält Lukas 77 Generationen von Adam bis Jesus, während Matthäus lediglich 42 zählt.
Die Verkündigung der Geburt Jesu
In Lukas 1:26–38 wird Maria von einem Engel direkt informiert, dass sie den Sohn Gottes gebären wird. Doch in Matthäus 1:18–21 scheint es, als wäre Joseph derjenige, der von der göttlichen Natur der Schwangerschaft erfährt.
Geburt Jesu: Stall oder Haus?
In Lukas 2:7 heißt es, dass Jesus in einer Krippe geboren wurde, da kein Platz in der Herberge war. Im Gegensatz dazu beschreibt Matthäus 2:11, dass die Weisen aus dem Morgenland das Jesuskind in einem „Haus“ finden.
Wer begegnet dem Jesuskind?
In Lukas 2:8–20 sind es Hirten auf dem Feld, die das Jesuskind besuchen, nachdem Engel ihnen die frohe Botschaft verkünden. Im Matthäus-Evangelium (2:1–12) hingegen sind es die Weisen aus dem Morgenland, die durch einen Stern zu Jesus geführt werden. Beide Berichte schließen sich gegenseitig aus, da weder Hirten bei Matthäus noch Weisen bei Lukas erwähnt werden.
Abstammung von David durch Joseph
Lukas betont in Lukas 1:27 und Lukas 2:4, dass Joseph ein Nachkomme Davids ist. Gleichzeitig wird Jesus in Lukas 3:23 als „Sohn Josefs“ dargestellt, obwohl die jungfräuliche Geburt betont wird. Der Text schafft Verwirrung darüber, wie Jesus von David abstammen soll, wenn Joseph nicht sein biologischer Vater ist.
Zeitpunkt der Himmelfahrt
In Lukas 24:50–51 scheint die Himmelfahrt Jesu direkt nach seiner Auferstehung zu geschehen, während im gleichen Evangelium (Apostelgeschichte 1:3) von einer Periode von 40 Tagen gesprochen wird, in der Jesus den Jüngern erschien.
Vergebung der Kreuzigung
In Lukas 23:34 betet Jesus für die Vergebung seiner Peiniger: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Diese Aussage fehlt jedoch in den Parallelberichten bei Matthäus und Markus. Ihre Abwesenheit in den anderen Evangelien wirft Fragen darüber auf, ob sie ein späterer Zusatz ist.
Zeugen der Auferstehung
In Lukas 24:1–10 wird berichtet, dass mehrere Frauen das leere Grab fanden, darunter Maria Magdalena, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus. Doch in Johannes 20:1–2 ist Maria Magdalena allein.
Erscheinung Jesu auf dem Weg nach Emmaus
In Lukas 24:13–35 erscheint Jesus zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. Diese Geschichte ist in den anderen Evangelien nicht zu finden, was sie isoliert erscheinen lässt. Besonders im Kontrast zu Matthäus, wo Jesus den Jüngern in Galiläa erscheint, ist unklar, wo und wann die ersten Begegnungen nach der Auferstehung stattfanden.
Widersprüche im Neuen Testament: Evangelium nach Johannes
Kommen wir nun zum letzten Evangelium, dem des Johannes. Dies ist das späteste der kanonisierten Evangelien (Entstehung um das Jahr 90). Es hebt sich in vielerlei Hinsicht deutlich von den synoptischen Evangelien ab.
Reinigung des Tempels: Zeitpunkt der Handlung
Im Johannes-Evangelium 2:13–16 findet die Tempelreinigung zu Beginn von Jesu öffentlichem Wirken statt, während sie in den synoptischen Evangelien (z. B. Matthäus 21:12–13, Markus 11:15–17, Lukas 19:45–46) unmittelbar vor Jesu Tod geschildert wird. Dieser Unterschied wirft die Frage auf, ob es sich um zwei verschiedene Ereignisse oder um eine Verschiebung der Handlung handelt.
Dauer von Jesu öffentlichem Wirken
Laut Johannes erstreckt sich Jesu Wirken über mehrere Jahre, da das Evangelium mehrfach das Passahfest erwähnt (Johannes 2:13, 6:4, 11:55). In den synoptischen Evangelien scheint Jesu Wirken jedoch nur ein Jahr zu umfassen, da nur ein Passahfest erwähnt wird.
Zeitpunkt des Todes Jesu
Im Johannes-Evangelium (19:14) stirbt Jesus zur „sechsten Stunde“ (ca. Mittag) am Tag der Vorbereitung des Passahfestes, während er in den synoptischen Evangelien (z. B. Markus 15:25) um die „dritten Stunde“ (ca. 9 Uhr morgens) am Passah selbst gekreuzigt wird.
Träger des Kreuzes
Im Johannes-Evangelium 19:17 trägt Jesus sein Kreuz selbst, während in den synoptischen Evangelien (z. B. Matthäus 27:32, Markus 15:21, Lukas 23:26) Simon von Kyrene gezwungen wird, das Kreuz zu tragen. Dieser Unterschied widerspricht der Darstellung in den anderen Berichten.
Die Identität von Johannes dem Täufer
Im Johannes-Evangelium (Johannes 1:29–34) bezeugt Johannes der Täufer ausdrücklich, dass Jesus der „Sohn Gottes“ sei. In den synoptischen Evangelien (z. B. Matthäus 11:2–3) scheint Johannes der Täufer jedoch unsicher zu sein, ob Jesus tatsächlich der Messias ist, da er Jünger aussendet, um nachzufragen.
Letztes Abendmahl: Fußwaschung oder Einsetzung des Abendmahls?
Im Johannes-Evangelium (Johannes 13:1–17) wird die Fußwaschung durch Jesus geschildert, während die Einsetzung des Abendmahls nicht erwähnt wird. In den synoptischen Evangelien ist hingegen das Abendmahl zentral (z. B. Matthäus 26:26–29), ohne dass die Fußwaschung auch nur erwähnt wird.
Zeitpunkt der Gefangennahme Jesu
In Johannes (Johannes 18:28) wird Jesus früh am Morgen vor Pilatus gebracht, sodass die jüdischen Führer das Passahmahl noch nicht gegessen haben. In den synoptischen Evangelien (z. B. Markus 14:12–16) wird hingegen berichtet, dass Jesus und seine Jünger das Passah bereits gemeinsam gefeiert haben.
Zeugen der Auferstehung
Im Johannes-Evangelium 20:1–18 begegnet Maria Magdalena allein dem auferstandenen Jesus. In den synoptischen Evangelien (z. B. Matthäus 28:1–10, Markus 16:1–8, Lukas 24:1–10) wird von mehreren Frauen berichtet, die das Grab besuchen und von Engeln die Botschaft der Auferstehung erhalten. Die Unterschiede in der Anzahl und den Begegnungen führen zu widersprüchlichen Darstellungen.
Tod des Judas
Das Johannes-Evangelium erwähnt Judas’ Tod nicht, während die anderen Evangelien widersprüchliche Berichte bieten: In Matthäus 27:3–5 erhängt sich Judas, während Apostelgeschichte 1:18 beschreibt, dass er auf einem Feld stürzt und „auseinanderbricht“.
Aussagen Jesu vor Pilatus
Im Johannes-Evangelium (Johannes 18:33–38) spricht Jesus ausführlich mit Pilatus über Wahrheit und sein Reich, während in den synoptischen Evangelien diese Interaktion deutlich kürzer oder weniger tiefgehend beschrieben wird (z. B. Markus 15:2–5). Dies wirft die Frage auf, welche Version näher an den angeblichen Begebenheiten liegt.
Auch in den restlichen Büchern des Neuen Testaments (NT) gibt es Widersprüche. Hier eine Übersicht über einige zentrale Diskrepanzen:
Widersprüche in der Apostelgeschichte
Art der Bekehrung des Paulus
In Apostelgeschichte 9:7 wird berichtet, dass die Begleiter des Paulus „die Stimme hörten, aber niemanden sahen“. In Apostelgeschichte 22:9 sagt Paulus hingegen, dass seine Begleiter „die Stimme nicht hörten“.
Reihenfolge der Ereignisse nach Jesu Himmelfahrt
Apostelgeschichte 1:4–5 lässt Jesus vor seiner Himmelfahrt anordnen, in Jerusalem auf die Verheißung des Heiligen Geistes zu warten. Nach Lukas 24:50–51 (geschrieben vom selben Autor wie die Apostelgeschichte) erfolgt die Himmelfahrt unmittelbar nach der Auferstehung, ohne eine solche Anweisung.
Widersprüche in den Briefen des Paulus
Rechtfertigung durch Werke oder Glaube
In Römer 3:28 betont Paulus, dass der Mensch „durch den Glauben ohne Werke des Gesetzes“ gerechtfertigt wird. Im Jakobusbrief (2:24) heißt es hingegen: „So seht ihr, dass der Mensch durch Werke gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein.“ Diese theologische Diskrepanz war historisch ein zentraler Streitpunkt.

Jesu Auferstehung: Wer sah ihn zuerst?
In 1. Korinther 15:3–8 behauptet Paulus, dass Jesus zuerst dem Kephas erschienen sei. Dies widerspricht den Evangelien, insbesondere Markus 16:9, wo Maria Magdalena als erste Zeugin der Auferstehung genannt wird.
Widersprüche in den katholischen Briefen
Umgang mit Reichtum
In 1. Timotheus 6:10 wird gewarnt, dass „die Liebe zum Geld die Wurzel allen Übels“ sei. Im Jakobusbrief 2:14–17 wird jedoch darauf hingewiesen, dass es keine Tugend sei, den Bedürftigen lediglich Glauben ohne materielle Hilfe anzubieten. Beide Aussagen widersprechen sich hinsichtlich der Rolle von materiellen Gütern im Glaubensleben.
Widersprüche in der Offenbarung
Zeitpunkt des Gerichts
In der Offenbarung 20:4–5 wird beschrieben, dass nach der ersten Auferstehung ein tausendjähriges Friedensreich folgt, bevor das endgültige Gericht (Parusie) stattfindet. Nach Hebräer 9:27 findet das Gericht unmittelbar nach dem Tod statt, was den zeitlichen Ablauf der Ereignisse in der Offenbarung infrage stellt.
Anzahl der Versiegelten
Offenbarung 7:4 nennt die Zahl der Versiegelten 144.000 (12.000 aus jedem Stamm Israels). In Offenbarung 7:9 ist jedoch die Rede von einer „großen Schar, die niemand zählen konnte“, was die Exklusivität der 144.000 relativiert.
Diskrepanzen zwischen Altem und Neuem Testament
Das Neue Testament beruft sich an zahlreichen Stellen auf den Tanach – nicht verwunderlich, war Jesus doch Teil der jüdischen Tradition.
Prophezeiungen des AT, die den Messias betrafen, mussten dementsprechend „passen“ – oder passend gemacht werden. Beispielsweise sollte der von den Juden erwartete Messias aus dem Hause Davids stammen und Immanuel heißen.
Diese Vorhersagen erwiesen sich daher oft als schwierig und erforderten einiges an „Harmonisierung“ seitens der Autoren des Neuen Testaments. Es blieben allerdings zahlreiche Widersprüche und theologische Spannungen bestehen.
Hier einige Beispiel im Telegrammstil:
Gesetzesbindung vs. Gnade:
- AT: Die Einhaltung des Gesetzes wird als Weg zur Gerechtigkeit dargestellt (5. Mose 6:25).
- NT: Paulus erklärt, dass niemand durch das Gesetz gerechtfertigt wird (Galater 2:16).
Opferkult:
- AT: Tieropfer sind essenziell für die Sündenvergebung (3. Mose 16:15–16).
- NT: Hebräer 10:4 behauptet, dass Tieropfer Sünden nicht wegnehmen können.
Vergeltung:
- AT: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (2. Mose 21:24).
- NT: Jesus fordert, Böses nicht mit Bösem zu vergelten (Matthäus 5:38–39).
Exklusivität Israels:
- AT: Israel ist das auserwählte Volk (5. Mose 7:6).
- NT: Das Heil wird auch den Heiden verkündet (Römer 10:12).
- AT: Gott befiehlt Kriege und Vernichtung (Josua 6:21).
- NT: Gott wird als Liebe und Friedensbringer dargestellt (1. Johannes 4:8).

- AT: Die Beschneidung ist ein unverzichtbares Bundeszeichen (1. Mose 17:10–14).
- NT: Paulus erklärt sie als überflüssig für Christen (Galater 5:6).
Sündenvergebung:
- AT: Sündenvergebung erfordert Opfer und Gesetzestreue (3. Mose 4:20).
- NT: Sünden werden durch Gnade und Glauben an Christus vergeben (Epheser 2:8).
Polygamie:
- AT: Polygamie wird praktiziert und nicht explizit verurteilt (1. Könige 11:3).
- NT: Ehe wird als monogam und heilig beschrieben (1. Timotheus 3:2).
Scheidung:
- AT: Scheidung ist erlaubt (5. Mose 24:1).
- NT: Jesus verbietet Scheidung (Matthäus 19:9).
Vererbung von Schuld:
- AT: Gott bestraft Nachkommen für die Sünden ihrer Eltern (2. Mose 20:5).
- NT: Jeder trägt nur die Verantwortung für seine eigenen Sünden (Römer 14:12).
Ort des Gottesdienstes:
- AT: Gottesdienst ist an den Tempel in Jerusalem gebunden (1. Könige 9:3).
- NT: Jesus erklärt, dass wahre Anbetung überall möglich ist (Johannes 4:21–24).
Essensvorschriften:
- AT: Strikte Speisegesetze, z. B. Verbot von Schweinefleisch (3. Mose 11:7–8).
- NT: Alle Speisen gelten als rein (Markus 7:18–19).
Vergeltung von Schuld:
- AT: Gott zeigt Barmherzigkeit gegenüber Schuldigen, wenn gebetet wird (2. Chronik 7:14).
- NT: Jesus wird als einzig möglicher Vermittler zwischen Gott und Mensch dargestellt (1. Timotheus 2:5).
Messiasbild:
- AT: Der Messias wird als weltlicher Herrscher erwartet (Jesaja 9:6–7).
- NT: Jesus präsentiert sich als leidender Erlöser (Markus 10:45).
Harmonisierung der biblischen Widersprüche
Versuche, Widersprüche in der Bibel zu harmonisieren, haben eine lange Tradition und dienen oft dazu, den Anspruch der Bibel auf göttliche Inspiration zu verteidigen.
Solche Ansätze reichen von kreativen Interpretationen über symbolische Deutungen bis hin zur Annahme unterschiedlicher Perspektiven der Autoren.
Ein Beispiel ist die scheinbare Diskrepanz zwischen der Schöpfungsgeschichte in 1. Mose 1 und 1. Mose 2: Während Kapitel 1 die Schöpfung in sieben Tagen beschreibt, stellt Kapitel 2 eine andere Reihenfolge der Ereignisse dar. Hier argumentieren Apologeten oft, dass Kapitel 2 lediglich eine detailliertere Ergänzung sei.

Ebenso wird der Widerspruch zwischen Judas‘ Tod durch Erhängen (Matthäus 27:5) und seinem Tod durch Zerbersten (Apostelgeschichte 1:18) oft durch die Annahme erklärt, dass sich Judas erhängte und sein Körper „später zerschmetterte“. Interessanter Fall für Forensiker.
Solche Harmonisierungstechniken spiegeln den Versuch wider, die Bibel als einheitliches und fehlerfreies Werk zu präsentieren, trotz offensichtlicher Diskrepanzen im Text.
Meist bleibt es aber beim Versuch: Harmonisierungsversuche in der Bibel scheitern oft daran, dass sie die offensichtlichen Diskrepanzen durch unplausible oder unbelegte Annahmen zu überdecken versuchen. Statt die Texte in ihrem historischen und kulturellen Kontext zu lesen, werden sie gewaltsam in ein unhaltbares Schema göttlicher Perfektion gepresst.
Beispielsweise widerspricht die Behauptung, dass 1. Mose 2 eine Ergänzung zu 1. Mose 1 sei, dem Text selbst: In 1. Mose 1 werden Tiere vor dem Menschen erschaffen, in 1. Mose 2 hingegen Adam vor den Tieren. Diese Reihenfolge ist nicht einfach „detaillierter“, sondern widersprüchlich. Nur eine Version kann richtig sein. Die andere muss falsch sein.
Ähnlich verhält es sich mit Judas’ Tod. Die Theorie, dass Judas sich erst erhängte und später zerschmetterte, ist reine Spekulation, die weder im Matthäus- noch im Apostelgeschichte-Text angedeutet wird. Beide Berichte sind abgeschlossene Erklärungen seines Todes und widersprechen sich direkt.
Fazit: Eine Bibel voller Widersprüche
Wenn man sich die Widersprüche in der Bibel anschaut, könnte man meinen, dass der Heilige Geist manchmal einen schlechten Tag hatte – oder vielleicht einfach eine Vorliebe für überraschende Plot-Twists.
Von widersprüchlichen Schöpfungsgeschichten über göttliche Launen bis hin zu unterschiedlichen genealogischen Abstammungen Jesu gibt es in den Heiligen Schriften mehr Ungereimtheiten, als man in einem Sonntagsprediger-Workshop auflösen könnte.
Vielleicht sollte man sich nach all diesen Verwirrungen fragen: Wenn diese Bücher tatsächlich von einem allmächtigen, allwissenden Gott inspiriert wurden, warum gibt es dann so viele Unklarheiten?

Am Ende lässt sich nur eines mit Sicherheit sagen: Wenn die Bibel das Wort Gottes ist, dann haben wir es hier mit einer göttlichen Erzählung zu tun, die irgendwie die schlechtesten Plot-Fehler in der Geschichte der Literatur aufweist.
Ein so fehlerhaftes „Werk“ kann keine Wahrheit verkörpern, schon gar keine absolute. Religion ist, wenn man trotzdem dran glaubt.
Widersprüche in der Bibel gibt es zuhauf.
Klicke auf eines der Buchcover, um mehr zu erfahren.
[Anzeige]
Du möchtest ab und zu eine Verkündigung? Abonniere hier den Newsletter.











Kommentar verfassen